von Annette Schuhmann

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1. Mai 2010

Dreitausend Seiten in drei Bänden sind in den Jahren von 2007 bis 2009 zum Thema Flick erschienen. Insgesamt neun renommierte bundesdeutsche Wirtschaftshistoriker und ungezählte wissenschaftliche Hilfskräfte haben die Konzerngeschichte, die Netzwerkstrategien, die Sucht nach Einfluss und Macht, die Familientragödie und den Unwillen die eigene Geschichte zu reflektieren des Unternehmers Friedrich Flick akribisch beleuchtet und schließlich in voluminösen Bänden veröffentlicht.

Ab dem 26. Mai 2010 läuft zu den besten Sendezeiten sowohl auf Arte als auch in der ARD der Film „Flick“. Hierbei handelt es sich wohlgemerkt nicht um einen Film zum Buch, sondern um eine im deutschen Fernsehen selten so gelungene Kooperation zwischen Filmemachern und Wissenschaftlern. Das zweiteilige Dokudrama konzentriert sich stark auf die Person Friedrich Flicks, und dennoch gelingt es hier, dem Zuschauer eine Vorstellung zu vermitteln von der hochkomplexen Unternehmensgeschichte und dem grenzenlosen Opportunismus des Unternehmers Flick sowohl in der Zeit des Nationalsozialismus als auch in der Bundesrepublik. Historiker/innen in Deutschland tun sich, im Vergleich etwa mit der angloamerikanischen Praxis, immer noch schwer mit der Vermittlung ihrer Themen in die Welt außerhalb der eigenen Institutionen und Foren. Mit dem Flick-Film ist dem Regisseur und Drehbuchautor Thomas Fischer jedoch die schwierige Gratwanderung zwischen legitimer, sicher auch dem Medienformat geschuldeter, Reduktion auf der einen Seite und der Vermittlung eines zeithistorisch relevanten und sehr komplexen Themas gelungen. Dahinter stand eine nicht minder akribische und langjährige Recherchearbeit, die Suche nach filmisch geeigneten Quellen, eine Unzahl von Gesprächen mit Zeitzeugen und nicht zuletzt auch ein aufklärerischer Impetus des Regisseurs. Und natürlich wird sich die in der Regel nörgelige Zunft der Historiker/innen unter Umständen an den nachgestellten Szenen reiben, ohne die der Film im Übrigen spannend genug ist. Auch die musikalische Untermalung treibt, zumindest im zweiten Teil, die Zuschauer/innen ein wenig zu sehr vor sich her. Trotzdem, der gute Sendeplatz ist mehr als legitim und spannendes Fernsehen, jenseits des ermüdenden Histotainments, ist es allemal.

Regisseur und Drehbuchautor des Films ist Thomas Fischer. Thomas Fischer, Jahrgang 1947, promovierte in den 1970er Jahren an der Universität Freiburg zum Thema „Städtische Armut und Armenfürsorge im 15. und 16. Jahrhundert“. Seit 1980 arbeitet er beim Südwestrundfunk und übernahm dort die Redaktionsleitung „Bildung und Zeitgeschehen“.

Das folgende Interview wurde am 22. Mai 2010 im Foyer des Media-Hotels in Berlin aufgezeichnet.

Annette Schuhmann im Gespräch mit dem Regisseur und Drehbuchautor Thomas Fischer

Sendezeiten:

Folge 1 26. Mai 2010, 20.15 Uhr auf arte 31. Mai 2010, 21.00 Uhr im Ersten

Folge 2 26. Mai 2010, 21.10 Uhr auf arte 7. Juni 2010, 21.00 Uhr im Ersten

 

Rezensionen zu kürzlich veröffentlichten Büchern zum Thema:

Frei, Norbert; Ahrens, Ralf; Osterloh, Jörg; Schanetzky, Tim: Flick. Der Konzern, die Familie, die Macht, München 2009
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2009-4-137

Bähr, Johannes; Drecoll, Axel; Gotto, Bernhard; Priemel, Kim Christian; Wixforth, Harald: Der Flick-Konzern im Dritten Reich. Hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin im Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, München 2008
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-3-197

Kim Christian Priemel: Flick – Eine Konzerngeschichte vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik, Göttingen 2007
http://www.zeit.de/2007/50/P-Flick