„Das ist eine lebendige Geschichte moderner Sklaverei mosambikanischer Arbeiter:innen in der DDR, mitten im 20. Jahrhundert“ – so der mosambikanische Jurist Antònio Frangoulis in seinem Beitrag im Februar 2019 anlässlich der Tagung Respekt und Anerkennung in Magdeburg.[1] Das Webprojekt Vertragsarbeit Mosambik-DDR – Madgermanes: Trabalhadores Moçambicanos contratados na RDA ist ein Ergebnis dieser Tagung.[2]
Das 1979 zwischen der Volksrepublik Mosambik und der DDR geschlossene Arbeitskräfteabkommen brachte bis 1989 mehr als 20.000 Mosambikaner:innen in das Land.[3] Die Tagung in Magdeburg beschäftigte sich mit der gegenwärtigen Situation der ehemaligen Vertragsarbeiter:innen. Bis in die Gegenwart bestehen für viele der ehemaligen Vertragsarbeiter:innen ungelöste Probleme. Dazu gehören fehlende Lohnzahlungen, ausgebliebene Sozialleistungen und ungeklärte Rentenansprüche.[4] Bis vor kurzem fand dies in der bundesdeutschen Politik und Öffentlichkeit kaum Beachtung. Doch die mosambikanischen Rückkehrer:innen, die sich selbst als „Madgermanes“ bezeichnen, protestieren und kämpfen für ihre Rechte. Ihre Engagement wird als Sinnbild des Protestes aller ehemaligen Vertragsarbeiter:innen aus Mosambik verstanden.
Der sich noch im Aufbau befindende Internetauftritt Vertragsarbeit Mosambik-DDR – Madgermanes: Trabalhadores Moçambicanos contratados na RDA ist übersichtlich gestaltet und in drei Rubriken unterteilt. Die Überschriften sind klar und verständlich formuliert. Die erste Rubrik Konferenz informiert über die Magdeburger Tagung und das dort von den Teilnehmer:innen verabschiedete, – nach der Landeshauptstadt benannte – Memorandum.[5] In diesem verpflichteten sich die Teilnehmer:innen, ihre Forderungen nicht nur öffentlich zu machen, sondern diese auch an staatliche Stellen und Behörden sowie zivilgesellschaftliche Einrichtungen sowohl in der Bundesrepublik als auch in Mosambik zu stellen, damit die ausstehenden Forderungen der „Madgermanes“ endlich rechtlich und politisch bearbeitet werden. Hier können die Vorträge von einigen der Teilnehmer:innen im Video- und auch im Textformat nachverfolgt werden. Ebenfalls kann in dieser Sparte das gesamte Memorandum mit den konkreten Forderungen nachgelesen werden. Die zweite Rubrik widmet sich der 2. Generation, – also den Kindern der ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiter:innen. Hier sollen zukünftig Mütter und Kinder aus „bikulturellen“ Beziehungen und Ehen in bewegten Bildern und Interviews ihre Geschichten erzählen. In der dritten Rubrik Kontext ist eine Auswahl an Hintergrundtexten- und Dokumenten versammelt. Hier finden sich zudem Hinweise auf Netzwerke, Veranstaltungen und Online-Projekte, die weitere Informationen zur Geschichte und Stand der rechtlichen und politischen Aufarbeitung liefern.
Im Vergleich zu anderen Themenblogs dieser Art (z.B. bruderland.de) widmet sich das Projekt „Madgermanes“ ausschließlich den ehemaligen mosambikanischen Arbeiter:innen und Schüler:innen der „Schule für Freundschaft“ in Staßfurt, an der von 1982 bis 1986 mosambikanische Jugendliche unterrichtet wurden, um danach eine Berufsausbildung zu beginnen.
Insgesamt bietet das Webprojekt Vertragsarbeit Mosambik-DDR für wissenschaftliche Zwecke viel Potenzial, ist aber trotzdem für die breite Öffentlichkeit interessant. Durch die Kombination von wissenschaftlichen Beiträgen und Interviews und Berichten von Zeitzeug:innen können die Leser:innen einen facettenreichen Gesamteindruck über das Thema erhalten und sich bei Bedarf über die zahlreichen Verlinkungen weiter informieren. Obwohl der Titel der Internetseite eine zweisprachige Gestaltung vermuten lässt, ist dies ein Defizit der Seite: Zwar sind die Videos der Teilnehmer:innen in den Landessprachen und mit deutschem Untertitel versehen, die wissenschaftlichen Texte jedoch nur in deutscher Sprache verfasst.
Weiterführende Informationen:
Christine Bartlitz und Isabel Enzenbach, Für Entschädigungszahlungen an die ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiter:innen. Offener Brief an die Bundesregierung, in: Zeitgeschichte-online, April 2021.
[1] Zuletzt am 23.03.2021.
[2] Das Projekt wurde vom Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrums der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) initiiert und finanziert aus Mitteln der Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, dem Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrum und der Beauftragten des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert.
[3] Weyhe, Birgit: "Sie kamen quasi mit leeren Händen zurück" (zuletzt am 23.06.2020).
[4] Mende, Christiane: (Arbeits-)Migration aus der Volksrepublik Mocambique in die Deutsche Demokratische Republik (1979 – 1989/90), Magistra-Arbeit, Berlin 2010, hier S. 132 (zuletzt am 27.11.2019).
[5] Magdeburger Memorandum (zuletzt am 22.03.2021).