Spiele – so stellte der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga bereits 1938 fest – sind Ausdruck der menschlichen Fähigkeit, die Wirklichkeit spielerisch nachzubilden und kritisch zu reflektieren. Sie sind somit integrale Bestandteile gesellschaftlicher Sinnsuche. Es überrascht daher, dass die (akademische) Geschichtswissenschaft sich Jahrzehnte nach dem Cultural Turn Spielen als Quellengattung bisher kaum geöffnet hat. Während sich die historische Computerspieleforschung bislang vornehmlich auf technische Entwicklungen sowie auf Geschichtsbilder in Videospielen konzentriert hat, jedoch zeithistorische Verortungen häufig ausbleiben, herrscht in Bezug auf Brettspiele eine noch deutlichere Forschungslücke. Gegenüber dem Medium Spiel, dem angesichts hoher Verbreitungszahlen eine große gesellschaftliche, zumal zeithistorische Relevanz zufällt, scheinen ebensolche Vorbehalte seitens der akademischen Geschichtswissenschaft zu bestehen, wie sie jahrelang gegenüber Rundfunk- oder Filmquellen festzustellen waren...
Wie Brett- und Computerspiele für eine geschichtswissenschaftliche Perspektive fruchtbar gemacht werden können, erkundeten wir im Sommersemester 2017 mit Augsburger Studierenden. Thematisch nahm das Projektseminar bewusst den Kalten Krieg und die Systemkonfrontation als Anker, da die Auseinandersetzung der Supermächte bis in die jüngste Gegenwart ein beliebtes Motiv in Spielen darstellt. Bereits zeitgenössisch hatte der Kalte Krieg auch den Bereich der Populärkultur durchdrungen, wie die neuere Forschung klar zeigt. Im Seminar untersuchten wir Spiele aus dem Osten ebenso wie aus dem Westen, Brettspiele ebenso wie Computerspiele, zeitgenössische Spiele aus der Zeit der Blockkonfrontation ebenso wie nach dem politischen Wandel 1989/1991 publizierte, um ein möglichst breites Spektrum abzudecken. (weiterlesen…)