Mit diesen Worten verteidigte der Ingenieur und Dieselmotorenentwickler bei Mercedes-Benz, Manfred Fortnagel, im Jahr 1991 „den Diesel vor ungerechtfertigten Angriffen“.[1] Ähnlich hatte schon 1986 der Leiter der Motoren- und Getriebeentwicklung bei Volkswagen, Peter Hofbauer, argumentiert und die Tugenden des „erfreulich schadstoffarm[en]“ Diesels angepriesen, der es zudem aufgrund seines im Vergleich zum Benzin-Auto geringeren Kraftstoffverbrauchs ermögliche, den CO2-Ausstoß zu senken und damit die Klimaerwärmung aufzuhalten.[2] Diese Argumente erinnern in gewisser Weise an die gegenwärtige Debatte, in der die Befürworter und die Gegner des Dieselautos hitzig über Sinn und Unsinn dieser Antriebstechnologie diskutieren. Ausgelöst hatte die Kontroverse das Eingeständnis des Volkswagen-Konzerns, dass seit 2009 gut elf Millionen Dieselautos mit manipulierter Software ausgeliefert worden sind. Dadurch hielten die betroffenen VW-Dieselautos die staatlichen Abgasgrenzwerte zwar am Prüfstand ein, nicht jedoch im Straßenverkehr.
Nicht erst seit diesem jüngsten Skandal scheiden sich am Diesel die Geister. Die Kontroversen reichen zurück bis in die späten 1970er und frühen 1980er Jahre. Während der Diesel vor allem für einige Hersteller und Politiker die umweltfreundliche, sparsame und damit ökologisch-korrekte Alternative zum Ottomotor darstellte, symbolisierten seine Abgasemissionen unter anderem für Umweltschützer und deren Organisationen sowie für die US-amerikanische Umweltschutzbehörde EPA oder das California Air Resources Board ein Gesundheitsrisiko, weshalb deren Ausstoß stark reglementiert werden sollte. Trotz dieser Gemeinsamkeiten fallen zwei gewichtige Unterschiede in den Auseinandersetzungen um Dieselautos auf.
Erstens standen zwischen Ende der 1970er und Anfang der 1990er Jahre insbesondere die Partikelemissionen der Dieselautos unter Beobachtung, nachdem die US-Umweltschutzbehörde in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre deren krebserregendes Potenzial hatte untersuchen lassen. Stickoxidemissionen hingegen galten als nachrangiges umweltpolitisches Problem. Diese Perspektive änderte sich in den frühen 2000er Jahren, zumal die nun verwendeten Filter die Partikelemissionen deutlich reduzierten. Erst jetzt rückten die Stickoxidemissionen stärker in den Fokus staatlicher Regulierungspolitik und stellten die Automobilhersteller vor technische Herausforderungen. Denn bei Dieselautos lassen sich Stickoxidemissionen lediglich mittels technisch aufwendiger und kostspieliger Lösungen wie dem Speicherkatalysator und einer selektiv katalytischen Reaktion mittels Harnstoffeinspritzung („Bluetec“-Lösung) auf die US-Grenzwerte bzw. die nochmals strengeren kalifornischen Limits absenken.
Zweitens handelt es sich bei den in der aktuellen Diskussion verhandelten Abweichungen zwischen den am Prüfstand erzielten Testwerten und dem im Praxisbetrieb erzielten Schadstoffausstoß nicht um ein Novum. Differenzen waren vielmehr die Regel. So hat das Fahrverhalten der Wagenbesitzer einen gewissen Einfluss, da unter Volllast im Regelfall mehr Schadstoffe entstehen. Der Aggregatzustand des Motors ist eine weitere wichtige Größe, da unmittelbar nach dem Kaltstart der Schadstoffausstoß höher ist als bei einem warmgelaufenen Motor. Solche Abweichungen zeigen sich aber nicht nur bei den Emissionen, sondern auch beim Kraftstoffverbrauch. So bewarben zum Beispiel die Automobilhersteller ab Mitte der 1970er Jahre in den USA ihre Autos als „sparsam“ und belegten dies mit Verbrauchswerten, die die US-Umweltschutzbehörde ermittelt hatte. Dadurch ließ sich einerseits der Kraftstoffverbrauch unterschiedlicher Modelle anhand eines standardisierten Messverfahrens vergleichen; andererseits fiel der reale Verbrauch wesentlich höher aus. Solche Abweichungen mögen Verwunderung hervorrufen, bewegten sich jedoch innerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens, obschon sie von den Konsumenten eine Übersetzungsleistung der Angaben in realistische, im Straßenbetrieb zu erwartende Werte verlangten. Um eine bewusste Manipulation handelte es sich hingegen nicht, wie es in der aktuellen Debatte Volkswagen vorgeworfen wird und mittlerweile auch vonseiten des Konzerns eingeräumt worden ist. Die Täuschung der staatlichen Regulierungsbehörden wie auch der Konsumenten stellt damit das eigentlich Neue im „Volkswagen-Skandal“ dar und nicht der schon immer bestehende Widerspruch zwischen den Messwerten im Test- und Praxisbetrieb.
Literatur
Neumaier, Christopher, Dieselautos in Deutschland und den USA: Zum Verhältnis von Technologie, Konsum und Politik, 1949–2005, Stuttgart 2010.
Neumaier, Christopher, Eco-Friendly vs. Cancer-Causing: Perceptions of Diesel Cars in West Germany and the United States, 1970–1990, in: Technology & Culture 55.2 (2014), 429–460.
Neumaier, Christopher, Das „Feinstaubgespenst“ 2005. Reelle Gefahr oder soziale Konstruktion eines Risikos? in: Christine Pieper/Frank Uekötter (Hg.), Vom Nutzen der Wissenschaft. Beiträge zu einer prekären Beziehung, Stuttgart 2010, 255–266.