Im Jahr 2006 eröffnet, bietet das DDR-Geschichtsmuseum im Dokumentationszentrum in der brandenburgischen Kleinstadt Perleberg eine Fülle an Anschauungsmaterial aus und über das Leben in der DDR. Das Pfarrerehepaar Gisela und Hans-Peter Freimark begann bereits in den 1980er-Jahren damit, Objekte zu sammeln, die das politische System aber auch den Alltag der DDR dokumentieren sollen. Insbesondere das oppositionelle Engagement der Freimarks, die sich als Pfarrer und Gemeindehelferin in der DDR entschieden für Frieden und Abrüstung einsetzten und sich somit der SED widersetzten, ist mit zahlreichen Fotos und Gegenständen in der Ausstellung dargestellt.
Vier Studierende der Public History der Freien Universität Berlin und ein zweiköpfiges Filmteam der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe digitalisierten und bewahrten in einem Dokumentations- und Interviewprojekt das Wissen über die Ausstellung des DDR-Geschichtsmuseums in Perleberg.
Insbesondere die Biografie des Pfarrerehepaars Hans-Peter und Gisela Freimark, die die Ausstellung initiierten und bis heute leiten, stand im Mittelpunkt dieses Projektes. Die Projektgruppe wurde von Irmgard Zündorf vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung unterstützt. Gefördert wurde das Projekt durch die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur. Im Verlauf der Monate März und April 2020 fanden die Interview- und Dreharbeiten in Perleberg statt. Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer digitalisierten Führung durch das Museum. Teil II des Projektes befindet sich derzeit in der Realisierung.
Zu Beginn des Jahres 2020 fragte Irmgard Zündorf, Dozentin des Masterstudiengangs Public History, in einem ihrer Seminare, ob es unter den Anwesenden Interesse an der Mitarbeit an einem studentischen Projekt im museumspädagogischen Bereich gäbe. Das Seminar hatte sich das Semester über mit mit der Darstellung der Geschichte der DDR im Museum beschäftigt. Frau Zündorf suchte Studierende, die sich für die Arbeit an einem Filmprojekt über das DDR-Museum im Dokumentationszentrum Perleberg begeistern könnten. Im Rahmen eines kurzfristig auf die Beine gestellten zweimonatigen Projekts sollte dort eine Art digitalisierter Tourguide mit Aufnahmen von Hans-Peter Freimark, dem Initiator des Museums entstehen – so zumindest die Idee. Wie letztendlich Projekt und Ergebnis aussehen könnten, war zu diesem frühen Zeitpunkt keinem der Beteiligten klar. Es fanden sich vier Kommiliton:innen zusammen, um dieses Projekt zu bearbeiten: Josephine Eckert und Thomas Köhler und Sophie Lutz und Freya Ziegelitz.
„Weder hatte eine:r von uns Vorerfahrungen in der Zusammenarbeit mit einem Filmteam gemacht, noch waren wir je in der brandenburgischen Kleinstadt Perleberg im Landkreis Prignitz gewesen. Wir hatten Lust, „Neuland“ zu betreten und die Orte, die wir üblicherweise während des Studiums nutzten (Bibliothek und Archiv) sowie die urbanen Räume unserer Freizeit zu verlassen, um die Praxiserfahrung in der Prignitz zu machen.
Zunächst wollten wir uns bei einem ersten Besuch in Perleberg einen Eindruck von der Ausstellung machen und Hans-Peter Freimark bei Kaffee und Kuchen kennenzulernen. Anschließend sollte ein Konzept entwickelt werden, um Hans-Peter Freimark in seiner Rolle als Tourguide durch die private Sammlung filmisch festzuhalten und somit den Besucher:innen auch ohne seine physische Anwesenheit das volle Freimark’sche Museumserlebnis garantieren zu können.
Wie wohl allen klar gewesen sein dürfte, die schon einmal in einer der Ausstellungen im Dokumentationszentrum Perleberg waren und/oder die Familie Freimark persönlich kennengelernt haben, wurde dieses vorläufige Konzept (und damit auch unsere anfänglichen Erwartungen) der Fülle an Eindrücken bei der tatsächlichen Umsetzung nicht gerecht. In diesen Berichten wollen wir sowohl unsere persönlichen Erfahrungen als auch die Entstehung und Durchführung des Filmprojekts darstellen.
Einen lieben Gruß schicken wir schon an dieser Stelle an Hans-Peter und Gisela Freimark, die uns – trotz anfänglicher Skepsis? – herzlich aufgenommen und uns während des gesamten Drehs großes Vertrauen entgegengebracht haben.”
Hintergründe zur Geschichte des Ortes
Das DDR-Dokumentationszentrum Perleberg befindet sich an einem geschichtsträchtigen Ort. Der Gebäudekomplex wurde Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet und ab 1865 als kaiserliches Artilleriedepot, als Wehrmachtsstützpunkt und schließlich als Konzentrationslager genutzt. In der frühen Nachkriegszeit diente das barackenähnliche Gebäude als Maschinenausleihstation der sowjetischen Besatzungsmacht. Nach der Gründung der DDR im Jahr 1949 wurden die zwei Gebäude in der Feldstraße 98 in Perleberg an die Stadt übergeben und als außerschulischer Arbeitsort für den Polytechnischen Unterricht von Schüler:innen eingesetzt.
Einer dieser Schüler:innen war Hans-Peter Freimark, geboren am 5. August 1945 in Perleberg. Nach dem Abitur studierte Freimark Theologie in Berlin. Seine damalige Verlobte Gisela und er heirateten 1968 in Perleberg. Gemeinsam mit den vier Kindern lebte das Pfarrerehepaar in Neustadt an der Dosse, wo er als Pfarrer und sie als Gemeindehelferin der evangelischen Gemeinde in Köritz arbeiteten. Im Jahr 2003 ging Hans-Peter Freimark in Rente und zog gemeinsam mit seiner Frau zurück nach Perleberg. Nach der 30-jährigen Tätigkeit als Pfarrer in Brandenburg widmet er sich in seinem Ruhestand dem von ihm gegründeten Verein „Geschichte in der Prignitz e.V.“ und der Aufarbeitung der deutschen Geschichte anhand von Objekten und Ausstellungen.
Das erste und umfangreichste Projekt war eine Ausstellung über DDR-Geschichte. Auch zu anderen Teilen der deutschen Geschichte, zum Nationalsozialismus und zur Kaiserzeit sammelt das Ehepaar Objekte und kuratiert entsprechende Ausstellungen. Das Sammlungsziel der Freimarks ist, in Perleberg eine Museumslandschaft mit regionalem und persönlichem Schwerpunkt zu etablieren. All ihre Ausstellungskurationen zeichnen sich durch einen regionalen Bezug und die enge Anbindung an die Familiengeschichte der Freimarks aus.
Bereits als Kind empfand Hans-Peter Freimark die Besatzung durch die Rote Armee als Einschränkung seines individuellen Lebensraums. Sowohl in der Schule als auch während seiner ersten Ausbildung konnte er sich nicht in die sozialistische Erziehung in der DDR einfinden, sodass er bereits in jungen Jahren begann, sich in den Kirchengemeinden der Prignitz und in der kirchlichen Oppositionsbewegung zu engagieren. Während seiner Tätigkeit als Pfarrer nutzte Freimark seine Netzwerke in Brandenburg und Umgebung, um oppositionelle Aktivitäten zu organisieren. Bis in den Ruhestand beschäftigten die freiheitlichen Einschränkungen in der DDR das Ehepaar Freimark sehr, weshalb sie 2005 gemeinsam den Gebäudekomplex des späteren DDR-Dokumentationszentrums in Perleberg erwarben. Die Erfahrungen, die die Familie Freimark vierzig Jahre lang in der DDR und besonders mit der Staatssicherheit gemacht hat, prägen sämtliche Familienmitglieder bis heute. Nach eigener Aussage gab Hans-Peter Freimark während eines Verhörs in dem Untersuchungsgefängnis Lindenstraße in Potsdam den Beamten des MfS ein Versprechen: Bis ans Ende seines Lebens würde er die staatssozialistische Diktatur der DDR aufarbeiten und den Menschen näherbringen. Freiheit, Freundschaft und Gerechtigkeit für ein wiedervereintes Deutschland würden in seiner Arbeit eine zentrale Rolle spielen.[1]
Seit Oktober 2006 wird im DDR-Dokumentationszentrum Perleberg eine Dauerausstellung gezeigt. Diese Ausstellung bietet den Besucher:innen die Möglichkeit, Informationen zu knapp 40 Jahren DDR-Geschichte zu erhalten. Im Zentrum der Ausstellung stehen die Lebensgeschichte der Familie Freimark und deren oppositionelle Tätigkeit. Bereits Anfang der 1980er Jahre begann das Ehepaar Freimark mit der Sammlung von Alltagsgegenständen aus der DDR und führt dies bis heute fort. In 30 rekonstruierten Räumen werden „Relikte aus dem real-existierenden Sozialismus“ gezeigt, um den Besucher:innen Impulse zum Nachdenken über ein demokratisches, freies und gerechtes Deutschland zu geben. Die Dauerausstellung befindet sich im permanenten Wandel. Gerade in den vergangenen Jahren wurden weitere Räume in die Dauerausstellung integriert. Neben dem Schwerpunkt einer Freimark‘schen Perspektive finden die Besucher:innen in der Ausstellung Bereiche zu Themen wie der Zwangsvereinigung der SPD und KPD zur SED, sozialistischer Erziehung, Kirche und Atheismus, dem Mauerfall 1989 aber auch der Alltagswelt wie Konsum, Wohnen und Freizeit. Die zahlreichen Objekte in den Ausstellungsräumen stammen aus dem privaten Hausstand des Ehepaars sowie aus Haushaltsauflösungen und Spenden anderer DDR-Bürger:innen. Neben der Kontextualisierung der Objekte mittels selbstverfasster Informationstexte geben die Führungen Hans-Peter Freimarks Hintergrundinformationen zur Sammlung des DDR-Dokumentationszentraums. Darüber hinaus gibt es bislang keine museumspädagogischen Angebote.
Der erste Besuch
von Thomas Köhler
Berlin, 18. Februar 2020. Wir, vier Studierende der Public History, trafen uns morgens im leicht verspäteten Regionalexpress Richtung Perleberg. Alle waren sehr gespannt und neugierig, denn wir begannen das Projekt zwar mit Vorkenntnissen über DDR-Geschichte und deren museale Darstellung, jedoch ohne jedes Wissen über das DDR-Dokumentationszentrum Perleberg und seine Gründer:innen.
Das erste Gespräch im Rahmen der Projektgruppe lag erst eine Woche zurück und diente vor allem der zeitlichen Koordination des Ablaufs. Schnell wurde deutlich, dass wir mit dem ersten Besuch in Perleberg nicht allzu lange warten dürfen – schließlich sollte das Projekt innerhalb der Semesterferien fertiggestellt werden.
Nach einem Umstieg in Wittenberge erreichten wir nach ca. zweieinhalb Stunden Fahrt die Stadt Perleberg. Persönlich nahm Hans-Peter Freimark uns am Bahnhof freundlich in Empfang. Das Dokumentationszentrum befindet sich unweit vom Bahnhof.
Bei einer Tasse „Westkaffee“ gab uns Hans-Peter Freimark einen kurzen Einblick in die Geschichte des Ortes, sowie in die Lebensgeschichten von sich und seiner Frau Gisela Freimark. Als oppositionelles Pfarrerehepaar überregional bekannt, waren sie ständig im Visier der Staatssicherheit und anderer DDR-Behörden. Noch vor 1989 entstand die Idee, der Nachwelt zu zeigen, wie sich der realsozialistische Alltag für das Ehepaar anfühlte.
Zu der musealen Vermittlungsarbeit der beiden gehört auch die Organisation regelmäßig stattfindender „politischer Abende“, zu denen bekannte frühere DDR-Oppositionelle und andere Referent:innen eingeladen werden. Die private Sammlungs- und Vermittlungsarbeit der Freimarks ist gegenwärtig nicht abgeschlossen – und das wird sie wohl auch nie sein.
Nach dem einführenden Gespräch führte uns Hans-Peter Freimark durch das DDR-Dokumentationszentrum. Die Ausstellung beeindruckte uns sehr, überforderte uns jedoch auch. Denn zeitgemäße museumspädagogische Konzepte fehlen dort. So sind die Objekte nur selten beschriftet und sollen „für sich stehen“. Daher werden die einzelnen Ausstellungsobjekte werden kaum kontextualisiert. Die Besucher:innen finden sich ohne Vorkenntnisse der DDR-Geschichte im Dokumentationszentrum kaum zurecht.
Das Dokumentationszentrum ist der individuellen Lebensgeschichte der Familie Freimark und ihrer Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte gewidmet, was Hans-Peter Freimark auch immer wieder betont. Dabei werden die unterschiedlichsten Seiten der Geschichte des sozialistischen Staats beleuchtet, von Politik-, Konsum, Repressions- und Medizingeschichte finden sich die unterschiedlichsten Aspekte im Dokumentationszentrum Perleberg. Manche Räume beziehen sich konkret auf wichtige Ereignisse in der Biographie des Ehepaars. Vorrangig sei hier die Darstellung der Proteste gegen die Atomschlagübung Dosse 83[2] zu nennen, welche maßgeblich von den Freimarks organisiert wurden. Den Protesten und der daraus folgenden Repressionen ist ein ganzer Raum gewidmet.
Unser erster Rundgang hinterließ einen ungemein positiven Eindruck. Es wurde jedoch klar, dass eine wissenschaftliche und filmische Auseinandersetzung mit den Freimarks und ihrem Dokumentationszentrum einiges an Arbeit bedeuten würde. Eine so umfangreiche Sammlung an unterschiedlichsten Objekten aus der DDR hatten wir zuvor noch nie gesehen.
Nach einer kurzen Mittagspause sahen wir uns gemeinsam mit Hans-Peter Freimark die Ausstellung zum Nationalsozialismus an. Besonders hervorzuheben ist auch hier der stark regionale Bezug durch die Auseinandersetzung mit der lokalen NS-Geschichte, auf der Grundlage von Zeitungsberichten, Orden und Fotos.
Optimistisch und sehr motiviert, einen interessanten und informativen Film zu produzieren, um dem historischen Ort DDR-Dokumentationszentrum und seinen Gründer:innen gerecht zu werden, traten wir die Heimreise nach Berlin an.
Das Konzept
von Sophie Lutz
Wie konserviert man das Lebenswerk von Zeitzeug:innen? Welche Möglichkeiten kann man nutzen um Konzept, Darstellungsformen, Objekte-Provinienzen zu sichern? Diese Überlegungen bildeten die Grundlage für unser Projekt. Das Besondere daran ist die Tatsache, dass uns der ehemalige Pfarrer Hans-Peter Freimark als damaliger Akteur und Zeitzeuge durch die Ausstellung führte und mittels vieler persönlicher Geschichten von seinem Alltag und seinen Erfahrungen in der Oppositionsbewegung berichtete.
Ausgangspunkt und Motiv für unsere Arbeit war es, das besondere Erlebnis einer persönlichen Führung, aber auch das umfangreiche Wissen der Freimarks über die Geschichte der Objekte zu sichern. Um dieses Erlebnis nachhaltig und anschaulich künftigen Besucher:innen zur Verfügung zu stellen, entstand die Idee, die Zeitzeugenerzählungen der Freimarks mithilfe eines Filmes zu dokumentieren. Neben der Expertise von Studierenden der Public History wurden daher auch filmtechnische Fachkenntnisse benötigt, weshalb das Projekt in Kooperation mit Studierenden der Medienproduktion der Technischen Hochschule Ost-Westfalen Lippe realisiert wurde. Zunächst entwickelten wir unter Leitung von Irmgard Zündorf im Februar diesen Jahres, nach einigen intensiven Ausstellungsbesuchen und Vorgesprächen mit Hans-Peter Freimark, ein Konzept für die späteren Dreharbeiten. Während unserer ersten Besuche insbesondere dem Sammeln erster Impressionen dienten, wurde das Konzept erst später Schritt für Schritt ausgearbeitet. Bei der Erstellung des Drehbuchs behielten wir eine eventuelle Nutzung des Filmmaterials für eine interaktive Tablet-Tour stets im Hinterkopf, die zukünftig den Filmrundgang durch weitere virtuelle Angebote und Informationen ergänzen soll. Die genaue Ausarbeitung dieser Tablet-Tour ist Gegenstand eines Folgeprojektes, das sich derzeit noch in der Planungsphase befindet.
Bei der Erstellung des Konzeptes für den Filmrundgang ergaben sich verschiedene Herausforderungen. Um das Erlebnis eines Ausstellungsbesuchs möglichst authentisch nachzuzeichnen, sollte zunächst eine Führung mit Hans-Peter Freimark als One-Shot-Aufnahme aufgenommen und für eine Vertiefung in einem zweiten Schritt anschließend Raum für Raum ein ausführlicher Drehplan erstellt werden. Da die Ausstellung im Dokumentationszentrum eine ungeheure Menge an Objekten enthält, die die Besucher:innen zunächst sowohl visuell als auch inhaltlich überwältigt, war die Frage der Objektauswahl für die virtuelle Führung zentral. Um besonders interessante und geeignete Objekte auszuwählen, legten wir verschiedene Kriterien fest: Zum einen sollten die Objekte exemplarisch als Aufhänger für das zentrale Thema und die wichtigsten Aussagen des jeweiligen Raumes dienen. Zum anderen müssen sie visuell ansprechend zu filmen sein. Außerdem sollten – sofern möglich – unterschiedliche Objektarten berücksichtigt werden und nicht etwa nur schriftliche Quellen ausgewählt werden, um den Rundgang möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Während der Konzeption des Drehbuchs wurde der Fokus auf Objekte mit Bezug zum politischen Engagement des Ehepaars Freimark gelegt, wie beispielsweise auf Transparente, die sie für Demonstrationen gestaltet hatten. Die Auswahl der Objekte wurde dabei mit beiden Zeitzeug:innen abgestimmt. Bei der Erstellung des Drehplans musste zudem die zeitliche Begrenzung des späteren Filmrundgangs berücksichtigt werden. Um die einzelnen Stationen der Führung kurzweilig zu gestalten, galt es, die jeweiligen Sequenzen möglichst knapp zu halten und somit inhaltlich zu beschränken. Gleichzeitig war es uns wichtig, Ausstellungsobjekte und Informationsvermittlung fachwissenschaftlich zu kontextualisieren.
Neben der Dokumentation des Rundgangs durch die Ausstellung, mit der Konzentration auf die Objekte, wurde zudem ein mehrstündiges Zeitzeug:inneninterview konzipiert, um die Biographie mit Fokus auf die Oppositionstätigkeit von Hans-Peter und Gisela Freimark zu dokumentieren. Dies beabsichtigte auch, den Entstehungshintergrund der Ausstellung zu thematisieren.
Nach Abschluss der Konzeption des Drehbuches wurden die Dreharbeiten vor Ort, die sich über eine gesamte Woche erstreckten, inhaltlich von uns begleitet. Am Ende der Dreharbeiten sichteten wir das gesamte Filmmaterial, das uns die Filmstudierenden zur Verfügung stellten, und erstellten einen detaillierten Schnittplan. Nachdem wir verschiedene Rohfassungen ansehen konnten, die wir jeweils lange diskutierten, waren in verschiedenen Schritten kleinere Anpassungen und Änderungen des Films nötig. Nach Abschluss des endgültigen Schnitts konnte die Abgabe eines geschnittenen Filmrundgangs erfolgen. Dieser Filmrundgang mit Hans-Peter Freimark kann bereits jetzt genutzt werden und soll zukünftig die Grundlage für die geplante Tablet-Tour bilden.
Dreharbeiten in Krisenzeiten
von Josephine Eckert
Die Dreharbeiten waren für die dritte Märzwoche des Jahres 2020 angesetzt. Zur Vorbereitung erhielten alle Beteiligten einen Redaktionsplan, der festlegte, wann welche Objekte in welchem Raum gefilmt werden sollten und welche inhaltlichen Aspekte für die Aufnahme im Vordergrund stehen würden. Auch wenn wir schon am zweiten Tag von diesem Plan abwichen, diente er über die Woche doch als wichtige Orientierung und höchst willkommener Notizzettel.
Als zwei von uns Studierenden am Montag bei Kuchen und ausgesprochen starkem „Westkaffee“ das Konzept in Perleberg vorstellten, waren alle Beteiligten ein wenig nervös. Für alle außer für den Kameramann und den Tontechniker, die unbeirrt ihr Equipment in das Café des Dokumentationszentrums schleppten, war die Situation ungewohnt. Am Nachmittag begannen die Dreharbeiten. Um einen sanften Einstieg zu schaffen, wurden zunächst solche Räume und Objekte ausgesucht, die Alltagssituationen der DDR darstellen: Die Kneipe, der Konsum, der Schreibmaschinenraum, das Arztzimmer. Die Sorge um den Einstieg war jedoch unbegründet, alle fanden sich schnell in ihre Rollen ein und die ersten Szenen waren bald im Kasten.
Am zweiten Tag filmten wir eine Führung von Hans-Peter Freimark durch die 30 Räume umfassende Ausstellung. Trotz unseres straffen Zeitplans entschieden wir, der Tour einen kompletten Drehtag zu geben, weil wir viel Potential in den ungestellten Aufnahmen sahen. Diese One-Shot-Aufnahme bildet nun als „Rohfassung“ die Grundlage für den geschnittenen Film. Als Regisseur:innen traten wir an diesem Tag in den Hintergrund und waren neugieriges Publikum, konnten Fragen stellen und haben somit noch einiges mehr über die Ausstellungsobjekte und die Geschichte des Pfarrerehepaars erfahren.
An diesem Tag stellte sich uns jedoch ein anderes Problem. Die Corona-Pandemie hatte inzwischen solche Ausmaße angenommen, dass wir mit dem Gedanken spielen mussten, das Projekt abzubrechen. Da für die nächsten Monate kein Alternativtermin abzusehen war, entschieden wir uns in Absprache mit allen Beteiligten dafür, weiterzumachen. Die Studierenden, die bereits in Perleberg waren, drehten weiter und versuchten nach bestem Wissen jedes Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung zu vermeiden. Die anderen beiden, die sich in Berlin aufhielten und uns ablösen wollten, mussten zu Hause bleiben und uns jeweils von dort unterstützen.
In dieser improvisierten Situation drehten wir am dritten Tag ein ausführliches Zeitzeug:innengespräch. Obwohl diese Aufnahme über den Projektauftrag hinausging, wollten wir die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen. Die Freimarks ließen sich ebenfalls für die Idee gewinnen und luden uns dafür zu sich nach Hause ein. Obwohl wir auch hier ohne jegliche Erfahrung ein Interviewkonzept vorbereitet hatten, verlief der Nachmittag sehr erfolgreich. Das ausführliche und intensive Interview wird den Freimarks am Ende des Projekts zusätzlich zur Videotour im Ganzen übergeben. Zudem hoffen wir, dass es als Teil des Folgeprojekts im Dokumentationszentrum gezeigt werden kann.
Auch während der übrigen Tage lag ein Schwerpunkt der Dreharbeiten auf den Ausstellungsräumen, in denen das Ehepaar Aspekte ihrer persönlichen Geschichte thematisiert. In einem nachgestellten Kirchenraum, in dem originale Transparente und Kleidungsstücke ausgestellt sind, konnten wir das Engagement der beiden für Frieden und Abrüstung nachzeichnen. Ebenso standen sie gemeinsam für die Protestaktion gegen die Atomschlagübung Dosse 83, samt der in diesem Raum befindlichen Nachweise ihrer Verfolgung durch die Staatssicherheit, vor der Kamera. Für uns als Nachgeborene waren zudem die vielen Alltagsgegenstände interessant, die sie der Öffentlichkeit zeigen, beispielsweise ihr erstes Schlafsofa oder das Autodachzelt, mit dem die Familie Urlaub machte. Die damit verbundenen persönlichen Erinnerungen verleihen der Ausstellung ihre Einzigartigkeit und wir haben uns bemüht, möglichst viel davon im Film einzufangen. Vielleicht gerade deshalb kam trotz aller gebotenen Ernsthaftigkeit und Professionalität während des gesamten Drehs auch der Spaß nicht zu kurz.
Trailer filmischer Rundgang Perleberg - Perleberg Projekt, Vimeo.
[1] Anliegen des DDR-Dokumentationszentrum Perleberg [zuletzt abgerufen am 3.09.2020].
[2] Die Atomschlagübung Dosse 83 war die letzte Atomkriegsübung in der DDR. Sie fand in Neustadt (Dosse) statt. Das Ehepaar Freimark demonstrierte „[…] gegen den Irrsinn, einem Volk einzureden, dass es einen sicheren Schutz gegen einen Atomkrieg geben könne”. In: Protestsarg ist zurück. Märkische Allgemeine vom 5. April 2013, [zuletzt abgerufen am 3.09.2020].