von Paula Lange

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31. August 2020

„Ich möchte versprechen, dass die Solidarność nicht nur Geschichte ist. Die Solidarność ist ebenso ein Leuchtturm für die Republik Polen für die Jahre und Jahrzehnte, die vor uns liegen“[1], definierte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki anlässlich einer Gedenkveranstaltung in Lublin am 26. Juli 2020 die Bedeutung der Gewerkschaft für die polnische Gesellschaft. 40 Jahre nach der Gründung der ersten freien Gewerkschaft Solidarność in Gdańsk stehen nicht nur die historischen Ereignisse, sondern auch einzelne Akteure im Fokus der Erinnerung. Neben Männern wie Lech Walęsa, Adam Michnik und Jacek Kuroń spielt dabei auch die Kranführerin Anna Walentynowicz (1929-2010) in der polnischen Erinnerungskultur eine wichtige Rolle. Da Frauen in der gesamten polnischen Erinnerungskultur und insbesondere im Kontext der Solidarność überaus unterrepräsentiert sind, stellt sich die Frage, warum es sich mit der ehemaligen Kranführerin und Aktivistin anders verhält.[2]

 

Frühe Aktivistin und geschätzte Kollegin unter den Werftarbeiter*innen

Die Entlassung von Anna Walentynowicz am 7. August 1980 war ausschlaggebend für den Beginn des Streiks auf der Lenin-Werft. Zwei Jahre zuvor war sie eines der Gründungsmitglieder der (illegalen) Gewerkschaft Związek Zawodowy Wybrzeży“ (Freie Gewerkschaft der Küste – WZZW), die sich für Arbeitnehmer*innenrechte einsetzte und mit anderen Studierenden- und Intellektuellenbewegungen kooperierte.[3] Bereits in dieser Zeit wurde die Kranführerin zeitweise suspendiert, vor allem in Zusammenhang mit ihren jährlichen Bemühungen, an die während des Streiks im Dezember 1970 ermordeten Werftarbeiter[4] zu erinnern.
Unter den Werftarbeiter*innen war sie eine hochgeschätzte und bekannte Kollegin, deren Entlassung für viele nicht hinnehmbar war. Am 14. August hingen überall in der Werft Plakate mit einem Streikaufruf; noch am selben Tag legte die Belegschaft ihre Arbeit nieder. Kurz darauf begannen auch Mitarbeiter*innen anderer Betriebe einen Solidaritätsstreik.
Daraufhin verhandelte der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls entlassene Lech Wałęsa erstmals als Vertreter der WZZW mit dem Werftdirektor Klemens Gniech. Verhandlungspunkte waren die Wiedereinstellung von Wałęsa und Walentynowicz sowie weiteren seit 1976 gekündigten Mitarbeiter*innen der Werft, eine Lohnerhöhung um 2000 zł, eine Zusicherung, dass der Streik für die beteiligten Arbeiter*innen keine Konsequenzen mit sich ziehen würde sowie die Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Werftarbeiter. Nachdem Gniech sich mit dem Denkmal einverstanden zeigte, wagte das Komitee einen weiteren Vorstoß und verlangte die Gründung einer Freien Gewerkschaft.
Auch wenn Walentynowicz nicht die Initiatorin des Streiks war, wurde sie schnell zu einer Schlüsselfigur in der Organisation der Arbeitsniederlegung. Als der Streik am dritten Tag nach einer teilweisen Durchsetzung der Forderungen kurz davor stand, beendet zu werden, entschloss sich Anna Walentynowicz gemeinsam mit drei anderen Frauen, die Werftarbeiter*innen beim Verlassen des Geländes zu hindern und zur Weiterführung des Solidaritätsstreiks aufzufordern.[5]
Ohne das Einschreiten dieser vier Frauen wäre der Streik bereits an diesem Tag ohne die Gründung einer legalen freien Gewerkschaft beendet gewesen.[6] Durch ihre Aktion wurde zudem der Solidaritäts-Charakter des Streiks vor die wirtschaftlichen Forderungen der Arbeiter*innen gestellt. Nach intensiven Verhandlungen zwischen dem „Międzyzakładowy Komitet Strajkowy“ (Überbetriebliches Streikkomitee – MKS) und Vertretern der Regierung wurden 21 Forderungen der Arbeiter*innen am 31. August angenommen und die erste freie, überregionale Gewerkschaft „Solidarność“ gegründet.[7] Obwohl Walentynowicz als MKS-Mitglied das „Danziger Abkommen“ unterschrieb, spielte sie in der darauffolgenden Strukturierung der lokalen, regionalen und nationalen Gewerkschaftsvorstände nur eine untergeordnete Rolle. Bereits in dieser Phase stand Wałęsa mit seinem Namen und Gesicht an der Spitze der Bewegung.

 

 

Die Erinnerung an Anna Walentynowicz im Kanon der offiziellen Geschichtspolitik

Anlässlich des 32. Jahrestags der Gründung der Solidarność entwickelte das „Institut Pamięci Narodowej“ (Institut für nationales Gedenken – IPN) die Ausstellung „Anna Walentynowicz – Legende der Solidarność 1929-2010“, welche seitdem zu verschiedenen Jahrestagen und Anlässen in mehreren polnischen Städten gezeigt wurde. Zuletzt war sie im Herbst 2019 auf dem ehemaligen Werft-Gelände in Gdańsk zu sehen.[8] Sie ist bislang die einzige vom IPN konzipierte Ausstellung, die sich explizit dem Leben und Wirken einer in der Solidarność aktiven Frau widmet. Auf insgesamt 18 Schautafeln wird das Leben von „Anna Solidarność“ chronologisch dargestellt. Jede Schautafel enthält einen Infotext und verschiedene Fotografien sowie Zeitungsausschnitte oder Dokumente, im Hintergrund ist immer eine Großaufnahme zu sehen. Auf der dritten Ausstellungstafel wird Walentynowiczs Motivation für ihr Engagement genannt: „Sie glaubte an die Werte Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit.“ Außerdem wird auf ihren Einsatz für die Arbeitnehmer*innenrechte der in der Werft beschäftigten Frauen hingewiesen. Bezüglich ihres Privatlebens heißt es auf der 5. Tafel: „[Der] aufwachsende Sohn brauchte männliche Fürsorge und einen Mann als Vorbild.“ Auf der 10. Tafel wird erwähnt, dass ihre Entlassung der Auslöser für den Streik auf der Danziger Lenin-Werft im August 1980 war, zur Aufrechterhaltung des Streiks heißt es aber: „Unter dem Druck von Delegierten anderer Betriebe wurde der Streik wieder aufgenommen.“ Die Errichtung des Denkmals für die 1970 ermordeten Streikenden wird als ihr größter Erfolg für die Solidarność bewertet. Als „glücklichster Moment ihres Lebens“ wird auf der darauffolgenden Tafel ihr Treffen mit Papst Johannes Paul II. im Januar 1981 genannt. Dass Walentynowicz keine repräsentativen Ämter innerhalb der Solidarnośc übernahm, wird mit Konflikten zwischen ihr und Wałęsa begründet. Auf der letzten Ausstellungstafel ist zu sehen, wie sie für ihre Verdienste die höchste polnische Auszeichnung, den „Orden des weißen Adlers“, von Staatspräsident Lech Kaczyński verliehen bekommt.

Die meisten Fotografien zeigen sie als Mutter mit ihrem Sohn, Ehefrau mit ihrem Mann, sich unterhaltend mit anderen Frauen, kochend, mit Blumen in der Hand oder auf einer Bühne neben sprechenden Männern stehend. Nur auf zwei Fotografien spricht sie selbst auf einer Bühne. Auffallend ist auch, dass die Bildunterschriften die abgebildeten Männer neben ihr (ihr Ehemann, Wałęsa, Papst Johannes Paul II., der Priester Jerzy Popiełuszko, Staatspräsident Kaczyński) namentlich erwähnen, andere abgebildete Frauen jedoch namenlos bleiben. Es gibt nur ein Foto von ihr in Arbeitskleidung, von ihrer Arbeit als Kranführerin wird jedoch keine Aufnahme gezeigt.[9]

2017 widmete das IPN der beim Flugzeugabsturz in Smoleńsk verstorbenen Aktivistin den Bildband „Anna Walentynowicz 1929-2010“. Im Vorwort zum Buch heißt es dabei unter anderem: „Ihr Tod (der Tod Anna Walentynowicz‘ sowie Lech Kaczyńskis und anderer Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Anm. der Verfasserin) vereinte verschiedene Arten, für unsere Unabhängigkeit zu kämpfen. […] Die Erinnerung an Anna Walentynowicz, ihre solidarische Treue und universellen Ideale ist ein selbstverständlicher Bestandteil der Mission des IPNs. Polen braucht diese Erinnerung und dafür ist dieses Album da."

Des Weiteren wurde das Jahr 2019 vom polnischen Sejm zum „Gedenkjahr Anna Walentynowicz“ ausgerufen. Mit diesem sollte die Aktivistin, die zur „Gründung der großen Bewegung ‚Solidarność‘ und zur Wiedererlangung der polnischen Unabhängigkeit beitrug“ geehrt werden. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jubiläum des „Runden Tisches“ und anlässlich ihres 90. Geburtstags wurde ihr zu Ehren in Kooperation mit der Poczta Polska (Polnische Post) eine Postkarte mit ihrem Porträt entworfen, die kostenfrei in allen Postfilialen zu erhalten war, sowie eine Briefmarke mit ihrem Konterfei.

Darüber hinaus organisierte das IPN in Danzig zwischen dem 30. März 2019 und 12. April 2019 einen aus verschiedenen Veranstaltungen (Buchvorstellung, Gottesdienst, Diskussionsrunde, Vortrag) bestehenden Zyklus in Erinnerung an sie. Im Zuge dessen wurde auch eine weitere Infobroschüre über ihr Leben online gestellt, in der die gleichen Fotografien wie die in der oben beschriebenen Ausstellung zu sehen sind. Die Texte sind ausführlicher, decken sich jedoch in den Kernaussagen. Auf den Konflikt zwischen ihr und Wałęsa wird dabei detaillierter eingegangen und es wird betont, dass Lech Kaczyński in der Auseinandersetzung auf ihrer Seite gestanden hätte.[10]

Auch in der Dauerausstellung im Europejski Centrum Solidarności (Europäisches Solidarność Centrum – ECS) wird ihre Schlüsselrolle bei der Gewerkschaftsentstehung nur am Rande erwähnt. Auch wenn der Kran, in dem sie jahrelang auf der Werft arbeitete, das erste prominent platzierte Objekt ist, das Besucher*innen beim Betreten der 3.000 m² großen Ausstellungsfläche sehen, wird ihr Aktivismus im Kontext der weiteren Ereignisse nicht hervorgehoben. Dass der Streik am dritten Tag nicht beendet wurde, ist laut Ausstellungstext vor allem dem Einsatz von „Vertretern anderer streikender Betriebe als auch anderen Mitarbeitern vor Ort und Oppositionellen“ zu verdanken. Die Namen von Walentynowicz und den anderen drei Frauen fallen an dieser Stelle nicht. In Auszügen eines Films, der die Unterzeichnung des „Danziger Abkommens“ festhält, werden hauptsächlich Wałęsa und andere Männer beim Verhandeln und Unterschreiben gezeigt, obwohl auch hier Frauen wie Walentynowicz involviert waren.

 

Anna Walentynowicz – eine klassische „Matka Polki“?

Die genannten Beispiele zeigen, dass Anna Walentynowicz in der nationalen Solidarność-Rezeption durchaus präsent ist und die Würdigung ihres Engagements in verschiedenen Formen stattfindet. Die entscheidenden Impulse, die Walentynowicz innerhalb der Streikorganisation gab, bleiben aber weitestgehend außen vor. Auch wenn ihr Name mit Auslösung des Streiks immer in Verbindung gebracht wird, tritt sie nur in Ausnahmefällen als agierendes Subjekt in Erscheinung. Als ihr größter Erfolg wird ihr Einsatz für die Errichtung des Denkmals für die ermordeten Arbeiter 1970 bewertet. Durchweg wird ein stereotyp weibliches Bild von ihr gezeichnet. Dies zeigt insbesondere die IPN-Ausstellung: Insgesamt entsteht auf den Schautafeln der Eindruck einer passiven Frau, die vor allem Mutter, Ehefrau und gläubige Katholikin war. Selbst im häuslichen Bereich wird auf die Notwendigkeit eines Mannes an ihrer Seite verwiesen. Das Narrativ der Textebene wird dabei um Fotos ergänzt, die sie in „typisch weiblichen“ Positionen und als „fürsorgliche, sich kümmernde Person“ zeigen. Diese Charaktereigenschaften lassen sich gut mit dem „Matka Polka“-Mythos in Verbindung bringen.

Der Mythos der „Matka Polka“ geht auf das 1830 veröffentlichte Gedicht mit dem Titel „Do Matki Polki“ („An die Mutter Polin“) des Nationaldichters Adam Mickiewicz zurück. Dieses manifestierte die symbiotische Verbindung zwischen Mutterschaft und polnischer Nation, deren Wirkmächtigkeit durch polnische Teilungen, Terror und Kampf um die Wiedererlangung der Unabhängigkeit noch gesteigert wurde. Der Mythos basiert auf dem Bild der weiblichen Opferbereitschaft sowie einem gemeinsamen Kampf von Frauen und Männern gegen einen kollektiven Feind und verfestigte das gesellschaftliche Frauenbild im Kampf um die nationale Unabhängigkeit. Frauen galten als „Hüterinnen der nationalen Identität“. Diese war aufgrund der Fremdherrschaft nur im familiären Rahmen auslebbar. Als Hauptaufgaben der Frauen galten zum einen das Weitergeben der polnischen Sprache als wesentliches nationales Identifikationsmerkmal, zum anderen die Erhaltung der polnischen Nation im Sinne der Reproduktion der nächsten Generationen. Aus diesem Rollenbild resultierte sowohl Anerkennung als auch die Einordnung der Frau in den häuslichen, privaten Raum. Im Nation-Building Prozess des 19. Jahrhunderts wurden Frauen vor allem unterstützende Funktionen zugeschrieben, innerhalb derer sie ihre kämpfenden Männer stärkten und mit patriotischer Erziehung des Nachwuchses das Fortbestehen der polnischen Nation ohne Staat sichern sollten. Frauen und Mütter galten somit als relevante Faktoren für das Überleben der Nation, sodass diese Rollen konsequent politisch aufgeladen wurden. Weibliche Emanzipation aus dem familiären, privaten Rahmen heraus konnte daher auch immer als Verrat an der Nation verstanden werden.[11] Auch das staatssozialistische System verstärkte diesen Mythos und das damit verknüpfte Frauenbild, durch den gemeinsamen Kampf gegen die als fremd empfundene kommunistische Herrschaft. In diesem Kampf spielte zunehmend die katholische Kirche, die als patriarchalisches System die Geschlechterdivergenz unterstützt, eine immer stärker werdende Rolle für den nationalen Zusammenhalt. Die Dreifachbelastung durch Care-, Reproduktions- und Erwerbsarbeit im Staatssozialismus passt in den Mythos der „Matka Polka“, die sich für die Nation „aufopfert“.[12]

 

Inkludierte Frauenbiografien als Stütze eines nationalistisch-konservativen Geschichtsnarrativs (Nationalerzählung)

Laut der Historikerin Eliza Kania spielen Frauen in der gesamten polnischen Erinnerungskultur eine untergeordnete Rolle. Es gibt es nur wenige Frauen, die sich im Sinne des Held*innenmythos als Protagonist*innen eines solchen Narratives anbieten. In der Regel werden daher männliche Helden präsentiert, die von Frauen unterstützt werden. Ausnahmen von einzelnen Frauenschicksalen bestätigen diese Regel.[13] Auch Anna Zawadzka bemängelt, dass nur Frauen, die dem „nationalistischen, patriotischem und konservativen“ Bild der herrschenden Geschichtspolitik entsprechen würden, in erinnerungskulturellen Elementen präsent seien.[14] Sie schlussfolgert, dass durch die Verengung auf wenige Themen, die in die Dichotomie Opfer/Held*innen fallen und die Zuwendung zur Geschichte von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen von Seiten der Geschichtspolitik aktiv unterdrückt wird. Daher seien diese weder in der Forschung noch in der Erinnerung präsent.[15]

Anna Walentynowicz passt durch ihre konservative, katholische und patriotische Haltung in das nationalistische geschichtspolitische Narrativ und bestätigt somit die Thesen der Historiker*innen Zawadzka und Kania. Sie tritt in den Darstellungen jedoch nicht als „mutige Aktivistin“, sondern eher als „passive Unterstützerin“ auf und wird darüber hinaus fast durchgängig stereotyp weiblich abgebildet und charakterisiert. Darüber hinaus wurde sie durch ihren tragischen Tod in Smoleńsk auch in das nationale „Opfernarrativ“ nach 2010 aufgenommen. Durch den Fokus auf ihre Person wird zudem, ganz im Sinne der regierenden Partei „Prawo i Sprawiedliwość“ (Recht und Gerechtigkeit – PiS), Lech Wałęsa weiterhin subtil diskreditiert, da konsequent auf die bestehenden Konflikte zwischen den beiden verwiesen wird. Das IPN nimmt seit Jahren eine zentrale Rolle als „Dekonstrukteur“ des ehemaligen Gewerkschaftsführers und Staatspräsidenten ein. Insbesondere die 2008 erschienene IPN-Publikation „SB a Lech Wałęsa. Przyczynek do biografii“ (Der Sicherheitsdienst und Lech Wałęsa. Beitrag zur Biografie) zielte darauf ab, die Verdienste der Opposition im Zuge der Transformation zu marginalisieren und sowohl die Person Wałęsas als auch die gesamte Solidarność-Bewegung und den Runden Tisch zu diskreditieren.[16] Im Februar 2016 aufgetauchte Geheimakten beweisen, dass sich der damals 27-Jährige unter dem Decknamen „Bolek“ zur Informationsbeschaffung von der Staatssicherheit verpflichten ließ. Im Rahmen der Diffamierungskampagne wird Wałęsa jedoch vorgeworfen, er hätte auch in seiner späteren Tätigkeit als Solidarność-Führer mit dem Geheimdienst kooperiert. Auch mit dieser Kampagne soll die Glaubwürdigkeit der demokratischen Oppositionsbewegung diskreditiert und aktuelle politische Entscheidungen legitimiert werden.[17] Der Fokus auf Anna Walentynowicz bietet sich daher an, um der omnipräsenten Figur Wałęsa eine in das nationalistische, konservative Nationalnarrativ passende Person gegenüberzustellen.

Das Beispiel Anna Walentynowicz zeigt darüber hinaus, dass das Hinzufügen einer „Frauengeschichte“ bzw. einer Frauenperspektive das nationale Meisternarrativ nicht in Frage stellt, sondern dieses im Fall der Solidarność-Rezeption sogar stützt und dabei die geschlechterspezifische Erinnerungskultur festigt.

 


[1] Łukasz Kaczanowski, Klaudia Olender, Mateusz Morawiecki w Lublinie. Premier wziął udział w obchodach 40-lecia Lubelskiego Lipca. Zobacz zdjęcia, in: Kurier Lubelski, 26.7.2020 (letzter Zugriff am 31.8.2020).

[2] Vgl. Paula Lange, Frauen der Solidarność. Die Marginalisierung weiblichen Widerstands während des Streiksommers 1980 in der polnischen Erinnerungskultur, in: Zeitgeschichte-online, August 2020.

[3] Vgl. Penn, Shana: Solidarity's Secret, Ann Arbor, MI 2005, S. 44.

[4] Wenn sowohl weibliche als auch männliche Personen sowie weitere Geschlechter gemeint sind, wird dies durch ein Gendersternchen angezeigt. Explizit weibliche oder männliche Personengruppen werden jedoch hier nicht gegendert, da dies zum einen eine euphemistische Verzerrung der historischen Geschlechterverhältnisse darstellt und entgegen dem Anliegen dieses Beitrags mehr verdecken als sichtbar machen würde.

[5] Vgl. Jarska, Natalia: Płeć Solidarności 1980-1981, in: Pamiec, 2013.

[6] Vgl. Penn: Solidarity's Secret, S. 57.

[7] Vgl. Kühn, Hartmut: Das Jahrzehnt der Solidarność. Die politische Geschichte Polens 1980-1990, Leipzig 1999, S. 29-31.

[8] Mehr Informationen hier (letzter Zugriff am 31.8.2020).

[9] Die Ausstellung kann man hier abrufen (letzter Zugriff am 31.8.2020).

[10] Die Infobroschüre ist hier erhältlich (letzter Zugriff am 31.8.2020).

[11] Detaillierter zum Mythos der „Matka Polka“ zwischen dem ausgehenden 18. Jahrhundert und dem beginnenden 20. Jahrhundert bei Pickhan, Gertrud: Frauenrollen, Geschlechterdifferenz und Nation-Building in der Geschichte Polens, in: Deutsches Polen-Institut (Hg.): Jahrbuch Polen, Wiesbaden 2006 und Kowalczyk, Izabela: Matka-polka contra Supermatka, in: Czas Kultury , Nr. 113(5), 2003.

[12]Vgl. Pickhan, Gertrud: Frauenrollen, Geschlechterdifferenz und Nation-Building in der Geschichte Polens, in: Deutsches Polen-Institut (Hg.): Jahrbuch Polen, Wiesbaden 2006, S. 7-17.

[13] Vgl. Kania, Eliza: Polska zdekolonizowana? „Pamięć o kobietach” i jej wymiary, in: Refleksje. Pismo naukowe studentów i doktorantów WNPiD UAM, Nr. 4, 2011, S. 52-53.

[14] Vgl. Zawadzka, Anna: Polityka mimikry. Polityka historyczna i feminizm w Polsce, in: Zadra. Pismo feministyczne, Nr. 1-2, 2017, S. 10.

[15] Ebd., S. 1.

[16] Vgl. Lau, Carola: Erinnerungsverwaltung, Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur nach 1989. Institute für nationales Gedenken im östlichen Europa im Vergleich (Kultur- und Sozialgeschichte Osteuropas, Bd. 6), Göttingen 2017.S. 263–267.

[17] Vgl. Peters, Florian: Patriotische Geschichtsschreibung im Staatsauftrag. Polens neue Rechtsregierung bricht mit der historischen Legitimation des Neuanfangs von 1989 (letzter Zugriff am 31.8.2020).