von Holm Sundhaussen

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1. April 2012

Zwanzig Jahre nach Beginn des Krieges in Bosnien (April 1992) und siebzehn Jahre nach dessen Ende ist die Aufarbeitung des Krieges in der Bevölkerung kaum vorangekommen. Zwanzig Jahre sind im Leben einer Gesellschaft allerdings kein langer Zeitraum. Und die Erwartungen/Hoffnungen (vornehmlich) ausländischer Beobachter, dass dem Kriegsende eine baldige kritische  Auseinandersetzung mit den Ursachen folgen würde, waren wirklichkeitsfremd. In Deutschland setzte die „Vergangenheitsbewältigung“ erst gut zwanzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein - gegen nach wie vor massive Widerstände in Teilen der Gesellschaft. Und dies, obwohl die Rahmenbedingungen in Deutschland günstiger waren als in Bosnien-Herzegowina. In beiden Fällen standen die Transformation von Politik, Recht, Wirtschaft und Kultur auf der einen und die „Vergangenheitsbewältigung“ auf der anderen Seite zeitgleich auf der Agenda und sollten sich wechselseitig stützen. Aber während der Transformationsprozess im Westen Deutschlands durch das wenige Jahre nach Kriegsende einsetzende „Wirtschaftswunder“ materiell unterfüttert wurde, kann davon in Bosnien-Herzegowina noch immer keine Rede sein. Das ist jedoch nicht der einzige und nicht der wichtigste Unterschied.   

Für die Aufarbeitung eines Krieges und seiner Folgen sind die Deutung des Krieges und die Ursachenanalyse entscheidend. Die Auseinandersetzung mit einem zwischenstaatlichen Krieg verlangt andere Strategien der Kriegsbewältigung als die Auseinandersetzung mit einem Bürgerkrieg. Und es macht einen Unterschied, ob es sich um einen politisch-ideologischen, einen religiösen oder einen ethnonationalen Bürgerkrieg handelt. Der Bosnienkrieg sowie die anderen postjugoslawischen Kriege waren ethnische oder ethnoreligiöse Kriege, die sowohl Elemente von zwischenstaatlichen Kriegen (dank der Einmischungen Restjugoslawiens und Kroatiens) als auch v.a. Elemente von Bürgerkriegen beinhalteten.[1] Verbindendes Element war jeweils die ethnische Ausrichtung. Warum ist das so wichtig? Politik und Ideologie sowie die daraus eventuell resultierenden Feindschaften sind wandelbar; auch die Religionszugehörigkeit kann man wechseln. Eine Gesellschaft oder Teile einer Gesellschaft können durch eine „falsche“ Ideologie „verführt“ worden sein.  Oder sie können – sei es unter Zwang, sei es aus „Opportunismus“ – einen „falschen“ Glauben (eventuell auch eine „falsche“ Sprache) angenommen und damit das Erbe ihrer Vorfahren „verraten“ haben. Das ist schlimm genug. Aber es ist korrigierbar, sofern die Nachfahren der „Verräter“ einsichtig sind. Dagegen ist eine  ethnonational verstandene Feindschaft grundsätzlicher Art. Zumindest in den Fällen, in denen Ethnien und Nationen essentialistisch gedeutet werden: als weit in die Vergangenheit zurückprojizierte, unwandelbare biologische Abstammungsgemeinschaften. Denn im Unterschied zu einer politischen Einstellung oder zur Religionszugehörigkeit kann man seine Abstammung nicht verändern. Man kann sie verheimlichen, fälschen - aber verändern kann man sie nicht. Serbe bleibt Serbe, Kroate bleibt Kroate usw. Bosnische Muslime können zwar eine Glaubensgemeinschaft, doch keine Bosniaken im Sinn von Nation sein, da sie „eigentlich“ islamisierte Serben oder islamisierte Kroaten sind, die weder die Möglichkeit noch das Recht haben, aus ihrer Abstammungsgemeinschaft auszutreten. Biljana Plavšić, Professorin für Biologie und Nachfolgerin von Radovan Karadžić als Präsidentin der (bosnischen) Republika Srpska, übrigens die einzige Frau, die vom Haager Kriegsverbrechertribunal verurteilt wurde, brachte es auf den Punkt: Die Bosniaken, deren Vorfahren Serben gewesen seien, sind „genetisch defektes Material, das zum Islam konvertiert sei und das sich mit jeder weiteren Generation auf bösartige Weise vermehre“.[2]

Es geht hier nicht darum, dass Nationen – sowohl Staatsbürgernationen wie Ethnonationen - relativ junge Konstrukte sind, sondern es geht um die Selbst- und/oder Fremdwahrnehmung einer Nation, um Ursprungs- und Kontinuitätsfantasien. In weiten Teilen Europas (von Deutschland bis zum Balkan) werden Ethnien und die aus ihnen hervorgegangenen Nationen als Konstanten verstanden; ihr „biologischer Kern“ war immer da. Und in der Tat: Ethnische Merkmale (wie Verwandtschaft, Sprache, Religion, Territorium und Volksbezeichnungen) hat es stets gegeben. Nur die Träger dieser Merkmale zum Zeitpunkt x sind nicht zwangsläufig die Nachfahren der Träger zu einem früheren Zeitpunkt y. Als Folge von Migrationen (im Raum und zwischen den Kulturen) und infolge interethnischer Eheschließungen kann sich die personelle Zusammensetzung einer ethnischen Gruppe im Lauf der Zeit völlig verändern. Die biologische Abstammungsgemeinschaft ist daher eine Fiktion, zumal die  gemeinsame Abstammung einer Großgruppe (Nation) in der Regel weder verifizierbar noch falsifizierbar ist. Für viele Menschen ist dies – zumindest in „Normalzeiten“ - auch gar nicht wichtig. Doch während der postjugoslawischen Kriege erhielt die Ethnizität eine herausragende, oft existentielle Bedeutung. Deshalb wurden und werden diese Kriege als „ethnische Kriege“ gedeutet. Denn es war die Ethnizität, die bestimmte, wer Freund und Feind war.[3] Und da die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft das entscheidende ethnische Differenzierungsmerkmal in Bosnien-Herzegowina darstellt(e), konnte auch, wenngleich missverständlich, von einem „Religionskrieg“ gesprochen werden. Bosniaken, bosnische Serben und bosnische Kroaten sprechen dieselbe Sprache; sie alle sind Südslawen und sie leben alle auf demselben Territorium. Was sie unterscheidet, ist die Religionszugehörigkeit (Islam, Orthodoxie, Katholizismus). Mit anderen Worten: Die Religionszugehörigkeit ist das maßgebende Identitätsmerkmal, auch für diejenigen, die nicht religiös sind. Und ein Großteil der Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina (ähnlich wie in Serbien, Montenegro, Makedonien und Kosovo) war nicht religiös. Im Krieg ging es daher nicht primär um die Religion (obwohl deren Bedeutung während des Krieges zunahm, v.a. bei Muslimen und Orthodoxen, während sie bei Katholiken bereits vorher stärker ausgeprägt war), sondern um die Nation. Samuel Huntingtons Paradigma vom „Clash of Civilizations“ trifft die Realität in Bosnien deshalb nur sehr bedingt.[4] 

Allerdings waren die postjugoslawischen Kriege keine ethnischen oder ethnoreligiösen Kriege im Sinne der Verursachung. Das heißt: Nicht ethnische Unterschiede – geschweige denn: ein „atavistischer ethnischer Hass“ – waren Ursache der Kriege, sondern der ethnische oder ethnoreligiöse Hass war Begleiterscheinung und Folge der Kriege.[5] Dass Ursache und Folge zunächst verwechselt wurden, hat viele Politiker und Analysten in eine falsche Richtung gelockt.[6] Sie übersahen, dass ein Krieg nicht nur Chaos und Zerstörung schafft - er stiftet auch eine neue, simple Ordnung und sorgt für scharfe Trennlinien, die es vorher in dieser Form nicht gegeben hat. Neu waren nicht die ethnischen Unterschiede – sie hatten auch vor dem Krieg bestanden, obwohl sie in vielen Fällen alles andere als eindeutig gewesen waren -, neu war die Bedeutung, die ihnen zugemessen wurde, ihre vermeintliche Eindeutigkeit und ihre Umsetzung in Gewalt. Für Bosnien-Herzegowina ist ein ethnischer Hass vor Kriegsbeginn nicht nachweisbar. Das bedeutet nicht, dass es keine Fanatiker und „Fundamentalisten“ gegeben hätte; die gibt es nahezu überall. Auch ethnisch konnotierte Verteilungskämpfe gab es; sie gehören in multiethnischen Gesellschaften zum Alltag. Aber alle Umfragen (bis in das Jahr 1990 hinein) deuten darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung keine grundsätzlichen Probleme mit interethnischen Beziehungen hatte.[7] Das änderte sich erst unmittelbar vor dem Krieg oder nach Kriegsbeginn, also innerhalb eines kurzen Zeitraums von weniger als zwei Jahren. 

Dieser abrupte Wechsel erklärt sich v.a. aus drei Umständen: Erstens aus der unverarbeiteten Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg, als die Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas nicht nur entlang politisch-ideologischer, sondern auch entlang ethnischer Trennlinien in feindliche Lager gespalten worden war.[8] Die in der öffentlichen Erinnerungskultur jahrzehntelang tabuisierte ethnische Qualität des Krieges wurde nun von den „Deutungseliten“ aus dem Vergessen geholt, während die bisher ausschließlich betonte politisch-ideologische Komponente (Faschisten vs. Antifaschisten oder Kollaborateure vs. Verräter, jenseits ethnisch-nationaler Grenzen) in den Hintergrund rückte. Alte, mittlerweile verblasste Feindbilder wurden neu belebt.[9] „Nehmen und verknüpfen, was da ist“, hat Claude Lévy-Strauss diese Methode der Verknüpfung (bricolage) von unmittelbar zur Verfügung stehenden Zeichen oder Ereignissen zu neuen Strukturen genannt.[10] Der Wechsel erklärt sich zweitens aus der Tatsache, dass dem Ende Jugoslawiens ein Jahrzehnt geistig-mentaler Umkodierung vorausgegangen war, die zwar zunächst ein Elitenphänomen geblieben war, aber den öffentlichen Diskursen eine neue Richtung verliehen hatte.[11] Erst als Slobodan Milošević in Serbien ab 1987/88 den Schulterschluss mit den nationalistisch orientierten geistigen und geistlichen Eliten suchte und vorhandene soziale Unzufriedenheit (ethno)politisch kanalisierte, begann die „Mobilisierung der Straße“ und ein Prozess wechselseitiger ethnonationaler Abgrenzungen, an dessen Ende der Krieg stand.[12]
Drittens resultierte der abrupte Wechsel aus der Initiierung (nicht aus dem „Ausbruch“, sondern aus  der gezielten und bewussten Initiierung) von Gewalt, die große Teile der Bevölkerung unvorbereitet traf, deren Hintergründe unverständlich waren und die die Menschen zu Opfern ihrer „Deutungseliten“ machte. Diese „erklärten“ (unter Rückgriff auf die Vergangenheit), was warum geschehen war, und der „normale“ Bürger hatte keine Möglichkeit, diese „Erklärungen“ zu hinterfragen oder zu überprüfen. Doch der Druck sich zu entscheiden blieb: Entweder du gehörst zu „uns“ oder du gehörst zu den „anderen“. Ein Dazwischen gab es nicht mehr; auch kein Sowohl-als-Auch. Und auch die Angst blieb; sie wurde zum wichtigsten Instrument der politischen und militärischen Akteure.
[13] Ein kroatischer Ex-Krieger berichtete 1997 in einem Interview: „Keine Spur davon, dass mich jemand gehasst hat, weil ich Kroate bin oder dass ich jemanden gehasst habe, weil er Serbe oder irgendeine Nationalität ist. Ich erwähne das nur, weil der Krieg in diese Richtung sich entwickelte, oder auch in zwei […] Aber vielleicht gab es einige…, bei einigen, die eher in der Minderheit waren, war ein verdeckter, ein stark verdeckter Hass zu spüren.“ Und an anderer Stelle: „Ich bin freiwillig in den Krieg gezogen, aus dem ganz einfachen Grund, weil ich mit meinem Einsatz dazu beitragen wollte, diejenigen zu verteidigen, die hinter mir blieben, also meine Allerliebsten und alles, was ich besitze und so weiter. Da gibt es nicht viel Philosophie!“ „‚Töte ihn, bevor er dich tötet!’ – das ist der Anfang und das Ende der Philosophie!“[14] Mit anderen Worten: Ethnischer Hass oder extremer Nationalismus sind keine Konstanten, sondern Ressourcen, die aktiviert oder deaktiviert, genutzt oder nicht genutzt werden können. Allerdings ist die Aktivierung früherer Feindbilder und Feindschaften in Zeiten einer tiefen Krise und allgemeiner Verunsicherung (wie im ehem. Jugoslawien während der 1980er Jahre) bei der allfälligen Suche nach „Erklärungen“ und „Sündenböcken“ schneller zu bewerkstelligen als die Deaktivierung, v.a. wenn dieser eine konkrete und rezente Gewalterfahrung vorausgegangen ist, die nicht nur Menschen und Güter, lokale Gemeinschaften und Nachbarschaften, sondern auch soziales Vertrauen restlos zerstört hat. Zurück blieb eine ethnisch gespaltene, von wechselseitigem Misstrauen zerfressene Gesellschaft. Politisch-ideologische Gegensätze innerhalb der ethnoreligiösen Gemeinschaften wurden dagegen zugekleistert (denn wie gesagt: Fehler kann jeder einmal machen). Was zählte, war allein das nationale Imaginarium.

In ethnisch gespaltenen Bürgerkriegsgesellschaften erhält die „Vergangenheitsbewältigung“ eine zusätzlich erschwerende Komponente. Selbst in Gesellschaften, die „nur“ einen politisch-ideologischen Bürgerkrieg hinter sich haben, erweist sich die „Vergangenheitsbewältigung“ als schmerzhafter, langwieriger Prozess. In ethnisch gespaltenen Gesellschaften ähnelt sie der Quadratur des Kreises. Denn die ethnisch-essentialistische Emotionalisierung der Bevölkerung und die Gewalterfahrung stehen der „Vergangenheitsbewältigung“ wie erratische Blöcke im Wege.

Fast die gesamte Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas, die vor dem Krieg 4,4 Millionen betrug  (darunter knapp 44% Muslime, reichlich 31% Serben, 17% Kroaten, der Rest: Sonstige, namentlich „Jugoslawen“), wurde in der einen oder anderen Form Opfer der ethnischen bzw. ethnoreligiösen Wahnvorstellungen. Die Zahl der Kriegstoten wurde zunächst auf 200.000-250.000 geschätzt. Diese Zahl konnte empirisch nicht erhärtet werden. Das von Mirsad Tokača geleitete „Research and Documentation Center“ (RDC), einer 2004 gegründeten NGO  in Sarajevo, hat in jahrelanger  Kleinarbeit eine Datenbank der Kriegstoten (mit den jeweiligen Namen, den wichtigsten biographischen Angaben und den Todesumständen) zusammengestellt und 2007 der Öffentlichkeit präsentiert.[15] Mit dieser - in den Medien als „Bosnia’s Book of the Dead“  titulierten - Datenbank erhielt jeder Tote einen Namen. Ermittelt wurden insgesamt mehr als 97.000 Menschen, darunter knapp 40.000 Zivilisten, von denen über 80% Bosniaken waren. Die Liste war sicher nicht vollständig, und der eine oder andere Eintrag mag sich als falsch erwiesen haben, aber eine Zahl von 100.000-110.000 Kriegstoten dürfte in etwa der Realität entsprechen - ein Ergebnis, das auch von ausländischen Demographen bestätigt wird.[16] Die Angaben des RDC stießen sowohl auf bosniakischer wie bosnisch-serbischer Seite auf scharfe Kritik. Bosniaken kritisierten, dass die Gesamtzahl zu niedrig sei, Serben kritisierten, dass die Zahl der bosniakischen Kriegstoten (z.B. der Opfer des Völkermords von Srebrenica) zu hoch, die der serbischen Kriegstoten zu gering ausgefallen sei. Zwar nahmen die Auseinandersetzungen bislang nicht so bizarre Formen an wie der Streit, der seit etwa Mitte der 1980er Jahre über die jugoslawischen Weltkriegstoten ausgetragen wird, aber das kann sich noch ändern. Die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen (innerhalb Bosniens und im Ausland) wurde von internationalen Organisationen auf etwa zwei Millionen geschätzt. Rechnet man die Kriegsinvaliden, die während des Krieges internierten Personen, die Witwen und Waisen, die unbekannte Zahl traumatisierter Menschen, die vergewaltigten Mädchen und Frauen sowie die aus Vergewaltigungen hervorgegangenen Kinder zu den Kriegsopfern hinzu und berücksichtigt man darüber hinaus die 400.000-500.000 Männer, die in den verschiedenen militärischen und paramilitärischen Einheiten gekämpft haben, so kommt man schnell auf eine Größenordnung, die der der Gesamtbevölkerung sehr nahe kommt.[17] Kaum eine Familie in Bosnien blieb vom Krieg und seinen Folgen verschont. Von der gezielten Zerstörung kultureller Güter ganz zu schweigen! Bei Kriegsende glich Bosnien-Herzegowina einem gigantischen Schutthaufen der Kultur.

Opfer ethnischer Säuberungen gab es auf allen Seiten. Da viele Personen in wechselnden Konstellationen sowohl Opfer wie Täter waren, ergibt sich ein kompliziertes Gemisch aus teils traumatisierten, teils heroisierten, teils viktimisierten Erfahrungen, jeweils eingebunden in unterschiedliche politische, nationale und lokale Kontexte. Es gab Opfer, die nur Opfer waren, solche, die aus Opfern zu Tätern, und andere, die aus Tätern zu Opfern wurden. Der serbische Ex-Krieger Stevan Kovačević erklärte 1997 in einem Interview: „Das ist übrigens das, was so schlimm daran ist: Es wird gekämpft und ich habe es später erst begriffen, dass nur gekämpft wird wegen des Krieges und damit irgendjemand davon profitieren kann. Ich meine, es gibt keinen anderen Grund dafür.“[18] Auch zwanzig Jahre nach Kriegsbeginn ist es noch immer zu früh, eine Zwischenbilanz der divergierenden Kriegserinnerungen zu ziehen.[19] Auch die Erforschung der Kriegsfolgen steht noch ganz am Anfang. Diese umfassen ein breites Spektrum von unterschiedlichen Sachverhalten: den Verlust von Angehörigen, den Verlust der physischen und/oder psychischen Unversehrtheit, den Verlust von Eigentum, den Verlust der Heimat, den Verlust von Sicherheit und Vertrauen etc. Im Jahr 2007 hat Benjamin Bieber eine nahezu 700 Seiten starke Arbeit über die Kriegsfolgen in Bosnien-Herzegowina vorgelegt: über die Versorgung von Invaliden, die Selbstmorde von ehemaligen Soldaten, Veteranen und Witwen, Kriminalität, Alkoholismus und aggressives Verhalten nach den Kriegen, kriegsbedingte Probleme in Ehe und Familie usw.[20] Es enthält eine Fülle sehr wichtiger Beobachtungen, ist aber theoretisch, methodisch und empirisch so chaotisch angelegt, dass man aus ihm keine verallgemeinerbaren Aussagen herleiten kann (es sei denn ganz banaler Art).

Dass es Opfer und Täter auf allen Seiten gab, bedeutet freilich nicht, dass sich die Frage nach der Verantwortung in einer unverbindlichen „Alle-sind-Schuld“-These auflösen ließe. Auch Gewalt hat eine Chronologie. Ist sie einmal in Gang gesetzt, entwickelt sie bald eine Eigendynamik. Die Tatsache, dass Gewalt Gewalt gebiert, ist so alt wie die Menschheit selbst. Gewaltbereitschaft gibt es in allen Gesellschaften, überall auf der Welt und zu allen Zeiten. Psychopathische Sadisten, Kriminelle, Fanatiker sowie Personen, die vom Krieg zu profitieren hoffen, gibt es ebenfalls überall. Und sobald die Regelwerke eingerissen werden, die wir zum Schutz vor uns selbst ausgehandelt haben, steht der Gewalteskalation nichts mehr im Weg. Hier ist nicht der Platz, Anfänge und Verlauf des Bosnienkrieges darzustellen,[21] doch mit Blick auf die Anfänge der Gewalt bleibt ein Punkt festzuhalten:  Unzweifelhaft ist, dass die Funktionäre der „Serbischen Demokratischen Partei“ (SDS) schon bald nach den ersten freien Wahlen in Bosnien von Ende 1990 dazu übergingen, para-staatliche serbische Territorien zu schaffen, die sich der Zuständigkeit der Regierung in Sarajevo (an der auch die SDS beteiligt war) entzogen. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Gemeinden (opštine) oder die sich selbst verwaltenden Ortsgemeinschaften (mesne zajednice) innerhalb der Gemeinden, wo die ethnische Segregation im Alltag auf Betreiben örtlicher Funktionäre und „Autoritäten“ vorangetrieben wurde. Kommunen mit serbischer Mehrheit oder einem bedeutenden serbischen Bevölkerungsanteil schlossen sich freiwillig oder unter massivem Druck örtlicher SDS-Funktionäre zu größeren Gemeinschaften zusammen, die in der Verfassung nicht vorgesehen waren. Nicht-Serben sahen sich permanenten Anfeindungen ausgesetzt; viele verließen die Gebiete. Die lokalen SDS-Führer verteilten Waffen an die serbische Bevölkerung. Diese stammten aus den Beständen der Jugoslawischen Volksarmee und der bosnischen Territorialverteidigung oder waren auf anderem Weg besorgt worden. Waffen gab es reichlich. Auf Parteiversammlungen und „Meetings“ wurde offen von einem bevorstehenden Krieg gesprochen. Und es wurden schon Listen mit Namen von Muslimen angelegt, die im Fall eines erwarteten Konflikts ausgeschaltet werden sollten. „Insbesondere in jenen Teilen des Landes, in denen die bosniakische Bevölkerung…die Mehrheit bildete, wurden bereits in dieser frühen Phase [sechs bis neun Monate vor Ausbruch der Kriegshandlungen] die ersten Vorbereitungen für eine Entmachtung und Eliminierung der Führungsstrukturen der Bosniaken und Kroaten getroffen. So wurde mit Hilfe ortskundiger Serben eine umfassende Identifikation der Oberschicht vorgenommen; alle Repräsentanten des öffentlichen Lebens, alle Politiker und Funktionäre, alle SDA-Mitglieder[22] und Aktivisten, die gesamte intellektuelle, wirtschaftliche und religiöse Lokalelite sowie all diejenigen Einzelpersonen, die auf andere Weise beachtlichen Einfluss auf die Lokalgemeinde ihrer Bevölkerungsgruppe ausübten, wurden auf Suchlisten gesetzt.“[23] Nach Kriegsbeginn betätigten sich dann die lokalen Akteure als Handlanger für das ortsfremde Militär und die paramilitärischen Banden.   

Die Kriegsvorbereitungen wurden damit begründet, dass die  Serben weiterhin zu Jugoslawien gehören wollten, obwohl das, was Jahrzehnte als „Jugoslawien“ bezeichnet wurde, nicht mehr existierte. (Die Verantwortung für sein Scheitern verteilte sich auf viele Schultern. Aber das ist ein eigenes Thema.) Sie wollten nicht als Minderheit in einem neuen Staat leben (schon gar nicht in einem „islamistischen“). Dieses Argument ging insofern an der Realität vorbei, als die Serben in Bosnien-Herzegowina nicht den Status einer Minderheit hatten, sondern eines der drei „staatstragenden“ Völker darstellten. Dass sie nicht zu einer Minderheit „degradiert“ werden wollten, ist nachvollziehbar (obwohl dies - anders als in Kroatien - in Bosnien nicht zur Debatte stand). Zu keiner Minderheit gehören zu wollen ist kein spezifisch serbisches Problem, auch wenn es von serbischen Nationalisten gern so dargestellt wird. Es betrifft auch Albaner, Kroaten, Bosniaken und viele andere im ehemaligen Jugoslawien. Die meisten Menschen wollen zu irgendeiner Mehrheit gehören, weil sie sich damit auf der „richtigen“ Seite wähnen. Die Furcht vor einem „Minderheitenstatus“ spornte die serbische Führung an, Nicht-Serben zu diskriminieren, sie zur Flucht zu animieren, zu vertreiben und schlimmstenfalls zu ermorden: Natürlich nur „präventiv“, damit nicht einträte, was Nationalisten ständig „prophezeiten“ und mit verbaler Gewalt vorbereiteten.

In einer ethnisch heterogenen Region lässt sich das Problem nationaler Mehr- und Minderheiten nur lösen, wenn das Konzept der Ethnonation durch das Konzept der Staatsbürgernation ersetzt wird. Zwar gibt es auch in Staatsbürgernationen Mehrheiten und Minderheiten (in politischen, sozialen oder anderen Fragen), auch eine ethnische Minderheit ist nicht ausgeschlossen (sofern es sich dabei um Personen handelt, die nicht die Staatsbürgerschaft besitzen). Aber eine Staatsbürgernation ist grundsätzlich ethnisch neutral, was Abweichungen in der Praxis gewiss nicht ausschließt. Der Weg von der Ethnonation zur Staatsbürgernation ist freilich lang. Auch dafür bietet das deutsche Beispiel reichliches Anschauungsmaterial.

In einem Punkt waren sich alle Kriegsparteien in Bosnien (wie in anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawien) einig:  Sie haben nur einen „Verteidigungskrieg“ geführt, haben nur getan, was jeder „anständige“ Mensch in einer solchen Situation tun würde und getan hätte.[24] Dass auch in einem Verteidigungskrieg nicht alles erlaubt ist, bleibt für viele Menschen fremd und unverständlich: Wer sich verteidigt, kann keine Verbrechen begehen. Unter derartigen Voraussetzungen kann eine „Vergangenheitsbewältigung“ nicht funktionieren. Was letztere von den meisten anderen Formen des Umgangs mit Vergangenheit unterscheidet, ist der Ausgangspunkt: das Eingeständnis eigener Verantwortung und Schuld. Wer ausschließlich oder primär die Verbrechen des vormaligen Feindes „aufarbeitet“ oder eigene Verbrechen gegen diese aufrechnet, betreibt das Gegenteil von dem, was hier gemeint ist. Kriegs- bzw. Vergangenheitsbewältigung mit der für Bürgerkriegsgesellschaften spezifischen Komponente der ethnischen (und/oder politischen Versöhnung) ist ein vielschichtiger Prozess, eine Herkules-Aufgabe, die auf unterschiedlichen Ebenen mit unterschiedlichen Zeitrahmen in Angriff genommen werden muss und durch Kontroversen über Ursachen, Auslöser und Rahmenbedingen des Konflikts schwer belastet wird. In Bosnien-Herzegowina ist in dieser Hinsicht bislang wenig geschehen. Die juristische Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen (unabhängig vom Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag) kam erst viele Jahre nach Kriegsende allmählich in Gang. In einem Bericht von „Human Rights Watch“ aus dem Jahr 2004 heißt es: “The monitoring indicates that, as a rule, the ordinary national courts of Bosnia and Herzegovina (particularly in Republika Srpska…)…are not currently equipped to hear war crimes cases – which are often politically and emotionally charged, as well as legally complex – in a fair manner. Key obstacles include: bias on the part of judges and prosecutors, poor case preparation by prosecutors, inadequate cooperation from the police in the conduct of investigations, poor cooperation between the states on judicial matters, and ineffective witness protection mechanisms.”[25] Beklagt wurden sowohl die fehlende Unterstützung durch die Regierung wie durch die Medien, der Mangel an entsprechend geschulten Richtern und Staatsanwälten sowie die Knappheit an materiellen Ressourcen. Und noch 2008 steht in einem Bericht über Bosnien-Herzegowina: „Simply put no…prosecutor’s office or court could – with its present resources – fairly, efficiently and effectively investigate, prosecute or adjudicate a substantial number of war crime cases.“[26]

Die Rechtsprechung des Haager Tribunals wird von der Bevölkerung in Bosnien (ebenso wie in Kroatien, Serbien und Kosovo) nach wie vor abgelehnt, sofern Angehörige der eigenen Nation verurteilt oder Mitglieder einer anderen Nation freigesprochen werden.[27] Eine „Lustration“ hat in Bosnien nicht stattgefunden.[28] An vielen Schaltstellen der Macht sitzen nach wie vor dieselben Leute, die während der sozialistischen Phase und im Bosnienkrieg eine zweifelhafte Rolle gespielt haben. Und die wiederholt geforderte Gründung einer  „Wahrheitsfindungskommission“ ist bislang stets gescheitert.[29] Auch die Politik gegenüber Flüchtlingen und Vertriebenen anderer Nationalität ist ein wichtiges Indiz dafür, wie Staaten und Gesellschaften mit ihrer jüngsten Vergangenheit umgehen. Die Pflicht zur Reintegration von „displaced persons“ findet sich in allen von der internationalen Gemeinschaft ausgehandelten Friedensvereinbarungen für das ehemalige Jugoslawien. Das Dayton-Abkommen für Bosnien-Herzegowina von 1995 war in dieser Hinsicht ein völkerrechtliches Novum, mit dem die „internationale Gemeinschaft“ eine Wende um 180 Grad vollzog.[30] Doch bald zeigte sich, dass die Rückkehr von Flüchtlingen und „displaced persons“ nach einer Phase extremer Gewalteskalation ein langfristiger Prozess mit offenem Ausgang ist, der von vielen Faktoren (darunter Sicherheit für das Leben der Rückkehrer, Regelung der Eigentumsverhältnisse, Aufarbeitung der Vergangenheit und Zukunftsperspektiven für die Bevölkerung vor Ort) abhängig ist. Bis Ende Mai 2004 waren insgesamt knapp eine Million Flüchtlinge und Vertriebene – weniger als die Hälfte aller Betroffenen - an ihre früheren Wohnorte in Bosnien-Herzegowina zurückgekehrt. Danach ebbte die Rückkehrwelle ab. Und Viele werden nie zurückkehren.[31]

Überraschend sind diese Ergebnisse nicht, sofern man noch einmal an die „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland in den ersten zwanzig Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs denkt: ein ähnlich dumpfer Nationalismus, eine ähnliche Ignoranz, ähnliche Opferphantasien, eine ähnliche Unfähigkeit der Erlebnisgenerationen, sich mit dem Erlebten auseinanderzusetzen, ähnliche Defizite bei der juristischen Aufarbeitung von Kriegsverbrechen usw. Alles wie gehabt. Nur dass in Deutschland die Bürgerkriegskomponente fehlte. Aber Bosnien ist alles andere als ein Ausnahmefall. Der Umstand freilich, dass das in zwei „Entitäten“ (die bosniakisch-kroatische Föderation und die Republika Srpska) geteilte Land auch politisch und wirtschaftlich nicht richtig vorankommt, dass das 1995 eingerichtete internationale Semi-Protektorat über Bosnien-Herzegowina weiterhin besteht, dass die internationale Politik ebenso unstet wie ineffizient ist, dass eine Mehrheit der Politiker nach wie vor nicht bereit ist, im Interesse der Gesamtgesellschaft tätig zu werden, dass serbische und kroatische „hardliner“ den Aufbau eines funktionierenden Gesamtstaats immer wieder blockieren, dass auch ein Teil der bosniakischen Politiker völlig unrealistische Ziele verfolgt, dass elementare Voraussetzungen für eine künftige Mitgliedschaft Bosniens in der EU nicht gegeben sind, dass die Korruption blüht und die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird, bleibt deprimierend und schockierend.  In ihrem Bericht vom Herbst 2010 kam die EU-Kommission in Brüssel zu einer überaus ernüchternden Bilanz: „Bosnia and Herzegovina has made limited progress in addressing the political criteria. (…) Overall implementation of reforms was insufficient and the domestic political climate during the pre-electoral period was dominated by nationalistic rhetoric. The lack of a shared vision by political leaders on the direction of the country is blocking key EU-related reforms and impeding further progress towards the EU. (…) Regarding democracy and the rule of law, there has been little progress towards constitutional reform and towards creating functional and effective institutional structures. (…) Bosnia and Herzegovina has made limited progress in improving the judicial system. (…) Bosnia and Herzegovina has achieved limited progress in tackling corruption, which remains a serious problem and is prevalent in many areas. (…) There has been limited progress regarding human rights and protection of minorities.“ Usw.[32] 

Die geschundenen Menschen in Bosnien-Herzegowina haben siebzehn Jahre nach Kriegsende wahrlich etwas Besseres verdient. Die stets uneinige „internationale Gemeinschaft“ und die stets uneinigen Politiker vor Ort stehen in ihrer Schuld.

 


[1] Mit der Literatur zu den postjugoslawischen Kriegen – zu Vorgeschichte, Verlauf und Folgen - kann man mittlerweile eine umfangreiche Bibliographie füllen. Die vorliegende Skizze beschränkt sich auf eine kleine Auswahl von Belegen. Für eine ausführliche Darstellung (mit entsprechenden Quellen- und Literaturnachweisen) vgl. meine Monographie: Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943-2011. Eine ungewöhnliche Geschichte des Gewöhnlichen. Wien u.a. 2012. 

[2] Vgl. Marek Kohn, The Race Gallery. The Return of Racial Science. London 1995, S. 232, hier zit. nach Christian Promitzer, Vermessene Körper: „Rassenkundliche“ Grenzziehungen im südöstlichen Europa, - in: Europa und die Grenzen im Kopf. Hg. Karl Kaser - Dagmar Gramshammer-Hohl - Robert Pichler. Klagenfurt 2003, S. 365-393, S. 365.

[3] Die Bezeichnung „ethnische Kriege“ hat insofern Verwirrung gestiftet, weil sie einerseits zur Beschreibung der gegnerischen Fronten während des Krieges, andererseits auch zur Beschreibung der Kriegsursachen verwendet wird. Letzteres traf nicht zu.   

[4] Huntington hat in seinem Aufsatz und gleichnamigen Buch „Clash of Civilizations“ von 1993 resp. 1996 u.a. Bosnien und Kosovo als Fallbeispiele für Kriege in kulturell gespaltenen Territorien/Staaten („cleft countries“) und für Kriege an den Bruchstellen unterschiedlicher (vornehmlich religiös geprägter) Zivilisationen/Kulturen („fault line wars“) herangezogen. Vgl. Samuel Huntington, The Clash of Civilizations?, - in: Foreign Affairs 72 (1993), 3, S. 21-49; Ders, The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order. New York 1996. Auf eine Debatte seiner Thesen muss hier verzichtet werden. Zur Kritik vgl. u.a. Florian Bieber, The Conflict in former Yugoslavia as a „Fault Line War“?, - in: Balkanologie 3 (1999), 1, S. 33-48. Zur viel beschworenen Re-Islamisierung Bosniens vgl. Sundhaussen, Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten, S. 236 ff. und 506 ff.

[5] Vgl. Valère P. Gagnon, The Myth of Ethnic War. Serbia and Croatia in the 1990s. Ithaca/New York 2004.

[6] Besonders wirkmächtig erwies sich die Arbeit von Robert Kaplan, Balkan Ghosts. A Journey Through History. New York 1993, die namentlich die US-Politik in der ersten Phase des Bosnienkriegs beeinflusst hat. 

[7] Vgl. u.a. Yugoslav Survey 1990: Public Opinion Survey on the Federal Executive Council’s Social and Economic Reform, 31. Mai 1990. Beograd 1990; Ljiljana Baćević [u.a.], Jugoslavija na kriznoj prekretnici.Beograd 1991 , S. 236 u. passim; Laslo Sekelj, Yugoslavia: The process of disintegration. New York 1993, S. 277; Dejan Jović, Yugoslavia. A State that Withered Away. West Lafayette/Ind 2009, S. 354 ff.; Anthony Oberschall, From Ethnic Cooperation to Violence and War in Yugoslavia, - in: Daniel Chirot, Daniel – Martin E.P. Seligman (Hg.), Ethnopolitical Warfare. Causes, Consequences, and Possible Solutions. Wshington/D.C. 2001, S. 119-150.

[8] Vgl. u.a. Tomislav Dulić, Utopias of Nation. Local Mass Killing in Bosnia and Herzegovina, 1941-1942. Stockholm 2005.

[9] Zur jugoslawischen Erinnerungskultur und ihrer Umkodierung vgl. u.a. Wolfgang Höpken, Vergangenheitspolitik im sozialistischen Vielvölkerstaat: Jugoslawien 1944-1991, - in: Petra Bock – Edgar Wolfrum (Hg.), Umkämpfte Vergangenheit. Geschichtsbilder, Erinnerungen und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich. Göttingen 1999, S. 210-246; Ders., Der Zweite Weltkrieg in den jugoslawischen und postjugoslawischen Schulbüchern, - in: Ders. (Hg.), Öl ins Feuer? Schulbücher, ethnische Stereotypen und Gewalt in Südosteuropa. Hannover 1996, S. 159-178; Holm Sundhaussen, Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten. Konstruktion, Dekonstruktion und Neukonstruktion von „Erinnerungen“ und Mythen, - in: Monika Flacke (Hg.), Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen. Berlin 2005, Bd. 1, S. 373-426.

[10] Claude Lévi-Strauss, Das wilde Denken. 15. Nachdr. Frankfurt/M. 2010.

[11] Vgl. u.a. Jasna Dragović-Soso, „Saviours of the Nation“. Serbia`s Intellectual Opposition and the Revival of Nationalism. London 2002.

[12] Ausführlich dazu Florian Bieber, Nationalismus in Serbien vom Tode Titos bis zum Ende der Ära Milošević. Wien 2005.

[13] Geradezu paradigmatisch ist der Fall des bosnischen Serben Borislav Herak, der von einem Militärgericht im belagerten Sarajevo im März 1993 zum Tode verurteilt wurde. Vgl. Holm Sundhaussen, Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten, S. 343 f.

[14] Zit. nach Natalija Bašić, Krieg als Abenteuer. Feindbilder und Gewalt aus Perspektiven ex-jugoslawischer Soldaten 1991-1995, S. 213, 215, 225.

[15] Vgl. u.a. Dzenana Halimovic, Bosnian Researcher Counts War Dead, and Faces Threats for his Methods, in: Radio Free Europe/Radio Liberty, 21.11.2008; Nidzara Ahmetasevic, Justice Report: Bosnia's Book of the Dead, - in: Balkan Investigative Reporting Network (BIRN), 21.6.2007.

[16] Patrick Ball - Ewa Tabeau,- Philip Verwimp, The Bosnian Book of Dead: Assessment of the Database, - in:

Households in Conflict Network Research Design Note 5, 2007.

[17] Vgl. u.a. Ed Vulliamy, The War is Dead, Long Live the War. Bosnia: the Reckoning. London 2012.

[18] Zit. nach Natalija Bašić, Krieg als Abenteuer, S. 48.

[19] Vgl. dazu Stevan S.Weine, When History Is a Nightmare. Lives and Memories of Ethnic Cleansing in Bosnia-Herzegovina. Brunswick/N.J., London 1999; Ders., Narrating the Traumas of Political Violence, Evenston/Ill. 2006; Swanee Hunt, This Was Not Our War. Bosnian women reclaiming peace. Durham/NC [u.a.] 2004.

[20] Benjamin Bieber, Die Hypothek des Krieges: eine soziologische Studie zu den sozialen Effekten von Kriegen und zur Reintegration von Veteranen, Kriegsinvaliden und Hinterbliebenen in Bosnien-Herzegowina. Hamburg 2007.

[21] Vgl. dazu u.a. Marie-Janine Calic, Der Krieg in Bosnien-Hercegovina. Ursachen, Konfliktstrukturen, internationale Lösungsversuche. Frankfurt/M. 1995; Branka Magaš – Ivo Žanić (Hg.), The War in Croatia and Bosnia-Herzegovina 1991-1995. London, Portland 1999; Isabelle Wesselingh – Arnaud Vaulerin, Raw Memory: Prijedor, an „Ethnic Cleansing Laboratory“. London 2005.

[22] SDA: Abkürzung für die führende Partei der Bosniaken, die Partei der Demokratischen Aktion.

[23] Dennis Gratz, Elitozid in Bosnien und Herzegowina 1992-1995. Baden-Baden 2007, S. 222.

[24] Zu dieser Argumentation (am Beispiel von NS-Tätern) vgl. Harald Welzer, Wer waren die Täter? Anmerkungen zur Täterforschung aus sozialpsychologischer Sicht, in: Gerhard Paul (Hg.), Die Täter der Shoah. Fanatische Nationalsozialisten oder ganz normale Deutsche? Göttingen 2002, S. 237-254; Ders., Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden. Frankfurt/M. 2005.

[26] United Nations Development Programme, Bosnia and Herzegovina: Solving War Crime Cases in Bosnia and Herzegovina, 13.8.2008.

[27] Einzelheiten bei Miklós Biro [u.a.], Attitudes Towards Justice and Social Reconciliation in Bosnia and Herzegovina and Croatia, - in: Stover, E. – H. Weinstein (Hg.): My Neighbor, My Enemy. Justice and Community in the Aftermath of Mass Atrocity. Cambridge 2005. Zur Bedeutung des Tribunals für den Demokratisierungsprozess in Bosnien vgl. Lara Nettlefielt, Courting Democracy in Bosnia and Herzegovina: The Hague Tribunal’s Impact in a Postwar State. New York 2010.   

[28] Vgl. Margaditisch Hatschikjan – Dušan Reljić – Nenad Šebek (Hg.), Disclosing hidden history: Lustration in the Western Balkans. A Project Documentation. Thessaloniki 2005.

[29] Vgl. u.a. Corene Rathgeber, Truth and Reconciliation in Bosnia and Herzegovina. Leuven o.D.; Branka Peuraca, Can faith-based NGOs advance interfaith reconciliation? The case of Bosnia and Herzegovina. Washington/DC. 2003. 

[30] Seit der unter den Auspizien des Völkerbunds ausgehandelten griechischen-türkischen Konvention von Lausanne aus dem Jahr 1923 galt ein zwangsweiser Bevölkerungsaustausch zwischen zwei Ländern als „ultima ratio“ zur „Lösung“ ethnischer Konflikte. Auf das „Lausanner Modell“ haben sich in der Folgezeit sehr unterschiedliche politische Akteure – Hitler ebenso wie Churchill – berufen. Mit dem Dayton-Abkommen wurde das „Modell“ ad acta gelegt.

[31] Ausführlich dazu Gerard Toal – Carl T. Dahlman, Bosnia Remade. Ethnic Cleansing and Its Reversal. Oxford, New York 2011.

[32] Conclusions on Bosnia and Herzegovina. Extract from the Communication from the Commission to the Council and the European Parliament „Enlargement Strategy and Main Challenges 2010-2012“, COM(20120)660 final).