Auf Grundlage der in diesem Dossier zusammengetragenen Überlegungen haben wir eine „Handreichung zur Erschließung von Denkmälern“ entwickelt.[1] Diese richtet sich primär an Gruppen, kann aber auch problemlos allein angewendet werden. Die Handreichung soll sowohl Anlass als auch Hilfe sein, sich beliebigen historischen Denkmälern zu nähern und sich mit ihnen zu beschäftigen. Die Erschließungshilfe basiert auf einem konstruktivistischen Lernverständnis, das heißt der selbstgesteuerten Auseinandersetzung einer Person mit ihrer Umwelt, und ist daher prozess- und ergebnisoffen konzipiert. Maßgebliches Ziel ist es, den Prozess einer Denkmalerschließung für alle Beteiligten weitestgehend inklusiv,[2] d.h. hierarchiefrei und transparent zu gestalten. Das möchten wir unter anderem dadurch gewährleisten, dass alle dieselben Unterlagen nutzen – es findet sich mit Absicht keine zusätzliche Anleitung für Moderator*innen oder Lehrer*innen.
Im Zentrum des vorgeschlagenen Erschließungsprozesses steht der gemeinsame Austausch über das jeweilige Denkmal, bei dem es keine Erwartungen an „richtige/falsche” Antworten gibt. Die Konzeption ist ergebnisoffen und sollte es im Laufe des Prozesses auch bleiben, um möglichst vielfältige Fragen, Ideen, Reflexionen etc. zu ermöglichen.
Die Handreichung ist in drei Phasen eingeteilt, die jeweils aus geclusterten Fragen bestehen:
- „Begegnung und Eindrücke“: Diese Phase findet bestenfalls am Denkmal selbst statt. In einem gemeinsamen Brainstorming sollen hier erste Eindrücke und Assoziationen gesammelt und ausgetauscht werden. Am Ende dieser Phase werden (mindestens) vier Recherchegruppen gebildet.
- Recherchephase: In dieser Phase untersuchen die zuvor gebildeten Gruppen jeweils eines der folgenden Unterthemen:
- - Form und Gestalt: Wie ist das Denkmal äußerlich, symbolisch bzw. ikonographisch gestaltet. In welchem Bezug steht es zu seiner Umgebung?
- - Planung und Setzung: Was lässt sich über den Entstehungskontext des Denkmals sagen? Wer hat das Denkmal wann, wie, warum, für wen, wo und unter welchen Umständen geplant, errichtet und eingeweiht?
- - Rezeption und Nutzung: Wie und in welchen Kontexten wurde das Denkmal im Laufe seines Bestehens gedeutet, wahrgenommen, genutzt, diskutiert, verändert, kritisiert – vielleicht sogar instrumentalisiert?
- - Bezug und Kontext: Worauf soll das Denkmal verweisen? An wen oder was soll es erinnern, also: Was ist der historische Gegenstand und was wissen wir darüber?
Die Fragen in diesen vier Gruppen überschneiden sich teilweise, was in der nächsten Phase für einen intensiveren Austausch sorgen kann – insbesondere bei unterschiedlichen Rechercheergebnissen.
- „Austausch und ...“: Hier sollen zunächst die Rechercheergebnisse vorgestellt und in Rückgriff auf die Eindrücke und Assoziationen aus Phase 1 gemeinsam reflektiert und diskutiert werden. Der nächste Schritt könnte das Sammeln von weiterführenden Ideen sein, um weitere Aktivitäten zu planen.
Die einzelnen Phasen und Fragen können zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit dem ausgewählten Denkmal anregen. Jedoch müssen keinesfalls alle Phasen und Fragen vollständig abgearbeitet werden. Eine individuelle Auswahl von Phasen und Fragen ist ebenso möglich. Eigene Fragen und Schwerpunkte dürfen immer und überall ergänzt werden.
Wir empfehlen, die einzelnen Arbeitsschritte jeweils schriftlich, in Audioform oder auf andere Art und Weise zu dokumentieren, um die fortlaufende Reflexion zu unterstützen.
[1] Wesentlicher Ausgangspunkt waren dabei das Konzept zur Beschäftigung mit Kriegerdenkmälern im Schulunterricht von Gerhard Schneider: Kriegerdenkmäler als Geschichtsquellen – Didaktisch-methodische Bemerkungen zum Unterricht im 9. bis 13. Schuljahr, in: Hans-Jürgen Pandel/Gerhard Schneider (Hg.): Handbuch der Medien im Geschichtsunterricht, 6. Aufl. Schwalbach/Ts. 2011, S. 557–610, hier S. 584–587; sowie das „Vier-Zeitebenen-Modell“ von Bodo von Borries: Zwischen „Genuss“ und „Ekel“. Ästhetik und Emotionalität als konstitutive Momente des historischen Lernens. Schwalbach/Ts. 2014, S. 269. Verweisen möchten wir in diesem Zusammenhang auch auf zwei neuere Publikationen von Marco Dräger. Diese sind nach unserer konzeptionellen Arbeit erschienen, sind in Bezug auf das Thema aber mittlerweile durchaus einschlägig: Marco Dräger: Denkmäler im Geschichtsunterricht. Frankfurt am Main 2021; Marco Dräger: Denkmäler im Geschichtsunterricht thematisieren. Frankfurt am Main 2022.
[2] „Inklusion“ liegt an dieser Stelle eine weite Begriffsdefinition zugrunde, die die verschiedenen Bedürfnisse aller Menschen in allen Bereichen, sei es Sprache, sozial-emotionale Entwicklung, Aufmerksamkeit usw., meint.