von Henrike Voigtländer

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23. Oktober 2019

Der Beitrag basiert auf dem Material der Ausstellung „Rechtsextreme Frauen in der DDR – im Blick von Ministerium für Staatssicherheit und Volkspolizei“ sowie auf der Masterarbeit der Verfasserin.

 

Die historisch interessierte Forschung zum Rechtsextremismus in der DDR zieht zumeist Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) heran. Dass hier Vorsicht geboten ist, machte Anfang der 1990er Jahre schon Walter Süß deutlich, der in großem Umfang Akten des MfS zum Rechtsextremismus untersuchte.[1] Süß bezeichnete den Versuch, mit diesen Akten den Rechtsextremismus in der DDR nachzuzeichnen, als „Illusion“. Seine Annahmen sind in vielen Punkten für die weitere Forschung zur Wahrnehmung des Rechtsextremismus seitens des MfS maßgeblich: Die Staatssicherheit verfing sich durch die Externalisierung des Rechtsextremismus in den Westen und die Einordnung der Jugendlichen als „gestrauchelte“ Einzelfälle in einer „hilflos-repressiven Bekämpfung von Symptomen“. Selbst ein hauptamtlicher Mitarbeiter erkannte dies und beschwerte sich, die Bekämpfung des Rechtsextremismus könne „nicht alleinige Aufgabe der Untersuchungsorgane sein“, sondern sei „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“.

Gleichwohl können und sollen die Akten des MfS dennoch für die Rechtsextremismusforschung nutzbar gemacht werden. Die Unterlagen umfassen nicht nur die Beobachtungsvorgänge des MfS (sogenannte Operative Personenkontrollen oder Operative Vorgänge), sondern auch Ermittlungsmaterial der Volkspolizei (und damit des Ministeriums des Innern) sowie – in seltenen Fällen – Egodokumente. Deshalb kann Süß‘ Ansatz heute weiterentwickelt werden. So berichten die Akten der Staatssicherheit nicht nur über das Scheitern der Institution im Umgang mit dem Neonazismus, sondern helfen auch, die sich stärker entwickelnde Neonaziszene zu begreifen. Im Folgenden soll dies am Beispiel der 20-jährigen Sabine P. (Pseudonym) geschehen, einer Frau aus der Neonaziszene im Ost-Berliner Bezirk Lichtenberg, die nach einer Auseinandersetzung in und vor einem Jugendklub im Herbst 1987 als „Rowdy“ über anderthalb Jahre im Strafvollzug in Hoheneck verbrachte. Was wussten die ostdeutschen Sicherheitsbehörden über P.? Wie interpretierten sie ihr Wissen? Und was lässt sich anhand der Akten über Frauen in der Neonaziszene der DDR rekonstruieren?

 

Die Lichtenberger Neonaziszene, das MfS und Sabine P.

Die Lichtenberger Neonaziszene, in der sich P. bewegte, entstand Mitte der 1980er Jahre. Viele, die ihr angehörten, waren Skinheads. Die Neonazis zeigten den Hitlergruß, trugen der SA-Uniform ähnliche Kleidung und suchten die gewalttätige Auseinandersetzung mit als „Ausländer“ wahrgenommene Personen oder prügelten sich bei Fußballspielen – vor allem des BFC Dynamo. Die maßgeblichen Zusammenschlüsse, die sich hier bildeten, waren die 1986 gegründete „Lichtenberger Front“ und die 1988 gegründete „Bewegung 30. Januar“, aus denen 1990 die rechtsextreme Partei Nationale Alternative (NA) hervorging. P. wohnte mit einem anderen befreundeten Neonazi zusammen in einer Wohngemeinschaft und reiste mehrfach zu Fußballspielen, um sich an Gewalttaten zu beteiligen. Alltag, Freizeit und Politik verbanden sich unmittelbar miteinander. Das MfS führte für P. keinen eigenen Untersuchungsvorgang, hatte sie aber auf dem Radar, weil sie zu Fußballspielen reiste, um sich an Gewalttaten zu beteiligen. Mehrfach verhörte sie die Hauptabteilung IX, zuständig für strafrechtliche Ermittlungen, sowie die Abteilung XX der Bezirksverwaltung Berlin, zuständig für politische Repression und Überwachung, politische Untergrundtätigkeit und Opposition. Darüber hinaus sammelte der Zentrale Operativstab Informationen über P. Erst im Gefängnis legte das Arbeitsgebiet I Abteilung 4 der dem Ministerium des Innern unterstehenden Kriminalpolizei – die allerdings mit der Verwendung Inoffizieller Mitarbeiter ähnliche Ermittlungsstrategien verfolgte – einen Untersuchungsvorgang an.

Anhand des Beispiels P. möchte ich untersuchen, wie die Institutionen sie und ihr Verhalten zu interpretierten und was sich darüber hinaus – aus geschlechtergeschichtlichem Blick – über die Neonaziszene aus den MfS-Akten rekonstruieren lässt.

 

1. Anhand der Kategorisierungen von Sabine P. kann nachgezeichnet werden, wie sich der Umgang des MfS und der Volkspolizei mit der Neonaziszene änderte: War P. vorher bereits als Mitglied von Skinhead-Gruppierungen bekannt, wurde sie erst als politische Gefahr interpretiert, als es (außen)politisch geboten schien.

Die Kriminalpolizei verhörte P. im Rahmen der Ermittlungen rund um eine Schlägerei bei einem Fußballspiel des BFC Dynamo in Dresden am 5. März 1986. Laut Vernehmungsprotokoll bezeichnete sie sich hier als „Fußball-Skin“. Sie mache „diese Bewegung nur als Mode“ mit, berichtete P. Von den rassistischen, den Staat hassenden Skinheads, wollte sie sich distanzieren. So äußerte P. laut Protokoll: „Es gibt aber auch Skins, die nur die Kleidung als Modeerscheinung tragen und die anderen angeführten Interessen nicht vertreten. Zu dieser Gruppe gehöre ich auch selbst.“[2] Diese Reduktion auf eine modische Strömung und hiermit die Distanzierung von der Zugehörigkeit zu einer rechtsextremen Gruppe hinterfragten die Vernehmenden scheinbar nicht. Die Strategie, sich als „Mode-Skin“ abzutun, war für beide Seiten nützlich: Die Volkspolizei oder das MfS sahen sich in dem Glauben bestätigt, es gäbe keine Neonaziszene in der DDR, gleichzeitig entgingen die jeweiligen Personen im besten Falle härteren Verfolgungsmaßnahmen oder Strafen. Man muss hier allerdings bedenken, dass es sich um aggregierte Protokolle handelte. Es ist freilich nicht sicher, wie viel davon P. in den Mund gelegt wurde oder was sie unter Druck äußerte. Ihr exakter Wortlaut war es sicher nicht. Anderthalb Jahre später jedenfalls, im November 1987, in der Vernehmung nach ihrer Festnahme, fiel im Polizeipräsidium in der Berliner Keibelstraße die Selbstbezeichnung als „Neonazi“. Laut Protokoll äußerte sich P. rassistisch, NS-verherrlichend und antisemitisch. Ein paar Monate später legte das Arbeitsgebiet I Abteilung 4 der Kriminalpolizei in Hoheneck auch ihre Akte im Strafvollzug in Stollberg/Hoheneck als „Kontrollmaterial“ mit dem Decknamen „Faschist“ an und ließ sie von anderen Insassinnen bespitzeln.

Wie es dazu kam, wird verständlich, wenn man sich die politische Entwicklung seit dem 17. Oktober 1987 in Erinnerung ruft, als Neonazis ein Punkrockkonzert in der Zionskirche in Berlin-Mitte überfielen. Ein westdeutsches Kamerateam war zugegen und filmte den Übergriff. Waren Staatssicherheit und Volkspolizei durchaus bereits zuvor mit dem Problemfeld des Neonazismus beschäftigt, versuchte der Staat, dieses weitgehend nicht ans Licht der Öffentlichkeit kommen zu lassen. Mit dem Überfall auf das Konzert wurden Neonazis in der DDR nun über den Umweg der Presse der Bundesrepublik auch massenmedial sichtbar. MfS und Volkspolizei reagierten mit öffentlichkeitswirksamen Ermittlungen und Repressionen, um zu zeigen, dass die DDR sich dem Problem annahm. Nicht zuletzt sollte die Lichtenberger Neonaziszene, so hieß es, „zersetzt“ werden. Hatte P. kurze Zeit als Tatverdächtige gegolten, galt es, – selbst als sich herausstellte, dass sie nicht vor Ort gewesen war – sie als Teil der „Zersetzung“ der Szene so schnell wie möglich zu verurteilen. Das Strafmaß von einem Jahr und sieben Monaten für P. war hoch. Was also wurde ihr vorgeworfen? In einem Jugendklub hatte sie andere Gäste angerempelt und war des Klubs verwiesen worden. Schließlich beschimpfte sie weitere Besucher*innen sowie die alarmierte Volkspolizei und demolierte einen Laternenmast durch Fußtritte. Gab es bei ihrer Auseinandersetzung keine Verletzten, so hatte ein anderer Neonazi noch im Jahr zuvor eine, ein halbes Jahr kürzere Freiheitsstrafe für „Rowdytum“ erhalten, und das obwohl er mehrere Personen geschlagen hatte, davon eine bewusstlos. P.s ersten Gesetzesverstoß nahmen die Untersuchungsorgane also direkt zum Anlass, um sie in einem politisch opportunen Moment außer Gefecht zu setzen – und ihr erst infolge schließlich Gefährlichkeit zu attestieren.

 

2. P. wurde zwar als Gefahr eingeordnet, jedoch nicht primär in die Kategorie einer rassistischen, antisemitischen und gewaltbereiten Person, sondern vor allem als soziale Abweichlerin.

Betrachtet man nämlich den angewendeten Straftatbestand, so liest sich der Fall kaum als politische Verfolgung infolge „faschistischen“ Verhaltens. P. wurde nämlich wegen „Rowdytum“ (§ 215 Strafgesetzbuch der DDR) sowie Beleidigung der Volkspolizei verurteilt. Im Gegensatz beispielsweise zum § 220 StGB (Öffentliche Herabwürdigung), der „faschistisches“, „rassistisches“ oder „revanchistisches“ Verhalten sanktionierte, ging es bei „Rowdytum“ um die „Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens“. Erst auf den zweiten Blick spielte im Urteil eine Rolle, dass P. den Skinheads angehörte. So stand in der anfänglichen Kurzvorstellung ihrer Person, dass sie sich zu den Skinheads zähle, deren Ideologie und Verhalten, wie „Ausländerfeindlichkeit“ und Gewaltbereitschaft, sie teile. Darüber hinaus betonte die Schilderung des Tathergangs, dass sie „[i]n der für ‚Skinheads‘ typischen Kleidung“ andere Klubbesucher*innen angestoßen habe. Ihre politische Orientierung wurde also aufgrund der öffentlichen Zurschaustellung der Kleidung sanktioniert. Nicht die potenziellen Opfer – wie Vertragsarbeiter*innen oder Jüdinnen und Juden – würden von ihr bedroht, sondern die sozialistische Ordnung.

Über die vermeintliche, mit § 249 StGB sanktionierte „asoziale Lebensweise“ wie auch „Rowdytum“, so Thomas Lindenberger, wurde in der DDR das „Fremde“ definiert, über das sich wiederum das positive Bild des konstruktiv-aufbauenden Sozialismus konstruieren ließ. Mit der Kategorisierung als Rowdy wurde also P.s Kleidung und ihr Verhalten, als der Gesellschaft „fremd“ markiert und sie, genauso wie der Rest der Neonaziszene, als primär soziale Randgruppe verstanden – und weniger als politische. Dies bot die Chance, – nach heutigen Begriffen – rechtsextreme Einstellungen als Teil der Gesellschaft zu negieren und am gesellschaftlichen Rand zu verorten. In Anlehnung an ähnliche Prozessbegriffe wie Externalisierung, Sexualisierung oder Migrantisierung könnte man diesen Prozess als „Ver-Asozialisierung“ bezeichnen.

Die Sicherheitsorgane der DDR ignorierten damit die politische Systemopposition von P., die über den Habitus weit hinausging und sich nicht zuletzt in ihren Ausreiseanträgen vom 25. Februar und 10. August 1988 manifestierte. Die Politik der DDR strotze von „Widersprechungen“; vieles sei „verschleiert oder gar nicht veröffentlicht […] und man [wird] nur belogen und betrogen“. Darüber hinaus schürten die Erziehungsmaßnahmen nur stärkere Hassgefühle. Als schärfsten Kumulationspunkt ihrer Ablehnung nannte P. den Überfall auf das Konzert in der Zionskirche, bei welchem sich der Hass in „Rowdytum“ umgewandelt habe. Sie fügte hinzu: „Sie brauchen sich in nichts zu wundern.“ P. verstand die Gewalt der Neonazis als nur logische Konsequenz des staatlichen und parteilichen Handelns.

 

3. Die Akten spiegeln nicht nur den Sexismus des MfS und der Volkspolizei wider, sondern offenbaren auch, welche Rolle Geschlecht in der Neonaziszene spielte – und wie P. diese verinnerlicht hatte.

Zuerst bildeten sich geschlechtsspezifische Stereotypen in der Strafpraxis ab: Mit dem Straftatbestand „Rowdytum“ wurden im Gegensatz zu „Asozialität“ grundsätzlich mehr Männer sanktioniert. Zielte Rowdytum auf die Bestrafung von gewalttätigem Verhalten, so sanktionierte § 249 StGB „Arbeitsbummelanten“, aber auch vermeintliche Prostitution bei Frauen. Wenngleich die Verurteilung als vermeintlicher Rowdy innerhalb der Straflogik der DDR zu P.s Verhalten passte und männliche Neonazis häufiger mit dem § 215 StGB belangt wurden, so war die Anwendung des Paragrafen bei einer Frau ungewöhnlich. Möglicherweise spielte für das hohe Strafmaß von P. auch eine Rolle, dass ihr aufsässiges, gewalttätiges Handeln der stereotypen Vorstellung widersprach, Frauen würde nicht „klatschen“ gehen, also Gewalt qua Geschlecht grundsätzlich abgeneigt sein.

Eine Bekannte von P. war zur gleichen Zeit hingegen, wegen vermeintlicher asozialer Lebensweise verurteilt worden. Als sie mit einem Kader der Neonaziszene eine Paarbeziehung führte, verdächtigte das MfS sie zeitweilig, eine „Zentralfigur“ der Szene zu sein. Als sich das Paar schließlich trennte, warf die Staatssicherheit der Frau vor, sie würde ihren Lebensunterhalt mit Beziehungen zu Männern bestreiten, legte ihr damit Prostitution nahe und sexualisierte sie. Das MfS interessierte sich nicht weiter dafür, dass es sich bei ihren Freunden ebenfalls um Neonazis handelte und sie weiter in der Szene verblieb. In beiden Fällen, im Falle P.s und ihrer Bekannten, erfuhr das neonazistische Engagement durch den Fokus auf abweichende Performance von Gender und Sexualität eine Entpolitisierung.

Auch innerhalb der Szene war Sabine P.s Stand nicht unumstritten. Als eine von wenigen Frauen in der Szene bekam sie den internen Sexismus zu spüren. Ein Neonazi hatte sie im Rahmen von Ermittlungen zu einer Fußball-Schlägerei beschimpft: „Die Olle spinnt. Die weiß doch überhaupt nicht was Skinheads sind.“ Auch später gab es Probleme innerhalb der Szene. So wich P. bereits in ihrer Vernehmung vom 20. November 1987 einer Frage der Ermittler mit der Begründung aus, dass sie schon einmal in Schwierigkeiten geraten sei, als sie zu viele Angaben zu Bekannten gemacht habe und dann in der Szene als „Anscheißer“ gegolten habe. Auch im Strafvollzug war das noch ein Thema, so sprach sie von Morddrohungen gegen ihre Person. Inwiefern das allerdings als Strategie dienen sollte, eine Freilassung oder eine Ausreise zu erwirken, darüber schweigen die Akten.

P. war sich durchaus bewusst, dass ihre Zugehörigkeit zu den Skinheads ein Verstoß gegen traditionelle Geschlechtervorstellungen darstellte: In der Vernehmung im Frühjahr 1986 antwortete sie auf die Frage wie ihre Eltern ihr Auftreten als Skinhead bewerteten: „Ich hatte schon immer kurze Haare und sah aus wie ein Junge. Auch habe ich mich wie ein Junge gefühlt. Meine Eltern finden das nicht ganz in Ordnung. Mit der Zeit haben sie sich aber schon daran gewöhnt.“ Dass P. wie ein Junge aussah und sich auch so fühlte – war, so die Protagonistin, überhaupt erst die Voraussetzung für ihr Auftreten als Skinhead. Auch verknüpfte sie Gender stark mit sozialer Abweichung: Am 20. Juni 1988 im Gefängnis in Hoheneck reflektierte sie, wie es dazu kam, dass sie im Gefängnis saß in einem Brief an ihre Mutter. Sie sei schon „von Kind an ein Querkopf“ und „Einzelgänger“ gewesen. Darauf folgt: „Du, ich habe mich als Mädchen, wie Ihr mich immer haben wolltet, verloren. Ich habe diese Jungsrolle zu stark mir angenommen, um noch ein bisschen Würde in mir zu haben; ich gehe, wenn Du so willst, über vieles hinweg – ganz einfach weil ich kein normales Leben haben will.“

P. scheint das Framing einer sozialen Abweichlerin übernommen und sich damit identifiziert zu haben. Sehr wahrscheinlich war P. bewusst, dass ihre Briefe im Vollzug gefilzt wurden. Dennoch wählte sie diese offene Art und handelte damit eigensinnig. Ob sie sich möglicherweise auch einen Nutzen ihrer Selbstpositionierung versprach, muss offenbleiben.

Die Rolle von Geschlecht begrenzte sich also nicht nur den sexistischen Blick auf Frauen, den Akteure aus Staat und Partei auf sie warfen und ihnen damit eine politische Haltung absprachen. P. hatte sich dieses Framing selbst angeeignet. Für sie erlaubte erst eine Anpassung an männliche Verhaltensweisen die Agency, aus dem „normalen Leben“ auszubrechen – und eröffnete damit einen Handlungsraum, über den sie als Frau nicht verfügt zu haben scheint.

 

Schlussbetrachtung

Das Fallbeispiel von Sabine P. zeigte, dass das MfS der Neonaziszene nicht nur ratlos gegenüberstand und die Akteur*innen unterschätzte. Vielmehr interpretierte die Staatssicherheit neonazistische Akteur*innen als (a)soziale Gruppe am Rande der Gesellschaft; ein Framing das der Parteiideologie sehr gelegen war. Bei Frauen verstärkte sich diese externalisierende Tendenz durch geschlechtsspezifische Stereotype und Sexualisierungen, die die Protagonistinnen entpolitisierten – auch wenn sie offenkundig die DDR kritisierten. Schlussendlich reproduzierte die Neonaziszene mitsamt ihren weiblichen Angehörigen diese Framings selbst.
Die hier vollzogene Arbeitsweise sollte darüber hinaus zeigen, dass sich ein intensiver mikrohistorischer Blick in die Unterlagen des MfS lohnt und sie sich sehr wohl für die historische Rechtsextremismusforschung – nicht zuletzt aus geschlechtergeschichtlicher und kulturwissenschaftlicher Perspektive – nutzen lassen.

 


[1] Walter Süß, Zu Wahrnehmung und Interpretation des Rechtsextremismus in der DDR durch das MfS, (Analysen und Berichte Nr. 1, Reihe B), hg. von der BStU, Berlin 1993.
[2] Die Ergebnisse zu Sabine P. finden sich in folgenden Akten: Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (folgend: BStU), MfS HA IX 773 (Vernehmungsprotokoll der Zeugin P., 11.04.1986, S. 111-112; Vernehmungsprotokoll des Beschuldigten N.N., 06.03.1986, S. 157-165.); BStU, MfS BV Berlin Abt. XX 3053 (Beschuldigtenvernehmung mit P., 20.11.1987); BStU, MfS BV Berlin AOPK 5380/88 (Abschlussbericht zur OPK „Skinhead”, 25.08.1988, S. 171-174); BStU, MfS AU 564/89 Bd. 1 (Kopie vom Urteil gegen N.N., S. 547-552); BStU, MfS HA IX 17652 (Abschrift aus Urteil am 16.02.1988 gegen P., S. 25-26); BStU, MfS AKAG 362/89 (Ausreiseantrag von P., S. 10-11; Bekräftigung des Ausreiseantrages von P., S. 100-101; Brief an die Eltern, 20.06.1988, S. 51).