von Martin Sabrow

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1. April 2011

I.

Dass die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl eine historische Zäsur ersten Ranges darstellt, scheint außer Frage zu stehen und hat durch das schreckliche Erdbeben in Japan mit dem nachfolgenden Reaktorunglück von Fukushima in unseren Tagen eine so beängstigende wie fundamentale Bestätigung erfahren. „Tschernobyl“ hat mit seiner grenzüberschreitenden Strahlenwolke die Atomeuphorie der fünfziger und sechziger Jahre radikal beendet. Seither wissen wir: Es gibt kein gutes Atom neben dem bösen Atom und keine zivile Kernkraftnutzung, die sich von der militärischen sicher scheiden ließe. Mit dem 26. April 1986 hat die Kernkraftdiskussion sich in Deutschland endgültig vom Ausbau auf den Ausstieg verlagert. Die Katastrophe von Tschernobyl machte den Satz möglich, den 25 Jahre später ein deutscher Außenminister unter dem Eindruck der Folgekatastrophe von Fukushima und ihrer parteipolitischen Auswirkungen in deutschen Bundesländern schmallippig prägte: „Es war eine Abstimmung über die Zukunft der Atomkraft. Wir haben verstanden.“[1]

Die vornehmste Aufgabe der gegenwartsnahen Geschichtswissenschaft allerdings ist es, solche Zeitgewissheiten kritisch zu reflektieren und mit ihren Mitteln der historischen Kontextualisierung und der analytischen Distanzierung zu befragen. Gerade das uns im trüben Licht von Fukushima noch einmal selbstverständlicher gewordene Bild von Tschernobyl als historischer Zäsur verdient reflexive Nachfrage: Was genau macht die Katastrophe von Tschernobyl eigentlich zur historischen Zäsur? Denn seit dem späteren 19. Jahrhundert gilt bekanntlich mit Gustav Droysen, dass Epochenbegriffe und damit auch historische Zäsuren nur „Betrachtungsformen“ des ordnenden Historikers sind, nicht Eigenschaften der Welt und der Geschichte selbst. In der Zäsur wird der Abschluss deutlich, rundet sich im Rückblick eine Zeit zur Epoche wie die Zeit vor der Französischen Revolution als ancien régime oder die Zeit vor dem Ausbruch der 1848er-Revolution als Vormärz. Zäsuren sind notwendige und gesuchte Einschnitte, um das historische Kontinuum fassbar zu machen und die Kette der Ereignisse in Glieder zu ordnen. Ihre genaue Datierung und ihre kulturelle Reichweite sind dabei oft umstritten. Besonders im Medienzeitalter werden sie oft ausgerufen und schnell wieder vergessen, wie es etwa der Jahrhundert- und Jahrtausendzäsur widerfuhr, die von einem starken Bewusstsein der Zeitenwende begleitet wurde und rückblickend ihren Zäsurencharakter sofort wieder eingebüßt hat. Nicht nur in diesem Fall wurden zunächst dramatisch erscheinende Einschnitte durch den wachsenden Abstand wieder eingeebnet. So erging es in unserer jüngeren deutschen Zeitgeschichte etwa den Notstandsgesetzen der späten sechziger Jahre, deren drohende Verabschiedung die Studentenbewegung mobilisierte und eine fast hysterische Furcht vor der Faschisierung auslöste, oder der Einführung des Euro 2003 oder der EU-Osterweiterung vom Mai 2004 – allesamt als historisch aufgerufene Daten, die rasch nivelliert wurden.

Tatsächlich wurden und werden auch Natur- und Umweltkatastrophen keineswegs zwangsläufig als Zäsuren wahrgenommen. Das verheerende Erd- und Seebeben von Lissabon am 1. November 1755 rief flammenden Protest der Vernunft gegen die Unvernunft von Naturereignissen hervor, wurde aber doch nicht als historischer Einschnitt aufgefasst, von dem mit Goethe „eine neue Epoche ausgeht“. Das Erdbeben von San Francisco 1906, die 45 Millionen Menschen obdachlos machende Überschwemmung in Indien 1955, die Tsunami-Katastrophe von 2004, der Hurrikan Katrina von 2005 – sie stehen für Naturereignisse, die statistisch als Katastrophen bewertet werden, weil ihre Schäden mehr als 0,3% des BSP übersteigen, die betroffen machen und Solidaritätswellen auslösen. Aber sie stehen nicht für historische Zäsuren.

Nun bezeichnet Tschernobyl keine Naturkatastrophe, sondern ein menschlich verursachtes Unglück mit globaler Auswirkung, für das allerdings seinerseits sehr verschiedene Termini mit unterschiedlichem Zäsurgehalt zur Verfügung stehen und in unterschiedlichen Argumentationslinien eingesetzt werden: Störfall, Havarie, Reaktorexplosion, Katastrophe, Super-GAU. Tschernobyl steht in der Geschichte der atomaren Großunfälle nicht einzig dar: Die Strahlenbelastung in der Kerntechnischen Anlage von Majak im Gebiet von Kyschtym in der Sowjetunion war nach der Explosion der dortigen atomaren Wiederaufbereitungsanlage am 29. September 1957 fast doppelt so hoch wie zwanzig Jahre später die Kontaminierung der Gegend von Tschernobyl. Die Flutung des außer Kontrolle geratenen Graphitreaktors im englischen Sellafield im selben Jahr 1957 forderte Dutzende von Krebstoten. Beide Unfälle und dazu noch die Kernschmelze eines Schnellen Brüters 1959 im kalifornischen Simi Valley wurden von der Internationalen Atomenergie-Organisation in dieselbe Kategorie 6 eingestuft wie nach bisherigem Stand die Havarie von Fukushima. Wenngleich das Unglück von Tschernobyl mit der bisher einmaligen Einstufung 7 – Super-GAU – die Liste der weltweiten Kernkraftunglücke anführt, so ist sein Rang als Zäsuren setzendes Großunglück keineswegs einzig und wird überdies in den unterschiedlichen europäischen und transatlantischen Gesellschaften sehr unterschiedlich gewichtet: Nicht nur in Weißrussland, sondern auch in Frankreich und auch in den USA markiert der Super-GAU von Tschernobyl bis heute keine politische Umkehr und keinen historischen Einschnitt, sondern einen dramatischen Zwischenfall, der das Ziel energiewirtschaftlicher Autarkiegewinnung und umweltschonender Stromerzeugung keineswegs obsolet macht – gerade begründete der türkische Energieminister Taner Yildiz die Entscheidung seiner Regierung, trotz des Atomunfalls in Japan am Bau der ersten türkischen Atomkraftwerke festzuhalten, mit dem Argument, dass im Grunde „das Junggesellen- Dasein riskanter sei als die Atomkraft“. [2]

Zäsuren sind nicht nur kulturräumlich bedingt, sondern ebenso auch von ihrer zeitlichen Perspektive abhängig. Der ohne große Widerstände in der Bevölkerung durchgesetzte Ausstieg aus dem Ausstieg durch die 2010 vom Bundestag beschlossene Laufzeitverlängerung für deutsche Kernkraftwerke führte vor, wie derwachsende  Abstand zu einer Einebnung der historischen Zäsur von Tschernobyl,geführt hatte, bis die Havarie von Fukushima dieses Zäsuren Bewusstsein mit einem Schlag wieder aufleben ließ. Vor dem japanischen Erdbeben war das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie dagegen gerade mit umweltpolitischen Argumenten für die Kernenergie eingetreten: „Gegenüber einem Mix aus Kohle- und Erdgasstrom spart deshalb heute die CO2-arme Kernenergie rund 150 Millionen t CO2 im Jahr ein. Dies entspricht nahezu den gesamten jährlichen CO2-Emissionen des deutschen Straßenverkehrs.“ [3]

Mit Ludwik Flecks berühmtem Diktum über „Die Entstehung und Entwicklung einer historischen Tatsache“ lässt sich sagen, dass auch die Entstehung einer historischen Zäsur ein kultureller Akt ist und manchmal allein ein historiographischer, wie die Debatte um den Zäsurencharakter von „1968“ oder die maßgeblich durch eine Wortmeldung von Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael angestoßene Betrachtung der siebziger Jahre als Ausdruck eines Umbruchs „nach dem Boom“ veranschaulicht.

 

II.

Der Kampf um die Geltungskraft historischer Zäsuren wird über ihre Einbettung in übergreifende Kontinuitätslinien und Erzählungen ausgetragen. Im Fall von Tschernobyl standen sich vor allem drei unterschiedliche Narrative gegenüber: zum einen eine, wie Melanie Arndt es nennt, atomeuphorische Fortschrittserzählung[4], die die Abkehr von fossilen Brennstoffen als Weg zur Befreiung der Menschheit von ihren zivilisatorischen Anfängen versteht und nichts dabei fand, im Jahr nach Hiroshima eine neue Bademode mit einem Wortspiel als „an-atomique“ bzw. „anatomisch“ zu preisen und mit augenzwinkerndem Bezug auf das Atoll der amerikanischen Bombenversuche auf den Namen „Bikini“ zu taufen. Das euphorische Fortschrittsnarrativ ist im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts in die Krise geraten und als ungebremste Atomeuphorie im westlichen Diskurs im Reaktor von Tschernobyl endgültig verglüht – anders übrigens als im osteuropäischen. Kurz: Es hat seine Legitimität angesichts einer mit der Idee der „fortschrittlichen“ Zukunftsgewinnung nicht vereinbaren Zäsur verloren.

Eine zweite Erzählungslinie begreift die friedliche Kernkraftnutzung nicht mehr als Zukunftshoffnung, sondern nur mehr als Gegenwartsverlängerung und Übergangsphänomen: „Die Kernenergie als Brückentechnologie kann das notwendige Zeitfenster zur Verfügung stellen, bis erneuerbare Energien so weit sind, die Kernenergie sicher, kostengünstig und klimaschonend zu ersetzen. Sie wird - unabhängig vom Vollzug des Kernenergieausstiegs - mindestens noch ein Jahrzehnt wesentlicher Bestandteil des deutschen Strommixes bleiben und in dieser Zeit einen wichtigen Beitrag für eine versorgungssichere, wirtschaftliche und umweltfreundliche Stromversorgung Deutschlands leisten.“[5] So argumentierte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Frühjahr 2009 zur Vorbereitung der Abkehr vom rot-grünen Atomkonsens, die mit der Verabschiedung der Laufzeitverlängerung am 28. Oktober 2010 im Bundestag beschlossen wurde und dazu führte, dass die Betriebszeiten der vor 1980 in Betrieb gegangenen sieben Anlagen um acht Jahre und die der zehn übrigen Atomkraftwerke um 14 Jahre verlängert wurden. In diesem Narrativ erscheint Tschernobyl nicht als de-legitimierende Zäsur, sondern als Bestätigung eines nüchternen Pragmatismus, der keiner Verheißung und keiner Vision folgt, aber eben deshalb auch keine Hysterie der Fortschrittsfeindlichkeit duldet, sondern die Nutzung der Kernkraft von Wahrscheinlichkeitserwägungen abhängig macht und aus der Denkfigur der „praktischen Unmöglichkeit“ heraus begründet. „Die deutschen Kernkraftwerke zählen zu den weltweit sichersten Anlagen. Nach dem Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge muss praktisch ausgeschlossen sein, dass Schäden an Leben, Gesundheit und Sachgütern durch den Betrieb von Kernkraftwerken eintreten.“[6] Dem pragmatischen Energiediskurs liegt der Denkstil des kritischen Rationalismus zugrunde. Er verallgemeinert Erfahrungen auf dem induktiven Weg zu Geltungssätzen, ohne ihre Falsifizierbarkeit a priori auszuschließen, und eliminiert im Habitus der abwägenden Vorurteilsfreiheit die Kluft zwischen Wahrscheinlichkeit und Gewissheit: „Kein Energieträger kann derzeit alleine alle Anforderungen an eine wirtschaftliche, sichere und umweltfreundliche Energieversorgung erfüllen. Deshalb müssen die Möglichkeiten und Vorteile jedes Energieträgers genutzt werden. Auch in Zukunft muss die Stromversorgung auf einem breiten Energieträgermix aufbauen, um eine sichere, kostengünstige und umweltverträgliche Energieversorgung zu gewährleisten.“[7] Das politische Nachbeben von Fukushima hat uns den Zerfall dieser pragmatischen Erzählung und ihres Leitparadigmas der nüchternen Risikoabschätzung dramatisch miterleben lassen. Ihr prominentester Vertreter, Minister Brüderle, hat das Festhalten an ihr mit einem plötzlich heftig wackelnden Ministerstuhl bezahlt, und die auch mit seinem Namen verbundene Partei hat sich nach den Landtagswahlen innert 24 Stunden zur Anti-Atom-Partei zu wandeln versucht.[8]

Einzig die dritte Erzählung der kategorischen Kernkraftabsage beharrt uneingeschränktauf dem Zäsurencharakter von Tschernobyl. Sie setzte schon vor 1986 dem Leitparadigma der kalkulierbaren Wahrscheinlichkeit das Denkmodell der unkalkulierbaren Möglichkeit entgegen, das der altbekannte Aufkleber „Atomkraft, nein danke“ formuliert und dessen bescheidener Entschiedenheit er jüngst seine flächendeckende Wiedergeburt verdankt. Unter dem Eindruck der letzten Wochen und der noch immer andauernden Nuklearkatastrophe von Fukushima hat dieses Narrativ in Deutschland die nahezu völlige Deutungshoheit errungen, nachdem sich ihm zumindest in ihren öffentlichen Verlautbarungen parteiübergreifend auch die Bundespolitik angeschlossen hat. Die Regierungserklärung der deutschen Bundeskanzlerin vom 17. März 2011 hält das Schwanken zwischen den beiden gegensätzlichen Denkhaltungen eindrucksvoll fest: Nachdem Angela Merkel zunächst im Duktus der nüchternen Risikoabschätzung betont hatte, dass die deutschen Kernkraftwerke die sichersten der Welt seien und die Nuklearhavarie in Japan doch nicht den Kampf gegen die globale Klimaerwärmung gegenstandslos machen könne[9], besänftigte sie die aufkommenden Zwischenrufe im Bundestag mit der expliziten Absage an das überkommene Wahrscheinlichkeitsparadigma: „Die unfassbaren  Ereignisse in Japan lehren uns, dass etwas, was nach allen wissenschaftlichen Maßstäben für unmöglich gehalten wurde, doch möglich werden konnte. Sie lehren uns, dass Risiken, die für absolut unwahrscheinlich gehalten wurden, doch nicht vollends unwahrscheinlich waren, sondern Realität wurden. Wenn das so ist, wenn also in einem so hoch entwickelten Land wie Japan das scheinbar Unmögliche möglich, das absolut Unwahrscheinliche Realität wurde, dann verändert das die Lage.“[10]

 

III.

Mit diesem faktischen Diskurswechsel ist der Zäsurencharakter von Tschernobyl zumindest vorläufig anerkannt. Mit der Katastrophe von Fukushima hat Tschernobyleinen zeithistorischen Fluchtpunkt gefunden, der seinen nachträglichen Aufstieg zum Symbol einer Umbruchzeit ebenso versinnbildlichen könnte wie dies bis heute die Bilder der leeren Autobahn am ersten autofreien Sonntag in der Bundesrepublik 1973 vermögen. Es ist interessant zu beobachten, wie die Zäsur von Tschernobyl sich mit ihrer Anerkennung ihre eigene Vorgeschichte zu erschaffen begonnen hat. Franz-Josef Brüggemeier schrieb vor zehn Jahren in seiner lesenswerten Studie gegen die irrige Annahme an, dass erst die mit Wyhl und Tschernobyl verbundene Basisbewegung der siebziger und achtziger Jahre den Umweltschutzgedanken in Deutschland populär gemacht habe.[11] Das Mühen um die Vereinbarkeit von Fortschritt und Umwelt begleitet vielmehr die gesamte Geschichte der Moderne. Schon Thomas Robert Malthus diskutierte 1792 in seinem „Essay on the Principles of Population“ die Grenzen des Wachstums und das begrenzte Ernährungspotential der Erde, und der unserem Tagungsort den Namen gebende Begriff der „Nachhaltigkeit“ ist ein forstwirtschaftlicher Begriff des 18. Jahrhunderts, der die Grundlage für eine geregelten waldwirtschaftlichen Kreislauf zur Heilung der Waldschäden durch Glasindustrie und Nutztierhaltung bezeichnete. In der nationalsozialistischen Utopie einer organischen Moderne hat der Traum einer erfolgreichen Verschmelzung von kühnstem Fortschritt und behutsamster Traditionswahrung seinen massenwirksamsten und zugleich beklommensten Ausdruck gefunden, der sich im Vorzeigeprojekt des Reichsautobahnbaues mit seiner landschaftstreuen Linienführung ebenso niederschlug wie in der nationalsozialistischen „Lebensraum“-Politik, die im Generalplan „Ost“ die Vertreibung und Vernichtung der slawischen Bevölkerung Ostmitteleuropas und Osteuropas mit einer „planvolle(n) und naturnahe(n) Gestaltung der Landschaft“ verband.[12]  Aber für die Zeitgenossen wurde Tschernobyl nach den Chemieunglücken von Seveso (1976) und Bhopal (1984) zum eigentlichen Katalysator des Umweltschutzgedankens, der wenige Wochen später zur Gründung eines eigenen Bundesumweltministeriums führte und Ulrich Beck in das eben abgeschlossene Manuskript seiner bahnbrechenden Studie über die „Risikogesellschaft“ noch rasch einige aktuelle Sätze vorschalten ließ: „Vieles, das im Schreiben noch argumentativ erkämpft wurde – die Nichtwahrnehmbarkeit der Gefahren, ihre Wissensabhängigkeit, ihre Übernationalität, die ‚ökologische Enteignung‘, der Umschlag von Normalität in Absurdität usw. – liest sich nach Tschernobyl wie eine platte Beschreibung der Gegenwart.“[13] Sinnfälliger lässt sich die denkstilprägende Kraft der historischen Zäsur von Tschernobyl nicht zum Ausdruck bringen.

Eine nicht geringere Gestaltungskraft entfaltete das ukrainische Reaktorunglück in der empirischen Unterfütterung der mit ihr verbundenen Zerstörungskraft. Auf 125.000 Opfer bezifferte der ukrainische Gesundheitsminister 1995 die Zahl der Opfer, die in dem von der radioaktiven Strahlung verseuchten Gebiet um Tschernobyl seit 1986 verstorben seien. Diese Zahl erlangte weltweite Anerkennung, bis sich herausstellte, dass sie einfach die Gesamtzahl der Todesfälle in dem verstrahlten Gebiet zwischen 1986 und 1994 darstellte – und damit noch unterhalb der „natürlichen“ Mortalitätsrate in vergleichbaren Regionen lag.[14] Die nicht weniger unrealistische Gegenrechnung kommt auf nicht mehr als vierzig oder fünfzig Opfer, die nachweislich an „akuter Strahlenkrankheit“ starben.[15]Tatsächlich wird es wohl unmöglich bleiben, eine genaue Zahl der infolge der Havarie verstorbenen Menschen zu ermitteln. Denn jede statistische Berechnung hängt in entscheidendem Maße von Vorannahmen über den Zusammenhang von Strahlenbelastung und Mortalität ab, die mit Ausnahme des erwiesenen Zusammenhangs von radioaktiver Belastung und Schilddrüsenkrebs bei Kindern empirisch nicht unstrittig belegt sind. Das gilt auch für die am stärksten belastete Gruppe der 200.000 sogenannten „Liquidatoren“, die in den Monaten nach der Katastrophe die Aufräumarbeiten in Tschernobyl zu leisten hatten. Zwar lässt sich unter ihnen eine signifikante Zunahme von Gesundheitsstörungen nachweisen, aber wohl nicht zweifelsfrei entscheiden, ob diese stärker auf die tatsächliche oder die empfundene Belastung durch das Reaktorunglück zurückgehen. Auch Katastrophen sind kulturelle Konstrukte, deren Ausmaß und Folgeschäden sich nicht unabhängig von der mentalen Verfassung der Zeit bestimmen lassen, in der sie sich ereigneten bzw. erinnert wurden.

Gleichwohl tat sich in der Rezeption des Reaktorunglücks vor 25 Jahren ein gravierendes Problem auf, das Tschernobyl unter anderen Umständen seinen Rang als historische Zäsur hätte kosten können. Es bestand darin, dass die Bedingungen der medialen Verankerung und der ikonischen Verdichtung der Zäsur von Tschernobyl ungewöhnlich schlecht waren: Radioaktive Verstrahlung ist unsichtbar, und der Ort des Grauens produzierte keine Bilder, erzeugte, zumal unter den Bedingungen der kommunistischen Herrschaft in der Sowjetunion und ihrer kontrollierten Medienöffentlichkeit, keine Sichtbarkeit. Entsprechend gelangte die vulkanartige Explosion im AKW Majak, die aufgrund der Freisetzung großer Mengen langlebiger Isotope wie Strontium-90, Cäsium-137 und Plutonium-239 mit Halbwertszeiten von 29 bis 24.000 Jahren als der zweitgrößter Atomunfall überhaupt gilt, 1957 zunächst überhaupt nicht an die Öffentlichkeit und ist bis heute in ihrem verheerenden Ausmaß kaum bekannt. Auch nach der Kraftwerksexplosion von Tschernobyl war die Informationspolitik sowjetischer Stellen eisern am Ziel der möglichst weitgehenden Nachrichtenunterdrückung ausgerichtet, um Tschernobyl nicht zum Symbol einer atomfeindlichen Counter narrative werden zu lassen und den Konflikt mit dem hegemonial gehaltenen Narrativ der sozialistischen Atomeuphorie so klein wie möglich zu halten.

Ein linguistisches Paradebeispiel ist die mit zweitägiger Verzögerung erfolgte TASS-Meldung, die das „Neue Deutschland“ abdruckte: „Im Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine hat sich eine Havarie ereignet. Einer der Kernreaktoren wurde beschädigt. Es wurden Maßnahmen zur Beseitigung der Folgen der Havarie ergriffen. Den Betroffenen wurde Hilfe erwiesen. Es wurde eine Regierungskommission eingesetzt.“[16] Die verniedlichende Wortwahl, das subjektlose Passiv, die Akzentuierung von Schutz und Nachsorge zeugen von dem Bemühen, das Empörungspotential des Super-GAU von Tschernobyl medial unschädlich zu halten und dem Geschehenen sinnliche Präsenz und menschliche Dramatik zu nehmen. Insoweit gingen schützende Evakuierung der Betroffenen und verdrängende Tabuisierung des Ereignisses in Tschernobyl eine seltsame Liaison ein. Die Katastrophe von Fukushima hingegen stand im Zeichen des Narratives der befristeten Brückentechnologie, die eine solche Kaschierung von vornherein verbot und durch den demonstrierten Willen zur nüchternen Transparenz zu ersetzen zwang, wie ihn die japanischen Regierungssprecher gerade in ihrer oft widersprüchlichen und hilflosen Verlautbarungspolitik vorführten. Die japanische Nuklearkatastrophe dieser Wochen konnte daher über Youtube und Live-Berichterstattung eine, wenngleich begrenzte, eigene visuelle Kraft gewinnen, während die Katastrophe von Tschernobyl eine solche Bildmacht zumindest anfangs überhaupt nicht zu entfalten vermochte. Dort avancierten stattdessen beziehungsreiche und metaphorische Stellvertreterbilder zu relativen und eher flüchtigen Ikonen der Katastrophe: das tote Riesenrad in Pripjat, das wenige Tage später, am 1. Mai 1986, zur Eröffnung eines Volksfestes hätte eingeweiht werden sollen und nie einen Fahrgast sah, zerschlagenes Mobiliar der hastig und desorientiert geräumten Wohnhäuser und beziehungsreiche Arrangements sinnentleerter Kulturzeugen wie staubüberzogene Kinderpuppen, unbrauchbar gewordene Telefonapparate, zerknickte Politikerplakate.

Wenn Tschernobyl ungeachtet dieser medialen Hinderungsgründe dennoch zum Symbol einer historischen Zäsur werden konnte, so liegt das daran, dass es in so hervorragender Weise in den Wandel unseres kulturellen Denkhorizontes im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts passt, der vom 19. bis zum 21. Jahrhundert durch die Amalgamierung und Ablösung dreier politisch-kultureller Leitkategorien geprägt war: Staat – Sozialverband – Individuum. Das etatistische Weltverständnis der alten Ordnung bis in den Ersten Weltkrieg wurde in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch eine Ordnung der Moderne herausgefordert, die in völkischer oder klassenkämpferischer Aufladung den sozialen Verband als Gemeinschaft oder Gesellschaft zum Fluchtpunkt des Politischen machte. Die zögerliche Renaissance des Individuums nach 1945 und die allmähliche Etablierung seiner kulturellen Vorrangstellung, die im Aufstieg der Menschenrechte zum universalen Norm politischen Handelns und Denkens greifbar wird, ging einher mit der Pluralisierung von Lebensstilen, dem Aufkommen postmaterieller Werte und einem Zeitlichkeits- wandel von der Zukunft zur Gegenwart, vom Fortschritt zum Herkommen. „Tschernobyl“ markiert diesen Aufmerksamkeitswandel, der den Schutz des Einzelnen vor den Nutzen für die Gemeinschaft stellt und dem Fortschritt keine unvermeidbaren Kosten mehr zubilligt. Noch der Unfallhergang des ukrainischen Reaktorunglücks illustriert das Einsetzen dieses Paradigmenwandels in tragischer Eindrücklichkeit: Denn bekanntlich rührte die Katastrophe nicht aus einer funktionellen Überlastung her, sondern aus einer außer Kontrolle geratenen Sicherheitsprüfung, in der ermittelt werden sollte, ob die Reaktorkühlung auch bei Stromausfall gesichert sei. Die Katastrophe nahm ihren Lauf, weil dieser auch für die militärische Plutoniumgewinnung ausgelegte Reaktortyp gerade bei reduzierter Leistung instabil werden konnte und seine zur Bremsung wenige Sekunden nach Testbeginn eingefahrenen Brennstäbe die atomare Kettenreaktion nicht bremsten, sondern bis zur Explosion beschleunigten.

Am Umgang mit dem ukrainischen Reaktorunglück vor nun 25 Jahren lassen sich Entwicklungslinien dieser kulturellen Verfassung fassen. „Tschernobyl“ reicht in die Tiefenschichten unserer heutigen Wertewelt hinein. Im sowjetischen Selbstverständnis stellte Tschernobyl den heroischen Ort einer politischen Stolzkultur dar, die Havarien als Herausforderungen begreift und ihre mutige Überwindung durch nationale Helden im Gedächtnis bewahrt. Dass sich am 14. Mai 1986 KPdSU-Chef Gorbatschow „in deutlich bedrückter Verfassung“[17] mit einer Fernsehansprache an die Bevölkerung wandte, die mehr auf die Sorge über die Opfer als auf den Triumph über die Widrigkeiten abhob, wurde als nahezu sensationell empfunden und markierte einen erkennbaren Riss in der bisherigen Stolzkultur der Sowjetunion, die sich ihrer Unterordnung des Einzelnen unter gemeinschaftsorientierte Werte undZiele unsicher zu werden begann. Auch in der DDR blieb der heroische Erzählduktus vorherrschend, der die Rettungshelden von Tschernobyl in den Worten MelanieArndts in eine Linie mit dem antifaschistischen und dem Aufbauhelden rückte.[18]

Die ostdeutsche Umweltbewegung hingegen markierte mit dem Slogan „Tschernobyl wirkt überall“ die entstehende Wirkungsmacht eines anderen Denkens, das dem leninistischen „Wer-Wen“ des Kampfes um die beste Ordnung der Moderne die Unterschiedslosigkeit der alle gleichermaßen treffenden Bedrohung entgegensetzte. Damit schloss sie an den westlichen Diskurs der Nachmoderne „nach dem Boom“ (Doering-Manteuffel/Raphael) an, der mit Ulrich Beck auf die überpolitische Bedeutung der Atomkatastrophe hinwies: „Not lässt sich ausgrenzen, die Gefahren des Atomzeitalters nicht mehr.“[19] Diese Erkenntnis zeugt von der Deutungsmacht des postideologischen Zeitalters, das nicht mehr auf gesellschaftliche Entwicklungsalternativen ausgelegt ist, sondern auf den Schutz und die Entfaltung des Individuums. Tschernobyl markiert eine historische Zäsur, weil es diesem Umbruch einen bis heute anerkannten Ausdruck verleiht und einen kulturellen Entwicklungstrend „von der Gesellschaft zum Individuum“[20] repräsentiert, der sich in der Erinnerungskultur und ihrer Opfer-empathie ebenso zeigt wie in der Ökonomisierung des sozialen Lebens und in der fortschreitenden Erosion parteipolitischer Grenzen.

Nicht so sehr in der atomaren Bedrohung selbst liegt die tiefste Gemeinsamkeit von Tschernobyl und Fukushima, sondern in ihrer kulturellen Zusammengehörigkeit: Wenn Tschernobyl für die postideologische Gemeinsamkeit der radioaktiven Gefahr stand, so steht Fukushima für die postpolitische Gemeinsamkeit einer Politik der „Alternativlosigkeit“, die nach den vor zwei Jahrzehnten erodierten Gegensätzen von links und rechts nun auch die Sinnhaftigkeit des Parteienstaats überhaupt angreift. Nicht umsonst kommentierte eine seriöse Berliner Tageszeitung die jüngste Entwicklung mit der Erkenntnis, dass „Deutschland von einer Einheitspartei neuen Typs regiert (wird), den liberalen Sozialökologen.“[21] Tschernobyl markiert eine historische Zäsur, weil die ukrainische Katastrophe von 1986 keine rasch überwundene Krise der Moderne anzeigt, sondern einen kulturellen Paradigmenwechsel, der sich im globalen Maßstab als vorläufig unumkehrbar erwiesen hat und bruchlos bis in die Zukunft verlängern lässt. Tschernobyl hilft uns, Gegenwart und Vergangenheit voneinander zu scheiden, und eben dies ist die wichtigste Funktion zeithistorischer Zäsurenbildung.

 


[1] n-tv, Liveticker 27.3.2011, 19.31 Uhr. (Zugriff vom 3.4.2011).

[2] Türkei will an Bau von Atomkraftwerken festhalten. AFP-Meldung vom 5.4.2011.  (Abfrage vom 6.4.2011)

[3] Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Schlaglichter der Wirtschaftspolitik. Monatsbericht Februar 2009. (Zugriff vom 3.4.2011)

[4] Melanie Arndt, Tschernobyl. Auswirkungen des Reaktorunfalls auf die Bundesrepublik Deutschland und die DDR, Erfurt 2011, S. 13 ff.

[5] Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Schlaglichter der Wirtschaftspolitik. Monatsbericht Februar 2009.  (Zugriff vom 3.4.2011)

[6] Und weiter: „Die vom Bundesumweltministerium veröffentlichte Statistik zu so genannten "Meldepflichtigen Ereignissen" für 2007 (insgesamt 118, davon 54 im Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke) bestätigt das international anerkannte hohe Sicherheitsniveau deutscher Kernkraftwerke. Gemäß der international üblichen Bewertungsskala (von 0-7) wurden im Jahr 2007 lediglich zwei Ereignisse in Stufe 1 betriebliche Störung, keine radiologische Bedeutung) und alle anderen Ereignisse in Stufe 0 (keine oder sehr geringe sicherheitstechnische bzw. radiologische Bedeutung) eingeordnet. Somit war 2007 kein einziger Störfall im eigentlichen Sinne zu verzeichnen. Allerdings wird in öffentlichen Meinungsäußerungen die hervorragende Bilanz der deutschen Kernkraftwerke nur höchst unzureichend wiedergegeben. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Schlaglichter der Wirtschaftspolitik. Monatsbericht Februar 2009.  (Zugriff vom 3.4.2011)

[7] Ebd.

[8] Robert Birnbaum, Die Liberalen werden Anti-Atom-Partei. FDP-Generalsekretär will acht ältere Meiler dauerhaft stilllegen. Vorbild ist der rot-grüne Atomkonsens aus dem Jahr 2000, in: Der Tagesspiegel, 30.3.2011, S. 1.

[9]„Ja, es bleibt wahr: Ein Industrieland wie Deutschland, die größte Wirtschaftsnation Europas, kann nicht von jetzt auf gleich vollständig auf Kernenergie als Brückentechnologie verzichten, wenn wir unseren Energieverbrauch weiter eigenständig zuverlässig decken wollen. Ich möchte an dieser Stelle, weil es heute ja sicherlich auch noch eine Reihe von Auseinandersetzungen geben wird, noch einmal eines festhalten: In Deutschland gibt es einen Konsens aller Parteien, dass wir keine neuen Kernkraftwerke bauen und dass die Kernkraft eine Brückentechnologie ist, dass die Kernkraft ausläuft. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Genau keine Einigung!) – Die Linke hat wie immer eine Sonderrolle. Entschuldigung, dass ich Sie mit einbezogen habe. Das werde ich natürlich nicht mehr tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Was wir brauchen, ist ein Ausstieg mit Augenmaß. Ein Land wie Deutschland hat im Übrigen auch den Verpflichtungen zum Schutz unseres Klimas weiter gerecht zu werden; denn der Klimawandel ist und bleibt eine der großen Herausforderungen der Menschheit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es geht nicht an, dass wir an einem Tag den Klimawandel als eines der größten Probleme der Menschheit klassifizieren und an einem anderen Tag so tun, als ob das alles nicht gilt. Wir müssen schon mit einer Zunge sprechen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Sigmar Gabriel [SPD]: Zuhören!)“ Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zur aktuellen Lage in Japan vor dem Deutschen Bundestag am 17. März 2011 in Berlin.

[10] Ebd.: In der Tagespresse überwog daraufhin die Ansicht, dass unabhängig von den möglichen wahltaktischen Motiven der Bundesregierung der Diskurswechsel politisch irreversibel sei: „Durch den Schock von Fukushima ist die nüchterne Physikerin Angela Merkel zur Erkenntnis gelangt, dass am Ende das nukleare Restrisiko über die Wahrscheinlichkeitsrechnung siegt. Deshalb wird - Ironie der Geschichte - nicht ein rot-grünes Bündnis das Ende der Atomenergie in Deutschland einleiten, sondern die schwarz-gelbe Koalition.“ Christoph Lumme, Angela Merkels Kehrtwende ist mehr als ein taktisches Manöver - Das Ende des Atomzeitalters, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Online-Ausgabe vom 22.3.2011.  (Zugriff vom 3.4.2011)

[11] Franz-Josef Brüggemeier, Tschernobyl, 26. April 1986. Die ökologische Herausforderung, München 1998, S. 34 ff.

 [12] Allgemeine Anordnung Nr. 20/VI/42 über die Gestaltung der Landschaft in den eingegliederten Ostgebieten vom 21. Dezember 1942, zit. n. ebd., S. 176.

 [13] Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt am Main, 1986, S. 10 f.

[14] Brüggemeier, Tschernobyl, S. 21.

[15] Ebd., S. 20. Zur Diskussion um die Zahl der Tschernobyl-Opfer s. auch Stefan Schmitt, Tschernobyl-Opfer. Gezerre um die Strahlentoten, spiegel online wissenschaft, 18.04.2006; Walter Mayr, Pompeji des Atomzeitalters, in: Der Spiegel 16/2006 vom 15.04.2006   (Aufruf vom 6.4.2011)

[16] Neues Deutschland, 29.4.1986, S. 5.

[17] Arndt, Tschernobyl, S. 47.

[18] Ebd., S. 97.

[19] Beck, Risikogesellschaft, S. 7.

[20] Anselm Doering-Manteuffel, Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2010, S. 63 ff.

[21] Konsequenterweise sprach sich der Kommentator in ironischer Zuspitzung dafür aus, die Entkernung des Politischen konsequent anzuerkennen: „Warum ist dies so? Weil die Parteien sich von politischen Vereinigungen in Unternehmen verwandelt haben, die um Marktanteile kämpfen. CDU, SPD, Grüne et cetera sind inzwischen das Gleiche wie Saturn, Media Markt und Karstadt. Sie liefern, was der Kunde haben möchte, alle bieten die gleichen Smartphones an. (...) Die Parteien laufen den Meinungen hinterher, sie haben selber keine Meinung und sind deshalb im Sinne des Grundgesetzes zeithistorischer Zäsurenbildung. überflüssig. Mein Vorschlag: Lasst das Land von Saturn verwalten oder vom Media Markt, veranstaltet zu den wichtigsten Problemen Meinungsumfragen, macht „Geil ist geil“ zur Nationalhymne, und für das gesparte Geld werden in der Nordsee Windkraftwerke gebaut.“ Harald Martenstein, Alle sind bio und gegen Atomkraft, in: Der Tagesspiegel, 3.4.2011, S. 1. Ebenso von konservativer Seite: Alexander Gauland, Wer sich zu oft wandelt (...) wird untreu. Wie Angela Merkel die CDU entkernt, in: Der Tagesspiegel, 4.4.2011, S. 8.