von Till Kössler

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1. März 2014

Die Besetzung Madrids durch franquistische Truppen am 28. März 1939 bildete nach fast drei Jahren erbitterten Kampfes das symbolische Ende des Spanischen Bürgerkriegs. Anders als von den aufständischen Generälen um Francisco Franco erwartet, hatte ihr Militärputsch vom 18. Juli 1936 nur in Teilen Spaniens Erfolg gehabt. In den großen urbanen Zentren und Industrieregionen, besonders in Madrid, Katalonien und dem Baskenland, sowie in weiten Teilen der durch Großgrundbesitz geprägten agrarischen Gebiete Südspaniens hatten republiktreue Kräfte und die organisierte Arbeiterbewegung den Militäraufstand niedergeschlagen und im Gegenzug eine soziale Revolution in Gang gesetzt, die auf eine vollständige Neuordnung der spanischen Gesellschaft zielte. Von der revolutionären Aufbruchseuphorie, die sich im Sommer 1936 vieler – wenn auch keineswegs aller - Menschen bemächtigt hatte, war im Frühjahr 1939 jedoch kaum mehr etwas zu spüren. Die Soldaten, die im Verlauf des 28. März in das Stadtzentrum von Madrid vorrückten, trafen auf eine von Krieg und Mangel gezeichnete, hungernde Bevölkerung. Das Bild auf den Straßen wurde von Anhängern Francos geprägt, die den Einzug der Nationalisten begeistert feierten.

Madrid im Jahr 1938, Quelle: Jose Javier Martin Espartosa via flickr.com, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0.

 

Die Niederlage der Republik, die von einer heterogenen „Volksfront“ aus links-bürgerlichen Liberalen, Sozialisten, Kommunisten und den in Spanien außerordentlich starken Anarchisten getragen wurde, hatte sich im Verlauf des Jahres 1938 immer deutlicher abgezeichnet und war nach dem Verlust der Schlacht am Ebro Ende 1938 und der darauffolgenden schnellen Eroberung Kataloniens durch die Franco-Armee unausweichlich geworden. Der materiellen und militärischen Überlegenheit der Nationalisten hatte die Kriegsrepublik wenig entgegenzusetzen, auch wenn es dem sozialistischen Regierungschef Juan Negrín gelungen war, nach blutigen internen Machtkämpfen auf der republikanischen Seite im Frühjahr 1937 die Kriegsrepublik zu stabilisieren und zentrale Machtstrukturen wieder aufzubauen. Der Republik war es jedoch nicht gelungen, jenseits der unzuverlässigen Unterstützung durch die Sowjetunion auch die maßgeblichen demokratischen Staaten zu einem Eingreifen auf ihrer Seite zu bewegen und damit die Hilfe auszugleichen, die Hitler-Deutschland und das Italien Mussolinis den aufständischen Militärs zukommen ließen.

Der Bürgerkrieg war von seinem Beginn an der Gegenstand von heftigen Deutungskämpfen. Seine herausgehobene Bedeutung in der europäischen Erinnerungskultur erklärt sich zu einem großen Teil dadurch, dass er eine Projektionsfläche für sehr unterschiedliche politische Hoffnungen und Ängste bot und bietet. Beide Kriegsparteien und ihre internationalen Unterstützer bemühten sich von Anfang an mit Hilfe einer intensiven Wort- und Bildpropaganda ihrer Sichtweise des Krieges international zum Durchbruch zu verhelfen. Sie stilisierten die Gewalthandlungen zu einem Weltanschauungskampf, in dem um die Zukunft Europas gerungen wurde. Sympathisanten der Republik sahen in den Aufständischen eine Vorhut des internationalen Faschismus, dessen Vormarsch auf der iberischen Halbinsel gestoppt werden musste. Umgekehrt stellten sich die Nationalisten als Verteidiger von Recht, Ordnung und Religion gegen enthemmte bolschewistische Massen dar. Die Einnahme Madrids am 28. März erschien in dieser globalen Perspektive als welthistorisches Symbol und Omen. Die franquistische Darstellung spielt in der seriösen Geschichtsforschung heute keine Rolle mehr, doch der Deutungsstreit über den Krieg dauert fort. Während sich eine Gruppe von Forschern dem Erbe der Republik verpflichtet fühlt und den Krieg als Kampf emanzipativer Demokratie gegen reaktionäre Kräfte und Werte versteht, beurteilen andere Historiker die Kriegsrepublik weitaus skeptischer und betonen den Bedeutungsverlust liberaler Demokratie in beiden Kriegslagern.
Die weltanschauliche Aufladung des Konflikts erklärt zu einem Teil auch die bis heute irritierende Brutalität, mit der der Krieg auch jenseits der militärischen Frontlinie geführt wurde. Erschießungskommandos brachten in der republikanischen Zone etwa 50.000 Menschen, in der nationalistischen Zone sogar 100.000 Menschen um. Weitere 50.000 Personen wurden vom Franco-Regime nach Ende der Kampfhandlungen exekutiert. In beiden Kriegszonen waren maßgebliche Protagonisten der Ansicht, dass nur durch eine vollständige physische Eliminierung des ideologischen Feindes die Grundlagen für eine gesellschaftliche Erneuerung und einen dauerhaften Frieden gelegt werden könne. Anders als auf der Seite der Nationalisten gab es im republikanischen Lager allerdings auch gewichtige Gegenstimmen gegen die Gewaltexzesse, und die republikanische Führung versuchte im Kriegsverlauf die Gewalt einzudämmen.

Der Bürgerkrieg darf allerdings nicht auf einen Kampf von Ideologien reduziert werden. Viele Spanier standen im Sommer 1936 den politischen Kämpfen eher indifferent gegenüber und waren kaum mit den politischen Programmen der nationalen Akteure vertraut. Die Angst vor Repressionen, die Notwendigkeit, das materielle Überleben der eigenen Familie zu sichern, und das Interesse, Karriere zu machen und sich einen hervorgehobenen Platz in der Nachkriegsgesellschaft zu sichern, spielten oft eine wichtigere Rolle im Engagement für eine der beiden Kriegsparteien als abstrakte politische Motive. Der spanische Bürgerkrieg war in dieser Hinsicht weit weniger ein Kampf globaler Großideologien als vielfach behauptet.