von Gunilla Budde

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1. März 2013

 

Auf der Suche nach aktuellen Studien zur Lage der Hochschullehrerinnen in Deutschland stößt man etwa bei Amazon nicht auf Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt, sondern auf die Werbung für ein T-Shirt mit folgender Botschaft:  „Professorinnen sehen sehr gut aus. Ich bin der Beweis“. Das spontane Lächeln gefriert da schnell. Die zu Beginn des 20. Jahrhundert geborene Vorstellung des Blaustrumpfs lebt offenbar immer noch. Warum sonst sollte man ein derart kokettes Motto-Shirt anbieten?

Vor gut 200 Jahren, als die Forderung von Frauen nach Bildungspartizipation lauter wurde, griff man(n) nach Zollstock und Waage. Hirnumfang und -gewicht wurden als Beweis mangelnder intellektueller Fähigkeiten von Frauen angeführt.
Als ein „soziales Experiment“ mit unabsehbaren Folgen wurde das Frauenstudium in einer 1897 erfolgten Umfrage von männlichen Hochschullehrern dämonisiert. Doch aufhalten ließen sich die Frauen nun nicht mehr. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts fielen die rechtlichen Barrieren, die ihnen den Weg an die Alma mater versperrt hatten. Der erste Sprung erfolgte, als 1908 die preußischen Universitäten ihre Pforten für Studentinnen öffneten. Im Wintersemester 1908/1909 waren insgesamt 1132 Studentinnen an den preußischen Universitäten eingeschrieben. Im Jahr 1931 waren es fast 20.000 – dreimal so viel als noch fünf Jahre zuvor.

Damit war durchaus ein Reservoir von Studentinnen immatrikuliert, aus dem weibliche Nachwuchswissenschaftler hätten hervorgehen können. Doch die Zahl der Frauen, die wirklich eine Hochschulkarriere anstrebten, blieb verschwindend gering. Erste Habilitationsgesuche zu Beginn des 20. Jahrhunderts lösten hektischen Aktionismus in den Ordinariaten und Ministerien aus. So konterte etwa das preußische Kulturministerium mit einer Umfrage, in der sämtliche preußischen Universitäten aufgefordert wurden, zum „Problem“ der Habilitation von Frauen Stellung zu nehmen. Der Tenor der Antworten indes war einhellig: Die seit Jahrhunderten bewährte „Virilität der Universitäten“ sei ein zu wertvolles Gut, als dass man es aufs Spiel setzen dürfe.

Nichtsdestotrotz wurde 1907 das Habilitationsrecht für Frauen in Deutschland offiziell eingeführt. Doch noch fünf Jahrzehnte später lag in West- wie Ostdeutschland die Zahl der Professorinnen bei nur 3 %. Angestoßen durch die Bildungsreform der sozial-liberalen Regierung und beflügelt von der Frauenbewegung kamen in den 1970er Jahren weitreichende Umstrukturierungsprozesse im Bildungsbereich in Gang. Die mächtigen old-boys-networks, die bis dahin Neuberufungen unter sich ausgeklüngelt hatten, sollten durch klar reglementierte Berufungsverfahren, wie sie die seit den 1980er Jahren einsetzenden Hochschulreformen vorsahen, unterlaufen werden. Mehr Transparenz lautete das Zauberwort. Dass die Reform der Berufungsverfahren kein Allheilmittel war oder besser noch: genügend Hintertüren offen ließ für ein lange eingespieltes männliches Strippenziehen, zeigt das Schneckentempo, mit dem auch weiterhin die Zahl der Professorinnen wuchs. Im Jahr 1980 machten die weiblichen Studienanfänger zwar mehr als 40% aus, knapp 20% aller akademischen Doktortitel wurden an Frauen verliehen, doch lediglich 4,8% aller Habilitierten waren Frauen, und nur 2,5% von ihnen hatte eine C4-Professur inne. Im europäischen Vergleich bildet Deutschland hier vor Malta das Schlusslicht. Nur ein Viertel aller Wissenschaftler an deutschen Universitäten sind Frauen.

Mit der Juniorprofessur wurde 2001 eine Position geschaffen, die erstmalig auch deutlich mehr Frauen den Weg zu einer Hochschulkarriere öffnen sollte. Ziel war es, die Zeit der unsicheren Anstellungsverhältnisse vor dem Erhalt einer Professur zu verkürzen und die enge Abhängigkeit vom Betreuer aufzuheben. Dies sollte nicht zuletzt auch jungen Frauen zugute kommen. Mit ungefähr 30% Juniorprofessorinnen liegt ihr Anteil deutlich über der Quote der W2 und W3-Professorinnen. Diese hat jedoch auch eine Dekade nach der Einführung der Juniorprofessur keineswegs angezogen. Ein ausschließliches Frauenproblem ist dies allerdings nicht. Was die soziale Rekrutierung, Berufsmotivation, Auslandsaufenthalte und Publikationsrate betrifft, fallen die Unterschiede zwischen Männern und Frauen ohnehin wenig ins Gewicht. Mit Ausnahme des Familienstands: Während 90% aller männlichen Professoren an deutschen Hochschulen verheiratet sind und 80% Kinder haben, ist mehr als die Hälfte aller Professorinnen kinderlos und jede dritte Single.

Doch mittlerweile reagiert man auf diese Situation. Viele Hochschulen nutzten in den letzten Jahren das von der berufundfamilie gGmbH angebotene Managementinstrument, um das Zertifikat „familiengerechte hochschule“ zu erlangen. Und immerhin 68 Hochschulen stellten sich der Überprüfung „forschungsorientierter Gleichstellungsstandards“ seitens der DFG. Dabei erreichten 2011 insgesamt 20 Universitäten das höchste 4. Stadium. Bei den Begutachtungen von SFBs und Graduiertenkollegs bekommen die Gleichstellungsmaßnahmen zunehmend mehr Gewicht.
Anlass zur Hoffnung, dass Professorinnen künftig weniger als seltene Fabelwesen daherkommen.