von Dominik Rigoll

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23. Oktober 2019

In den gegenwärtigen Debatten um den richtigen Umgang mit der AfD werden oft Vergleiche mit der Weimarer Republik angestellt, der es nicht gelang, den Aufstieg der NSDAP zu stoppen. Vergleichbar ist die Situation heute aber auch mit den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Alliierten und später auch die Deutschen den Aufstieg nationalistischer Parteien sehr wohl zu verhindern wussten. Die DDR mithilfe eines extrem repressiven Antifaschismus, der organisierten Nationalismus quasi verunmöglichte; die Bundesrepublik mit einer antinazistischen Sicherheitspolitik, die nur eine relativ kleine Gruppe von „echten Nazis“ ausschloss und den Rest der Rechten sozial und emotional zu integrieren versuchte. Dieser Beitrag skizziert, welche Arten des Umgangs mit der Gefahr von rechts es bis etwa 1960 speziell in Westdeutschland gab, wobei das Hauptaugenmerk auf der Ideologie und Praxis der alliierten und deutschen Sicherheitsbehörden liegt. Der Ausblick handelt von den Folgen der antinazistischen Sicherheitspolitik für die Demokratieentwicklung.

Das erste Sicherheitsregime, das 1945 gegen die Rechte errichtet wurde, war ein Besatzungsregime. Laut Potsdamer Abkommen waren „Nazismus und Militarismus auszurotten“. Wie andere Sicherheitsregime, setzte auch dieses an vier Punkten an: 1. an den staatlichen Institutionen, 2. am Leitungspersonal dieser Institutionen, 3. an den politischen Organisationen sowie 4. schließlich bei der politischen Bildung (man kann auch zynischer „Propaganda“ dazu sagen). Die Institutionen des Landes standen ganz unter alliierter Kontrolle: Verwaltungen,  Bildungseinrichtungen, das Transportwesen usw., aber auch Industrie und Banken. Alles wurde kontrolliert, um eine Renazifizierung oder Remilitarisierung zu verhindern. Das Leitungspersonal wurde so ausgewählt, dass Schlüsselposten nur mit Anti-Nazis und Nicht-Nazis besetzt waren. Politische Organisationen wurden waren zunächst generell verboten, wobei das Hauptaugenmerk natürlich auf der Zerschlagung der NSDAP und ihrer Vorfeldorganisationen lag. Auf dem Gebiet der politischen Bildung wurde ein Umerziehungsprogramm gestartet, die Re-Education.

 

1945: Sicherheitsverwahrung für rechte Gefährder

Am stärksten waren die alliierten Kontrollen bei der inneren und äußeren Sicherheit: Hier wurden deutsche Strukturen komplett zerschlagen und durch alliierte ersetzt. D.h. es gab keine deutschen Geheimdienste, kein Militär und keine bewaffnete Polizei mehr. Das deutsche Leitungspersonal des zerschlagenen Herrschaftsapparates kam bis auf weiteres in Sicherheitsverwahrung („automatic arrest“): Während die regulären Kriegsgefangenen meistens schon 1945 wieder freikamen, saßen in den Jahren danach bis zu 280.000 Angehörige der NS-Funktionselite in alliierter Internierungshaft.[1] Die rechten Gefährder avant la lettre sollten so daran gehindert werden sich gegen die Alliierten oder eine spätere demokratische Regierung zu verschwören, wie dies die antidemokratische Rechte um General Ludendorff nach 1918 getan hatte.

Kompliziert wurde es, als Alliierte und Deutsche 1946 damit begannen, demokratische Strukturen aufzubauen. Zu den Masseninternierungen von 1945 kamen nun Massenentlassungen hinzu. Die Idee hinter der sog. Denazifizierung war, dass es nur Sinn machte, den Deutschen die Souveränität über ihre staatlichen Institutionen zurückzugeben, wenn darin nicht wieder Nazis und Militaristen das Sagen hatten, sondern Anti-Nazis oder Nicht-Nazis. Die Weimarer Republik war ja unter anderem daran gescheitert, dass der Staatsapparat und die Wirtschaft voller Demokratiefeinde gewesen waren, die nichts gegen die Nationalsozialisten unternahmen oder sogar mit ihnen sympathisierten; dies waren nicht unbedingt Nazis, aber Monarchisten und Nationalkonservative, also Gruppen, die seinerzeit als „Reaktionäre“ bezeichnet wurden. Tatsächlich waren die Internierung und Entlassung von zehntausenden rechten Gefährdern wichtig, denn Dank ihnen konnten die Nicht-Nazis und Anti-Nazis in den Institutionen Aufbauarbeit leisten, ohne dabei ständig von der radikalen Rechten gestört zu werden wie nach 1918 – einerseits. Andererseits hatte die antinazistische Repression aber auch zwei negative Nebeneffekte, die zu einem echten Problem für die Alliierten und ihre deutschen Verbündeten wurden.

 

Mit der Denazifizierung die Renazifizierung

Erstens führten die Massenentlassungen zu einer Solidarisierung mit den Betroffenen, da sie viele Ungerechtigkeiten produzierten, weil binnen weniger Monate Hunderttausende Personen allein aufgrund von Mitgliedschaften in NS-Organisationen mittelos wurden. Standen 1945 die meisten Deutschen einer Denazifizierung durchaus positiv gegenüber, nahm die Zustimmung ab 1946 schnell ab. Zweitens fand eine Radikalisierung nach rechts statt: Hatte sich 1945 ein Gutteil der NS-Eliten bei den Alliierten geradezu lieb Kind gemacht in der Hoffnung auf eine Kollaboration im Zeichen des Antikommunismus, drohten dieselben Eliten nun mit Loyalitätsentzug. Netzwerke von „Entnazifizierungsgeschädigten“ begannen gegen die demokratischen Parteien zu intrigieren, die Besatzungspolitik zu sabotieren und eine „Braune Hilfe“ aufzubauen, bei der nicht so ganz klar war, ob sie wirklich nur Solidaritätsstrukturen oder einen Widerstandskampf vorbereiteten.[2] Eine rechte Militanz entstand, oft aus den Internierungslagern heraus. Die Übergänge zwischen degradierten Alt-Nazis und aktiven Nazis waren fließend, zumal die aufmüpfigsten „Alt-Nazis“ junge Männer aus den SS-Formationen waren. Wie Forschungen zur rechten Militanz der 1945er Jahre gezeigt haben, gab es immer wieder Anschläge auf KPD- und SPD-Politiker und leitende Beamte, an Juden gerichtete Drohbriefe, eingeschlagene Scheiben von Spruchkammern usw.[3]  

Ein zeitgenössischer Begriff für diesen rechten Backlash war „Renazifizierung“. Bei ihr handelte es sich sozusagen um den ersten Rechtsruck der Nachkriegsgeschichte. Wie Alliierte und Deutsche mit dem Backlash umgingen, der auf die Repression der Jahre 1945/46 folgte, ist – genau wie das Phänomen selbst – noch wenig erforscht. Der kanadische Historiker Perry Biddiscombe hat dargelegt, wie einschüchternd der Druck von rechts auf das Spruchkammerpersonal wirkte, das sich mancherorts kaum noch traute, streng vorzugehen. Dass die Spruchkammern zur „Mitläuferfabrik“ (Lutz Niethammer) wurden, geschah also auch aus Angst vor einer noch stärkeren Radikalisierung der Betroffenen.

 

Wie reden über die Gefahr von rechts?

Ein Grund, warum all dies noch so wenig erforscht ist, liegt wohl dem Umstand zugrunde, dass es zwar viele alliierte, aber nur wenige westdeutsche Quellen gibt, in denen die Arrest- und Säuberungspolitik des Jahres 1945 als Sicherheitsmaßnahme bezeichnet wird. Im westdeutschen Diskurs der 1945er Jahre wurde das Problem des politischen Umgangs mit Nazismus und Militarismus in der Regel nicht als Sicherheitsproblem „geframed“. Öffentlich gedeutet wurde es allenfalls als moralisches Problem, das die Betreffenden mit sich selbst ausmachen sollten; als strafrechtliches Problem, für das gegebenenfalls die Gerichte zuständig waren; nicht zuletzt als zeithistorisches Problem, das schon 1945 weit in der Vergangenheit lag und deshalb eine Sache für Historiker*innen war.

Galt starke NS-Belastung in den Besatzungshandbüchern der Alliierten als Indiz für die Unzuverlässigkeit oder sogar Gefährlichkeit einer Person oder Personengruppe, wurde NS-Belastung im westdeutschen Diskurs allenfalls als moralisches Handicap dargestellt. Aus einem Problem der inneren Sicherheit, für dessen Lösung eben noch die alliierten Militärs und Geheimdienste zuständig gewesen waren, wurde so ein Problem der „Vergangenheitsbewältigung“ und des „inneren Friedens“ – heute würde man Problem des „gesellschaftlichen Zusammenhalts“ sagen.[4] Probleme des „gesellschaftlichen Zusammenhalts“ werden anders als Sicherheitsprobleme nicht durch Exklusion, sondern durch Inklusion gelöst; nicht durch Repression der Gefährder, sondern durch ihre soziale und emotionale Integration in das Gemeinwesens; nicht mit der Peitsche der Sicherheitspolitik, sondern mit dem Zuckerbrot der sozialen Absicherung. In der Forschung heißt es oft, über diesen Schwenk von der Exklusion zur Inklusion der rechten Gefährder habe Einigkeit bestanden. Schaut man jedoch genauer hin, lassen sich auf westdeutscher Seite zwei Typen antinazistischer Sicherheitspolitik identifizieren. Sie wurden zeitgenössisch als Staatsschutz und als Demokratieschutz bezeichnet. In der SBZ/DDR wurde ein eigene, eine antifaschistische Sicherheitspolitik praktiziert, also eine, die nicht nur den Nazismus bekämpft, sondern auch den Kapitalismus.

 

Schutz der Demokratie oder des Staates?

Mit dem Begriff „Schutz der Demokratie“ (oder eben Demokratieschutz) wurde in den 1950er Jahren eine Mischung aus Inklusions- und Exklusionspolitik bezeichnet, die Teile der SPD und der Gewerkschaften, aber auch radikaldemokratische Gruppen sowie Liberale und Linke auf westalliierter Seite propagierten. Sie alle traten einerseits für die soziale Integration des einstigen NS-Personals ein, um dessen weitere Radikalisierung nach rechts zu verhindern. Andererseits schwebte ihnen in Anknüpfung an den Weimarer Republikschutz ein Demokratieschutz vor, der sich gegen linke und – vor allem – rechte „Feinde der Demokratie“ wandte. Mit Blick auf die KPD richtete er sich vor allem gegen Gewalttätigkeit, d.h. friedliche kommunistische Betätigung sollte erlaubt sein. Ein Verbot der KPD und ihrer Vorfeldorganisationen hielten sie für übertrieben und auch wenig demokratisch. Nach Rechts brachte sich der Demokratieschutz gegen mehrere Gefahren in Stellung: 1. offenen Nazismus, 2. Nationalkonservative in den bürgerlichen Parteien, 3. die Unterwanderung des Staates durch rehabilitierte NS-Eliten, 4. die Rückkehr des Militarismus im Fall einer zu raschen Wiederbewaffnung. Die Sicherheitsbehörden sollten zum Schutz der Demokratie also nicht nur Neonazis im Auge haben, sondern den gesamten „rechten Rand“ sowie Seilschaften in den Institutionen. Schlüsselpositionen des Staates sollten mit Nazi-Gegnern oder Nicht-Nazis besetzt und die Sicherheit der Bundesrepublik von den Alliierten garantiert werden, damit eine Wiederbewaffnung der alten Offiziere der Wehrmacht überflüssig war. Zudem sollte die alliierte Re-Education durch eine deutsche „Vergangenheitsbewältigung“ ersetzt und die Deutschen, die Hitler unterstützt hatten, über die Gefährlichkeit von Nazismus und Militarismus aufgeklärt werden.

Abb. 1 – Vom Garanten zum Gefährder – das Beispiel Reinhard Gehlen. Links sieht man Gehlen als Wehrmachtsoffizier während des Vernichtungskrieges gegen den „jüdischen Bolschewismus“, rechts im Sommer 1945 nach dem „Automatical Arrest“ als Sicherheitsrisiko („security threat“). Foto links: Bundesarchiv, Bild 183-27237-0001. Quelle Wikimedia Commons. Lizenz: CC-BY-SA 3.0 de. Foto rechts: US Army Corps. Quelle: Wikimedia Commons. Public Domain.

Realisiert wurde Demokratieschutz in den 1950er Jahren freilich kaum – allenfalls in sozialdemokratischen Hochburgen wie Westberlin und Hessen lassen sich Ansätze erkennen. Die Sicherheitspolitik, die stattdessen im Bund und in den meisten Ländern dominierte, wurde von denen, die sie propagierten, „Staatsschutz“ genannt. Der Begriff bezeichnete also nicht wie heute nur die Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität, sondern den gesamten Bereich dessen, was heute „innere Sicherheit“ genannt wird. Für eine Sicherheitspolitik des Staatsschutzes setzten sich bis in die 1960er Jahre hinein CDU/CSU, FDP, die nationalkonservative Deutsche Partei, aber auch Konservative auf alliierter Seite ein. Im Staatsschutz blieb die antinazistische Sicherheitspolitik auf kleine, offen nazistisch auftretende Gruppen wie die Sozialistische Reichspartei beschränkt. Die Existenz anderer Gefahren von rechts – namentlich nationalkonservative SPD-Aversionen oder die Gefährdung durch die Rückkehr der NS-Funktionseliten in die Verwaltung und durch die Wehrmachtoffiziere in die Bundeswehr, wurde hingegen konsequent geleugnet. Mehr noch: Die Führungen der CSU/CSU, FDP und DP deuteten diese Entwicklungen nicht etwa als potentiell gefährlich für den Bestand der Demokratie, wie dies linke Sozialdemokrat*innen und Liberale taten, sondern im Gegenteil als notwendige Maßnahmen zum Schutz der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ vor dem Kommunismus. So kam zur sozialen Integration der NS-Eliten ihre emotionale Integration hinzu, denn ihre Rekrutierung auf wichtige Stellen galt nicht mehr als Sicherheitsrisiko, sondern als Sicherheitsgarantie. Aus den einstigen Gefährdern waren Garanten der Demokratie und der Freiheit geworden.

Abb. 2 – Für die einen wieder Garant, für die anderen weiter Gefährder: Links eine Titelgeschichte über Reinhard Gehlen als Chef der „Organisation Gehlen“, des späteren BND. Links:  SPIEGELCOVER. Rechts ein Bild von Gehlen („8“) auf einem kommunistischen Propagandaplakat, das an die Gefährlichkeit der rechten Gefährder erinnern soll. Rechtes Foto: Manfred Niermann. Quelle: Wikimedia Commons. Lizenz: CC BY-SA 4.0.

Die Transformation vom Gefährder zum Garanten passierte in Westdeutschland zehntausendfach, gerade auf Schlüsselpositionen der inneren und äußeren Sicherheit. Reinhard Gehlen, der langjährige Präsident der nach ihm benannten „Organisation Gehlen“ und später des Bundesnachrichtendienstes (BND), war ein ehemaliger Gefährder, weil er dem Generalstab der Wehrmacht angehört hatte. Dasselbe gilt für Gerhardt Matzky, der als einer der Väter des Bundesgrenzschutzes gelten kann. Auch Paul Dickopf, der einer der Väter des Bundeskriminalamts war und von 1965 bis 1971 selbst als Chef dieser Behörde amtierte, war ein ehemaliger Gefährder. Hans Globke, der in der Adenauer-Ära der Herr über das Bundespersonal war, war als früherer Ministerialbeamter im Reichsinnenministerium ebenfalls ein Ex-Gefährder. Die Reihe ließe sich lange, lange fortsetzen.

 

Segen und Fluch rechtsoffener Inklusionspolitik

Die radikale Inklusionspolitik der Adenauer-Ära wird sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch in der politischen Debatte oft als moralisch problematisch angesehen, aber auch als Voraussetzung für die Stabilisierung und damit letztlich auch der Demokratisierung der Bundesrepublik. In der Tat hatte die Rehabilitation der rechten Gefährder zur Folge, dass die nationale Opposition gegen die Republik in den Jahren nach 1945 viel kleiner blieb als in den Jahren nach 1918. Warnungen vor einem „Dritten Weltkrieg“ oder einem „Vierten Reich“ erfüllten sich nicht. Allerdings hatte die Inklusion  auch negative Folgen für die Demokratieentwicklung. Eine davon war, dass sich die politischen Kräfteverhältnisse in den 1950er Jahren im Vergleich zu den 1945er Jahren extrem nach rechts verschoben. Besonders greifbar wird dies in den Bereichen innere und äußere Sicherheit, wo nun Dinge realisiert wurden, die zur Zeit der alliierten Militärbesatzung undenkbar war, ja die das alliierte Sicherheitsregime auf den Kopf stellten. Die meisten der Leute, die 1945 als Gefährder gegolten hatten, wurden nun auf Schlüsselpositionen in die Lage versetzt, selbst darüber mitzuentscheiden, wie Sicherheit, Demokratie, Freiheit usw. ausbuchstabiert werden sollten. Der 1945 zerschlagene Militärapparat wurde wieder aufgebaut. Ehemalige Wehrmachtoffiziere belegten keine Re-Education-Kurse mehr, sondern hielten Vorträge in den USA über „Bandenbekämpfung“ in der Sowjetunion. Rechte Parteien waren nicht mehr verboten, rechte Publikationen wurden en masse gekauft. Linke und liberale NS-Gegner sahen sich in die Defensive gedrängt. Nazi-Jäger wie der Staatsanwalt Fritz Bauer wurden von den Behörden nicht mehr unterstützt, sondern sabotiert, und fürchteten um ihr Leben.

All diese Entwicklungen waren nicht einfach die logischen Folgen des Kalten Krieges, sondern einer rechtsoffenen Staatsschutzpolitik, die, daran sei abschließend noch einmal erinnert, durchaus nicht alternativlos war. Vielmehr gab es nach 1945 in Deutschland drei Arten des Umgangs mit der Gefahr von rechts: Ein repressiver Antifaschismus im Osten, eine Konkurrenz zwischen Demokratie- und Staatsschutz im Westen. Realisiert wurde in der Bundesrepublik der Adenauer-Ära vor allem der Staatsschutz, der sich repressiv fast ausschließlich gegen die „rote Gefahr“ wandte,  was die Bundesrepublik in die Lage versetzte, das Problem der Gefahr von rechts durch die soziale und emotionale Absicherung der einstigen Gefährder zu lösen, die nun Dank des Antikommunismus nicht nur wieder in Lohn und Brot kamen, sondern zu Musterdemokraten avancierten. Diese Inklusionspolitik führte zwar in der Tat zu einer Stabilisierung, weil sie eine weitere Radikalisierung verhinderte, sie hatte jedoch auch einen Preis. Dieser Preis bestand nicht nur in dem beschriebenen Rechtsruck, sondern auch darin, dass die im Namen des „inneren Friedens“ und der Kommunismusabwehr „umarmte“ Rechte die Demokratie und den Rechtsstaat nun von innen über Jahre hinweg in ihrem Sinne prägen konnte. Mit der Zeit wurden viele dieser Einflüsse zwar wegreformiert, sie können aber bei einem erneuten Rechtsruck wiederbelebt werden.[5]

 


[1] Andrew Beattie, The Allied Interment of German Civilians in Occupied Germany: Cooperation and Conflict in the Western Zones, 1945-9, in: Camilo Erlichman/Christopher Knowels (Hg.), Transforming Occupation in the Western Zones of Germany, 1945-55, S. 81-96, hier: S. 84;

[2] Peter Hammerschmidt, Deckname Adler. Klaus Barbie und die westlichen Geheimdienste, Frankfurt/Main 2014, S. 66-86, zur „Braunen Hilfe“ S. 75.

[3] Perry Biddiscombe, The Denazification of Germany. A History 1945-1950, Stroud 2007, S. 193-201; Gavriel D. Rosenfeld, The Fourth Reich: The Specter of Nazism from World War II to the Present, Cambridge 2019, S. 56-105

[4] Wobei Thomas de Maizière für einen „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ unter expliziten Einschluss von Migrant*innen steht und Horst Seehofer für einen unter implizitem Ausschluss ebendieser Gruppe, denn bei ihm ersetzt der Begriff „Heimat“ den der „Integration“ [zuletzt abgerufen am 19.09.2019].

[5] Siehe hierzu demnächst Dominik Rigoll, Antinazistische Sicherheitspolitik. Das Bundesinnenministerium und die rechte Gefahr, 1940-1970, erscheint 2020 im Wallstein Verlag,