von Sina Speit, Jochen Voit

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3. November 2017

*Der hier dokumentierte Gedankenaustausch zwischen Gedenkstättenleiter Jochen Voit (Erfurt) und der Geschichts- und Politikwissenschaftlerin Sina Speit (Berlin/Erfurt) begann im November 2015 auf dem Transferworkshop „DDR-Geschichte vermitteln“ im Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Aus ihren dort gehaltenen Vorträgen entwickelten beide per Email einen komplett neuen Text in Form eines Zwiegesprächs. Zur Kenntlichmachung des dialogischen Verfahrens sind die Einlassungen der beiden in zwei unterschiedlichen Schriftarten abgedruckt.

Sina Speit: Orte und Einrichtungen, in denen DDR-Geschichte vermittelt wird, gibt es viele und in unterschiedlichen Formen. Als Absolventin des Masterstudiengangs Public History und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere und Zeitgeschichte und Geschichtsdidaktik (Universität Erfurt) habe ich zahlreiche dieser Institutionen kennengelernt. In diesen Gedenkstätten und Ausstellungshäusern spielen alltagsgeschichtliche Erzählungen oft eine große Rolle, Subjektivität wird groß geschrieben. Gerade Museen an sogenannten authentischen Orten fokussieren in ihrer Vermittlungsarbeit Einzelschicksale und binden Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in die Bildungsarbeit stark mit ein. Mitunter agieren sogar ehemalige politische Häftlinge oder Protagonisten der Friedlichen Revolution als Leiter der Gedenkstätten...

Jochen Voit: Das ist bei mir anders. Als ich 2012 die Leitung des Aufbaustabs der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße übernahm, hatte ich keinen lebensgeschichtlichen Bezug zu diesem Ort, dem ehemaligen Erfurter Stasi-Gefängnis. Und als „gelernter Wessi“ tauge ich auch schlecht zum Zeitzeugen, wenn es um DDR-Alltagsgeschichte geht. Mein Zugang ist der des Historikers, des Zeitzeugen-Interviewers und Ausstellungskurators. Die Stiftung Ettersberg, für die ich arbeite, widmet sich der vergleichenden Diktaturforschung in Europa. Wir beschäftigen uns in der Andreasstraße also nicht isoliert mit der SED-Diktatur, wenngleich wir hier mit unserer Dauerausstellung „HAFT | DIKTATUR | REVOLUTION – Thüringen 1949-1989“ starke Akzente gesetzt haben. Was den Einsatz von Zeitzeugen-Aussagen betrifft: Ja, sie gehören selbstverständlich dazu. Allerdings führen Zeitzeugen bei uns keine Besucher durchs Haus. Diese Form der direkten Konfrontation, die zur beiderseitigen emotionalen Überwältigung führen kann, lehnen wir ab.

Sina Speit: Damit unterscheidet sich Ihr Haus klar von anderen Erinnerungsorten zur SED-Diktatur, zum Beispiel von der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.[1] Das Konzept der „Andreasstraße“ verweist meines Erachtens auf eine wichtige erinnerungskulturelle Entwicklung, den Übergang vom kommunikativen ins kulturelle Gedächtnis.[2] Gerade in der Phase, in der viele Mitlebende noch Zeitzeugin oder Zeitzeuge der DDR sind, ist dies durchaus eine Gradwanderung. Ich habe es in den Gesprächen, die wir im Vorfeld des Workshops „DDR-Geschichte vermitteln“ und während dieses Austausches geführt haben, sowie während meiner Besuche in der „Andreasstraße“ so erlebt, dass Sie und Ihr Team klar Position beziehen. Doch wie sind nun Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in Ihr Vermittlungskonzept und in die Ausstellung eingebunden?

 

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Medienstation „Gesichter und Stimmen aus der Haft“ in der Haftetage. © Claus Bach, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

Medienstation „Gesichter und Stimmen aus der Haft“ mit kurzen Interview-Clips zum Haftalltag. © Claus Bach, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

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Jochen Voit: Vor allem durch Medienstationen. Sie bilden die Kristallisationskerne der meisten Räume. Auf Bildschirmen sind kurze Clips zum jeweiligen Thema abrufbar, sorgfältig ausgewählt aus mehreren hundert Stunden lebensgeschichtlicher Video-Interviews, die wir in der „Andreasstraße“ zumeist selbst geführt haben. Bild und Ton des Ausgangsmaterials sind von hoher Qualität. Das heißt, dass wir in HD drehen, professionell Licht setzen, mit Greenscreen-Technik arbeiten, gegebenenfalls auch Make-up benutzen, damit die Interviewten sich wohl fühlen und gut aussehen. Das ist wichtig, es geht schließlich um nachhaltige Sicherung der Zeitzeugenerzählungen. Anschließend ist kuratorisches Handwerk gefragt, im Grunde das, was Sheena Iyengar „The Art of Choosing“ nennt.[3] Bloß dass wir hier nicht mit klassischen Objekten, sondern mit Erinnerungsbruchstücken arbeiten. Doch auch im Fall von Video-Interviews gibt es archäologisch anmutende Momente: Das Erstellen der Clips gleicht mitunter der Suche nach einem bestimmten Objekt in einem Geröllfeld. Am Ende entstehen aus relativ kurzen Statements, kenntnisreich kontextualisiert, starke Exponate, die das Raumthema illustrieren, vertiefen oder in Frage stellen. Wem das nicht reicht und wer den direkten persönlichen Draht zu einem Zeitzeugen wünscht, dem bieten wir gerne ein von uns moderiertes Zeitzeugengespräch im Anschluss an eine unserer Führungen an. Aber ehemalige politische Häftlinge, die gewissermaßen live auftreten und der Schülergruppe zu Beginn erzählen: „So, jetzt zeige ich Euch erst mal meine Zelle!“, gehören nicht zu unserem Konzept. Im Übrigen kann, wer bei uns ein Zeitzeugengespräch bucht, zwischen verschiedenen Themenschwerpunkten wählen. Das heißt, es gibt nicht diesen Automatismus: Zeitzeuge = ehemaliger politischer Häftling. Sie können sich etwa auch für ein Gespräch mit einer Akteurin der Friedlichen Revolution entscheiden. Immerhin fand in der Andreasstraße am 4.12.1989 die erste Besetzung einer Stasi-Zentrale statt.

Überwältigungsverbot neu interpretiert

Sina Speit: Sie sprachen von „beiderseitiger emotionaler Überwältigung“; dieses Stichwort zielt auf den Beutelsbacher Konsens von 1976,[4] der zwar aus der Politikdidaktik stammt, aber auch für die Geschichtsdidaktik und Gedenkstättenarbeit wieder entdeckt und interpretiert wurde und auch aktuell diskutiert wird.[5] Spielt der Beutelsbacher Konsens eine Rolle für Ihre aktuelle Gedenkstättenarbeit?

Jochen Voit: Im Kino ist emotionale Überwältigung etwas Wunderbares. Ich habe mich zum Beispiel in „Gladiator“ von Ridley Scott sehr gerne überwältigen lassen. Aber eine historische Ausstellung kann und sollte keine derartig starke Illusionsmaschine sein wie das Kino. In der Bildungsarbeit berücksichtigen wir durchaus den Beutelsbacher Konsens und versuchen Situationen zu vermeiden, in denen das Publikum brutal geschockt und von seiner Emotion komplett mitgerissen wird. Allerdings interpretieren wir diese Vereinbarung in der Andreasstraße neu und denken sie weiter. Denn leider wurde in der Vergangenheit das Überwältigungsverbot gegentlich verwechselt mit einem Inszenierungsverbot. Es musste herhalten, um blutarme Ausstellungen und dröges didaktisches Begleitmaterial zu rechtfertigen. Da war dann vor allem Kreativität auf Seiten des pädagogischen Fachpersonals gefragt, dem die Aufgabe zukam, junge Leute angesichts textlastiger Räume und unantastbarer Vitrinen für das Ausstellungsthema zu begeistern, weil die Präsentation im Raum dies keinesfalls zu leisten im Stande war. Dass Vermittlung nicht erst losgeht, wenn die Ausstellung komplett steht, sondern dass die Ausstellungsgestaltung wesentlicher Teil der Vermittlung ist, diese Erkenntnis beginnt sich erst allmählich durchzusetzen. Kuratoren wie Daniel Tyradellis haben dazu Bemerkenswertes geschrieben, über die notwendige Verzahnung von Form und Inhalt und die Chancen, Risiken und Nebenwirkungen des Ausstellungsmachens. Tyradellis ist Philosoph, er plädiert für „szenographisches Denken“. Er ermuntert dazu, Räume neu zu denken und auszugestalten, Erzählungen zu ermöglichen und sinnliche Erlebnisse zu kreieren.[6] Damit schreibt er an gegen das alte Wissensdogma, den fatalen Drang nach Vollständigkeit und die daraus resultierende Tendenz, Ausstellungsräume vollzustopfen bis zum Geht-nicht-mehr und Themen nicht auf schöpferische, sondern auf ermüdende Art und Weise zu verhandeln. Ich halte es für erforderlich, kuratorische und gestalterische Ideen bei der Vorbereitung historischer Ausstellungen mindestens genauso ernst zu nehmen und zu berücksichtigen wie fachwissenschaftliche Belange. Exponate sprechen nur in den seltensten Fällen für sich selbst. Inszenierung ist wichtig! Nicht „überrumpeln“ wollen wir das Publikum, aber überraschen und faszinieren durchaus…

Sina Speit: Dies verweist nicht nur auf eine wichtige Debatte innerhalb der Geschichtsdidaktik, sondern offenbar auch auf ganz alltägliche Arbeits- und Vermittlungsprozesse in der Gedenkstättenarbeit: Wie erschafft man ein Erlebnis, wie überrascht man – so formulieren Sie es, ohne emotional zu überwältigen oder Klischees zu reproduzieren? Der Historiker Wolfgang Benz kritisierte, dass Ausstellungsorte zur DDR-Geschichte vor allem erlebnisbasierte Ausstellungskonzeptionen verfolgen, die das Fühlen, Schauen und Nach-Erleben in den Mittelpunkt stellen und Artefakte des DDR-Alltags in nostalgischer oder voyeuristischer Manier präsentieren.[7] Während die einen den Repressionsapparat, seine Struktur und Techniken, sowie die menschenrechtsverletzenden Praktiken der DDR-Staatsorgane und seine Mitarbeiter/innen aus Perspektive der Betroffenen und Widerständigen – und dies zumeist am authentischen Ort – fokussieren, heben die anderen auf gängige Klischees der breiteren DDR-Erinnerung ab, die sich von Mangelwirtschaft über Kultartikel bis zur Belauschung des Nachbarwohnzimmers erstrecken…

Geschichtsvermittlung in der Geisterbahn?

Jochen Voit: Merkwürdigerweise besteht ein großer Widerspruch zwischen dem behaupteten und dem tatsächlichen Erlebniswert derartiger Einrichtungen. Orte der Ostalgie wie das „DDR Museum Zeitreise“ in Radebeul oder die „Olle DDR Ausstellung“ in Apolda versprechen einen Unterhaltungsfaktor, den sie in der Realität selten haben – höchstens während der dort stattfindenden Betriebs- und Weihnachtsfeiern. Die Ausstellungen selbst sind in der Regel trostlose Zurschaustellungen alter Kinderspielsachen und sozialistischer Ikonen. Aber über solche Sammelsurien herzuziehen ist einfach. Viel schwieriger und interessanter ist es, ein kritisches Museum zum Thema DDR zu kreieren, das jüngere wie ältere Menschen als überraschend und spannend erleben und gerne wieder besuchen. Wir Kuratoren müssen uns schon etwas einfallen lassen, Geschichtsvermittlung erschöpft sich nicht im Ausstellen von Objekten. Hierin besteht übrigens auch das Manko des von Ihnen zitierten Aufsatzes von Wolfgang Benz. Er ist sehr kritisch, allerdings bleibt er Vorschläge schuldig, wie man Ausstellungen zur SED-Diktatur besser machen könnte als bisher.[8]

Sina Speit: Die Gedenkstätten zur SED-Diktatur sind Teil und Ergebnis der andauernden gesellschaftspolitischen und geschichtskulturellen Aushandlung darüber, welcher Teil der DDR-Geschichte an den jeweiligen Orten vermittelt werden kann – und welche Akteure daran beteiligt werden sollen. Martin Sabrow betont diesen Aspekt der Herstellung „kultureller Bedeutungsträger“,[9] die Erinnerungen und Geschichtsbilder in ihrer Materialität und Gestaltung fixieren. Hiermit geht meines Erachtens eine hohe Verantwortung der Beteiligten einher, was die Entscheidungen der Gedenkstättenleiter/innen und Ausstellungsmacher/innen über die Auswahl der Inhalte und Gestaltung ihrer Gedenkorte angeht: Sie haben maßgeblichen Einfluss darauf, auf welche Weise der Übergang der DDR-Erinnerung vom kommunikativen ins kulturelle Gedächtnis gestaltet wird, welche Themen, Orte und Räume „gesichert“, ausgestellt und zugänglich gemacht werden. Die „Andreasstraße“ in Erfurt geht diesen Weg bewusst mit dem Konzept, den authentischen Ort und die Zeitzeugenerinnerungen in das Arrangement eines modernen zeitgeschichtlichen Museums zu betten. So wurden die Etagen unterhalb der erhaltenen Haftzellen baulich neu strukturiert und gänzlich museal ausgestaltet. In ihnen werden die Themen Diktatur und Revolution behandelt. Alle Räumlichkeiten zeichnen sich durch ein modernes Designkonzept aus. Zudem betont die Andreasstraße mit ihrem Doppelnamen den Bildungsbegriff. Was steht dahinter?

Jochen Voit: Richtig glücklich bin ich mit dem sperrigen Namen nicht. Ich spreche meist schlicht von der „Andreasstraße“. Das hängt auch mit meiner eigenen Schulzeit zusammen als das Wort „Gedenkstätte“ Befürchtungen bei Lernenden wie Lehrenden weckte: vor Moralpredigten, verordneter Betroffenheit und Langeweile. Dass der Besuch einer Gedenkstätte auch Spaß machen kann und dass dies von den Machern des Ortes auch so gewollt ist, trifft oft auf Erstaunen. Gedenkstätten werden immer noch vor allem mit der NS-Geschichte verbunden, dafür stehen exemplarisch (im Westen) Dachau und (im Osten) Buchenwald. In der Zeit des Kalten Krieges war das Besichtigen von KZ-Gedenkstätten eine vielfach absolvierte Pflichtübung, die Schulklassen häufig emotionaler Überwältigung und ideologischem Erziehungsanspruch ausgesetzt hat. Heute stecken immer mehr Erinnerungsorte zur deutschen Diktaturgeschichte in spannenden Transformationsprozessen. Neue Perspektiven auf scheinbar altbekannte Themen und innovative Wege der Geschichtsvermittlung bahnen sich an. Zum Thema Nationalsozialismus hat sich an sogenannten authentischen Orten eine Mischform aus Gedenkstätte und Museum etabliert: das sogenannte Dokumentations- oder Dokuzentrum (z.B. in Nürnberg, Berlin und neuerdings auch in München). Was die museale Darstellung der DDR angeht, haben wir mit der „Andreasstraße“ gleichfalls einen Ausstellungstyp geschaffen, der stark auf Mittel der Popkultur setzt und einer zeitgemäßen Form von Gedenkstätte entspricht. Sie haben es erwähnt: Wir verstehen uns als ein modernes zeitgeschichtliches Museum am authentischen Ort. Modern heißt vor allem, dass wir die Vermittlungsebene von Anfang an einbeziehen. Das meint auch der zweite Teil des sperrigen Wortes „Gedenk- und Bildungsstätte“. Die Bildungsarbeit ist zentral. Gedenken allein hieße im Ritual erstarren. Die Vermittlungsebene steckt daher auch im Wort mit drin, und das lässt sich bei uns im Haus auf jeder Etage überprüfen und nachvollziehen. Was dort stattfindet, ist forschendes Lernen, interaktives Mäandern durch unterschiedliche Ausstellungsräume zu unterschiedlichen Themen. Unsere Dauerausstellung nimmt den authentischen Haftort zum Ausgangspunkt und steigt damit bewusst emotional ein. Ein thematischer Rundgang durch alte und neue Gebäudeteile führt Besucherinnen und Besucher von der Repression zur Revolution. Auch durch diese gleichberechtigte Darstellung der beiden scheinbar gegensätzlichen Themen grenzen wir uns bewusst von reinen Haft-Gedenkstätten ab. Dass es diese gibt, wie etwa in Berlin-Hohenschönhausen, ist wichtig und ermöglicht uns Freiräume. Ich sage manchmal: Wir sind eine verhältnismäßig gut gelaunte Gedenkstätte, weil es bei uns auch eine Alltagsdimension in der Ausstellung gibt. Aber deswegen bleibt das Gebäude, in dem die Ausstellung untergebracht ist, trotzdem ein altes Gefängnis. Und das ist nicht lustig. Vielleicht sollte man besser sagen: Wir sind ein DDR-Museum ohne Ostalgie. Wir zeigen, wie Gleichmacherei und Gängelung gewirkt haben, wie Bevormundung und Unterdrückung aussehen konnten. Und wie schnell es gehen konnte, dass jemand die Grenzen seiner Entfaltungsmöglichkeiten aufgezeigt bekam. Manchmal auf brutale und zynische Weise. Unser erklärtes Ziel ist es, dass Menschen, die etwas über die DDR wissen wollen oder ihren Kindern oder Enkeln erklären wollen, was die DDR war, keine Scheu haben, zu uns in die Andreasstraße zu kommen. Nicht jede Geschichte, die wir erzählen, handelt von Repression und Freiheitsentzug. Wer will, kann sich bei uns auch über die Improvisationskünste am Arbeitsplatz in Betrieben der Planwirtschaft informieren und amüsieren. Gleichzeitig handelt die „Andreasstraße“ von großen übergreifenden Fragen: Was ist Diktatur? Was ist Demokratie? Wie gehen Gesellschaften mit Minderheiten um? Wie gehen wir heute mit Minderheiten um? Wie viel eigene Meinung traue ich mir zu?

Vom Unterdrückungsort zum Ort der Geschichtsvermittlung

Sina Speit: Wie wichtig ist der dritte Teil des Namens „Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße“? Was hat es mit dieser Straße auf sich, funktioniert sie wie ein Synonym für historische Gegebenheiten?

Jochen Voit: Eine bittere Scherzfrage in Erfurt lautete früher: „Wie heißt die längste Straße der Stadt?“ Antwort: „Andreasstraße. Wer einmal hineingeht, kommt so schnell nicht wieder heraus.“ Gemeint war nicht der Verkehrsweg, der vom Domplatz aus nach Norden führt, sondern das Gefängnis in der Andreasstraße. Der Klinkerbau war ein gefürchteter Ort, besonders zu DDR-Zeiten. In der ersten und zweiten Etage inhaftierte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Tausende Menschen aus politischen Gründen. Direkt nebenan befand sich seit 1952 die Bezirksverwaltung der Staatssicherheit, sodass „Andreasstraße“ im Volksmund sowohl Gefängnis bedeuten konnte als auch „Stasi“ und „Stasi-Knast“. Doch „Andreasstraße“ steht nicht nur für Unterdrückung, sondern auch für Befreiung: Am 4. Dezember 1989 besetzten mutige Menschen hier erstmals eine MfS-Bezirksverwaltung. Damit retteten sie Beweismaterial für die Menschenrechtsverletzungen des MfS vor der Vernichtung. Sichergestellte Stasi-Akten lagerten sie in leere Gefängniszellen ein. Aus dem „Knast“ wurde so quasi über Nacht ein Archiv. Aus einem Ort der Unterdrückung wurde ein Ort der Aufarbeitung. Dies war ein Meilenstein der Friedlichen Revolution. So hat sich auch die Bedeutung des Wortes „Andreasstraße“ gewandelt. Der bittere Beigeschmack des Begriffs hat sich verflüchtigt.

Sina Speit: Die Haftetage bietet als intakte historische Räumlichkeit die größte Authentizität für den Erinnerungsort „Andreasstraße“. Die ergänzten Exponate werden sorgsam kommentiert, und auf die Vielschichtigkeit der Materialität wird hingewiesen: So befinden sich etwa Reste von Versiegelungen an den Türrahmen, die 1989 zur Sicherung der von den Besetzerinnen und Besetzern der Stasi-Zentrale Andreasstraße aufgefundenen Dokumente in den ehemaligen Haftzellen dienten. Auch darauf, dass die beispielhafte Einrichtung einiger Haftzellen aus Inventar unterschiedlicher Phasen der DDR-Internierungspraxis stammt, wird auf Ausstellungstafeln hingewiesen. Mit dem Fokus auf der Hafterfahrung und den Biografien der Betroffenen erfüllt die Ausstellung jedoch auch, was man von einer „üblichen“ Gedenkstätte erwarten darf; die Besucherin fühlt sich bedrückt von den niedrigen Decken im Gang, die Räumlichkeit ist mit allen Sinnen erfahrbar.[10] Es gehört zum spannungsvollen Angebot der Andreasstraße, dass sich dieses nicht auf den Besuch der Haftetage beschränkt, sondern diese als wichtigstes Exponat der Ausstellung an den Anfang des Rundgangs stellt.
Ich möchte Ihnen noch in einem Punkt widersprechen, den Sie oben angemerkt haben; meiner Wahrnehmung nach haben Gedenkstätten längst den Mantel der Beklemmung und Zwangsaufklärung abgelegt. Nicht nur die relativ junge „Andreasstraße“ bietet eine moderne Geschichtsvermittlung, die authentische Orte mit musealen Elementen und einem anspruchsvollen didaktischen Programm verbindet, sondern auch zahlreiche andere Institutionen in der deutschen Gedenkstättenlandschaft. Davon abgesehen bieten historische Orte allein schon durch die Tatsache, dass sie „außerhalb des bekannten Schulalltags liegen (…), Motivationspotential“[11]. Ein weiterer Faktor ist meines Erachtens nicht nur die Vermittlung von Authentizität und Historizität[12], sondern die Fremdheitserfahrung, die Besucherinnen und Besucher mit dem räumlichen Erleben von Orten der Repression und Gewalt wie Häftlingszellen machen, die sie zum allergrößten Teil wohl nicht aus ihrer eigenen Erfahrung kennen. Besonders bei Jugendlichen, die Sie als Ihre Zielgruppe ansprechen, mag dies Faszination, Neugier und Irritation hervorrufen. Diese Empfindungen können als Impulsgeber für forschendes Lernen genutzt werden. Spurensuche im Raum, selbstständiges Fragen und sinnliche Erfahrung sind hier Stichworte.[13] Es steht den Besucherinnen und Besuchern frei, welche Aspekte und Perspektiven sie sich in dieser Etage aneignen wollen und welche Begleitmaterialien, von den Ausstellungstafeln und Multimediaangeboten bis zum Audioguide, sie zur Kontextualisierung nutzen wollen.

 

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Blick auf den Alltag: Hier ist ein Blick in die Etage „Diktatur“. Auf dieser Etage befand sich die Frauenhaftetage des MfS. © Claus Bach, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

Blick in die Etage „Diktatur“. Am Ende ein Foto von Barbara Klemm aus dem Jahr 1974 von den Arbeiterfestspielen in Erfurt. © Claus Bach, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

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Jochen Voit: Wir haben uns bemüht, so behutsam wie möglich mit diesem weitgehend erhaltenen Zellentrakt umzugehen. Auf Beschriftungen an Wänden und dergleichen haben wir etwa bewusst verzichtet. Gleichzeitig wollten wir so viel Inszenierung wie nötig zulassen und verwirklichen, zum Teil gegen große Widerstände sowohl von Zeitzeugen als auch von Wissenschaftlern. Ein Kollege warnte: „Machen Sie aus dem Haus bloß kein Disneyland!“ Dabei ging es mir in diesem Moment nur darum, das von Ihnen erwähnte Inventar, also in erster Linie Betten auszuleihen und in eine der vielen leeren Zellen zu stellen, um für etwas mehr Anschaulichkeit zu sorgen. Denn wir hatten keinerlei Originalmobiliar mehr. Das sind natürlich Debatten, die man an vielen historischen Orten auf der Welt führt: Wie „echt“ ist das Ganze noch, wenn wir anfangen Sachen aufzustellen, die aus anderen Orten stammen? Ich glaube, dass wir gut daran tun, auf Schaufensterpuppen und sonstige Deko zu verzichten. Aber es darf kein Tabu sein, der Phantasie des Publikums mittels minimaler Eingriffe nachzuhelfen. Entscheidend ist, dass man erklärt, wo die Dinge herkommen. Intelligente Arten der Inszenierung haben nichts mit Disneyland zu tun.

Sina Speit: Ihr Ausstellungstitel HAFT / DIKTATUR / REVOLUTION bezeichnet zugleich die drei Stockwerke und ist somit auch eine Art Wegeleitsystem der Gedenkstätte. Denn der Rundgang durch die Ausstellung beginnt ganz oben in der Haftetage und führt durch das erste Obergeschoss, in dem Kontextwissen über die SED-Diktatur vermittelt wird, nach unten ins Erdgeschoss, wo es um die Überwindung der Diktatur geht. Der Weg führt gewissermaßen von der Repression zur Revolution.

Jochen Voit: Das ist die Idee unserer Ausstellung. Dahinter steht auch die didaktische Erfahrung, dass es wenig hilfreich ist, einen Ort des Schreckens vorzuführen, also in diesem Fall: die Zellen, und dann die Schulklasse, die uns besucht, mit diesem Eindruck nach Hause zu schicken. Wir wollten den positiven Aspekt des Hauses ans Ende stellen: die Stasi-Besetzung am 4.12.1989 und die Nachricht, dass Zivilcourage zur Überwindung der Diktatur beigetragen hat. Diesem Thema widmet sich auch das Comic-Kunstwerk auf der Fassade unseres Veranstaltungsraums. Dieser moderne Anbau aus Glas und Beton ist das Wahrzeichen der Gedenkstätte: ein schwarz-verspiegelter Kubus der Friedlichen Revolution. Er bildet den Gegenpol zum Gefängnisbau aus dem 19. Jahrhundert und erinnert an die umwälzenden Ereignisse vom Herbst 1989 im Stil einer Graphic Novel. Der Zeichner Simon Schwartz hat hier ein starkes Kunstwerk auf der Basis einer Collage aus zahlreichen Originalfotos geschaffen, das gleichzeitig als Instrument der Bildungsarbeit funktioniert und als Symbol der positiven Umwidmung der „Andreasstraße“. Der Kubus steht gewissermaßen für die Transformation des Areals vom Unterdrückungsort zu einem Ort der Geschichtsvermittlung und Kultur.

 

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Zu sehen ist der Kubus der Friedlichen Revolution mit seiner Comic-Fassade. © Josephine Kreutzer, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

Ort der Unterdrückung und Befreiung: links das ehemalige Hafthaus, rechts der Kubus der Friedlichen Revolution mit seiner Comic-Fassade. © Josephine Kreutzer, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

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Sina Speit: Trotzdem steht doch eine Gedenkstätte vor allem für die Opfer von Gewalt und Repression. Ich empfinde das als eine Gratwanderung zwischen der Aufgabe und Genese von Gedenkstätten und dem Trend, diese zu modernen Museen auszubauen.[14] Sie lösen dies durch zahlreiche Verweise auf die ehemaligen Inhaftierten innerhalb der Ausstellung, fokussiert in der Haftetage, aber auch in den anderen Ausstellungsräumen.

Jochen Voit: Ja, das ist wesentlicher Bestandteil dessen, was ich „Konzept Andreasstraße“ nenne: Die bereits erwähnten Clips mit Aussagen von Zeitzeugen behandeln wir kuratorisch wie Exponate. Sie sind der Schlüssel zum Verständnis unserer Themen. In den Ausstellungsräumen fungieren zahlreiche Medienstationen als Scharniere zum historischen Ort. Hier sprechen Zeitzeugen, die biografische Berührungspunkte mit der „Andreasstraße“ haben. Es geht vorrangig um diejenigen, die Widerstand geleistet haben, die etwas riskiert und womöglich dafür Haftstrafen verbüßen mussten. Wiederfinden sollen sich aber auch diejenigen, die Glück hatten und zu den 99 Prozent der DDR-Bevölkerung zählten, die nicht inhaftiert waren. Es gibt zahlreiche alltagsgeschichtliche Momente in der Ausstellung, die dazu beitragen, dass auch Besucher ins Grübeln kommen, die gern über die DDR sagen: „Es war nicht alles schlecht.“
Inhaltlich haben wir die Zeitzeugenaussagen klar den Etagenthemen zugeordnet. So erschließt sich eine nachvollziehbare Struktur während des Rundgangs durchs Haus
. Die Zeitzeugen, die Ihnen zuerst im 2. OG, also in der HAFT-Etage, per Videoprojektion etwas über die Haftbedingungen und das Haftregime erzählt haben, begegnen Ihnen im 1. OG, wo es um die SED-Diktatur geht, auf verschiedenen Medienstationen wieder. Doch nun berichten sie nicht vom traurigen Dasein in der Zelle, sondern wie es dazu kam, dass sie überhaupt in Haft gerieten. Es geht darum, warum sie in Konflikt mit der SED-Diktatur gekommen sind. Diese kontextualisierende DIKTATUR-Etage ist sowohl für die erwähnte DDR-Bevölkerungsmehrheit zum Andocken wichtig als auch für die jüngeren Ausstellungsbesucher, für die das Thema DDR manchmal so weit weg zu sein scheint wie das alte Rom. Das ist der Aspekt, den ich mit Alltagsdimension beschrieben habe. Diese Transferleistung unserer Besucher, dieses Sich-Einlassen auf Erzählungen, die außerhalb der Gefängnismauern angesiedelt sind, versuchen wir auf dem Weg von oben nach unten, also von der HAFT- zur DIKTATUR-Etage zu unterstützen, indem wir sowohl baulich als auch grafisch deutlich anders daherkommen und der wuchtigen Gefängnisarchitektur unerwartete, ästhetisch individuelle Räume abtrotzen.

Wie stylish darf ein Erinnerungsort sein?

Sina Speit: Für mich als Besucherin ist der Wechsel von Etage 3 (Haft) zu 2 (Diktatur) nicht ganz einfach, denn die Anforderungen an die Rezeptionsleistung sind hier andere: In der oberen Etage steht die Wahrnehmung der authentischen ehemaligen Haftzellen und ihre Kontextualisierung durch Quellen zu den Schicksalen der Inhaftierten im Vordergrund. Zwar ist auch die Haftetage ästhetisch in das Ausstellungsdesign eingebettet, die Räume sind teilweise über- oder verformt, und Elemente der Ausstellung sind in die Hafträume integriert. Ab Etage 2 sind die Räume jedoch gänzlich neu und modern ausgebaut, es dominieren starke Farben und großflächige Grafiken. Auch inhaltlich wird das Gefängnis verlassen, es wird abstrakter, es geht um Strukturen der DDR-Staatsorgane, um Themen der DDR-Gesellschaft wie Überwachung/MfS, Ideologie, Wirtschaft, Kultur und Alltag. Dabei durchziehen bunte, großflächige Gestaltungselemente die Ausstellungsräume, die meines Erachtens weniger zum Entdecken und Spurenlesen einladen als die Gestaltung der Haftetage, sondern wie ein abgeschlossenes Gesamtkunstwerk betrachtet werden können. Inwieweit transportiert dieses Design- und Raumkonzept eine Botschaft – oder ist sie gestalterischer Selbstzweck?

 

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Prolograum zur Diktaturetage, hier wird gezeigt, dass die SED alle Fäden in der Hand hatte. © Claus Bach, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

Prolograum zur 2. Etage mit grafischer Darstellung der SED-Diktatur. © Claus Bach, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

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Jochen Voit: Braucht ein ehemaliger Stasi-Knast lebensgroße Comicmenschen als Kontrast? Darf man Freihofzellen mit Zaunmatten aus Metall nachbilden? Passen farbenfrohe Ausstellungswände in einen ehemaligen Hochsicherheitstrakt? Das sind berechtigte Fragen. Die Stiftung Ettersberg hat darauf dreimal mit „Ja“ geantwortet. Als Bildungseinrichtung und außerschulischer Lernort richtet sich die Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße vor allem an die jüngere Generation. Aber nicht nur für Jugendliche gilt es, der düsteren Aura des Hafthauses starke visuelle Reize entgegenzusetzen, um die Widersprüchlichkeit des Erinnerungsortes zu veranschaulichen. Die „Andreasstraße“ handelt von zwei scheinbar gegensätzlichen Themen: Unterdrückung und Befreiung. Der Ort erinnert sowohl an die politischen Häftlinge der SED-Diktatur als auch an die Friedliche Revolution 1989. Diese Bipolarität ist der Schlüssel zum Verständnis der „Andreasstraße“.

Sina Speit: Die konsequente grafisch-ästhetische Linie, die räumlich dichtgedrängte Komposition und sinnliche Vereinnahmung durch große plakative Grafiken und in sich abgeschlossene Themen- und Raumkomplexe könnten auch dem Eindruck Vorschub leisten, hier würde im schmalen Umfang ein komplettes Bild der DDR-Geschichte gezeichnet. Die Abhandlung „typischer“ DDR-Themen wird hier zuverlässig erfüllt; zeitlicher Schwerpunkt ist zudem überwiegend die spätere DDR (nach dem Mauerbau), die zumeist in zeithistorischen Ausstellungen repräsentiert wird.

Jochen Voit: Die DDR komplett zu erklären – das können und wollen wir nicht leisten. Unser Fokus richtet sich auf Thüringen. Was die konsequente ästhetische Linie betrifft, sind wir uns dieser Besonderheit und der damit einhergehenden Problematik durchaus bewusst. Da gab und gibt es natürlich auch Kritik. Kurz nach der Eröffnung der Gedenkstätte fasste ein offenbar irritierter Besucher seine Eindrücke mit dem schönen Satz zusammen: „Glückwunsch zum Designer-Knast!“ Die glatten Oberflächen der neuen Materialien, das schicke Foyer – all dies war auch für manchen Zeitzeugen erst gewöhnungsbedürftig. Klassische ausschließlich auf Repression fokussierende Haftgedenkstätten gibt es aber weiterhin, insofern finde ich es gut, dass wir die Möglichkeit hatten, ein anderes stylishes Konzept zu verwirklichen. Sicher hätte ich mir auch ein schlichteres Foyer mit einem kleineren und weniger einschüchternden Tresen vorstellen können. Was mich sehr gefreut hat, dass ein Rezensent kürzlich unserer Dauerausstellung „HAFT | DIKTATUR | REVOLUTION: Thüringen 1949-1989“ und unserem Haus generell eine „unverwechselbare, unangestrengte Note“ attestierte, er befand, „dass die Erfurter Andreasstraße einen frischen Ton in die Gedenkstättengestaltung eingebracht hat – der sogar international zu überzeugen vermag“[15]. Er spielte damit auf den Preis der britischen Reisejournalisten an, mit dem die „Andreasstraße“ 2014 ausgezeichnet wurde. Das war eine große Ehre für uns. Gerade angelsächsische Gäste sind ein überaus anspruchsvolles Publikum, und es ist uns nicht erst seit dieser Auszeichnung bewusst, dass wir, allein schon durch unsere Lage direkt am Domplatz im malerischen Erfurt, auch eine touristische Seite unserer Vermittlungsarbeit berücksichtigen müssen. Insofern haben Sie schon Recht: Bestimmten Gästen gerade aus dem Ausland erklären wir schlicht „the GDR“.

Sina Speit: Ein weiteres Problem der Darstellung einer „Gesamtgeschichte“ der DDR an den ehemaligen Haftorten ist ihre doppelte Vergangenheit z.B. als nationalsozialistische Haft- und Internierungsorte und ihre Nutzung als sowjetische Speziallager. Dies stellt für die Gedenkkultur ein praktisches und politisches Problem dar. Wie ist das in der „Andreasstraße“?

Jochen Voit: Wir eröffnen dieses Jahr einen neuen Ausstellungsbereich im Untergeschoss, der sich mit der etwas weiter zurückliegenden Hausgeschichte befasst. Der Titel dieses neuen Moduls lautet: „Gefangen unter Hitler – Politische Häftlinge im Erfurter Gefängnis 1933-1945“. Wir orientieren uns hier an der bahnbrechenden Untersuchung von Nikolaus Wachsmann über Justizterror und Strafvollzug im Nationalsozialismus.[16] Wer eine abweichende politische Meinung vertrat, wer als „fremdvölkisch“ oder homosexuell galt, konnte inhaftiert werden: auch in normalen Gefängnissen wie dem Erfurter Gerichtsgefängnis. Allein hier landeten Hunderte Frauen und Männer, nur weil sie dem Weltbild der Nazis nicht entsprachen. Wir porträtieren in unserer Ausstellung ausgewählte Häftlinge, aber auch Wachpersonal, den Anstaltsleiter und den Anstaltsarzt, der Menschen zwangssterilisieren ließ. Diese Erweiterung unseres Blickwinkels war dringend nötig. Damit holen wir uns gewissermaßen den Diktaturenvergleich ins Haus. Das finde ich äußerst reizvoll, und für diese spezielle Kompetenz steht die Stiftung Ettersberg. Aktuell entwickeln wir im Zusammenspiel mit Studierenden der Universität Erfurt pädagogisches Material für diesen neuen Aspekt der „Andreasstraße“. Aber unsere Hausgeschichte ist damit längst nicht umfassend erforscht. Wir haben noch viele Lücken, gerade was die Situation zu DDR-Zeiten angeht, als die Volkspolizei mit dem Ministerium für Staatssicherheit hier unter einem Dach residierte. Denn die sogenannten kriminellen Häftlinge, die im Erdgeschoss bei der Volkspolizei inhaftiert waren, sind keineswegs alle kriminell gewesen. Ich denke vor allem an die Zeugen Jehovas. Sie saßen in der Regel ein, weil sie sich dem Militärdienst verweigert hatten. Das ist für mich ein klar politischer Haftgrund. Hier gibt es noch viele Geschichten auf- und nachzuzeichnen.

Partizipation, Teilhabe und Lebensweltbezug

Sina Speit: Mir gefällt vor allem das methodisch diverse Angebot des historischen Lernens in der Dauerausstellung. Zum Beispiel kann man entdecken, dass in einem Raum ein schemenhaftes Stalin-Bild an der Decke „schwebt“, das in seiner räumlichen Anordnung zur Interpretation einlädt – man könnte diskutieren, ob Stalin hier als repressiver Drakon, väterlicher Beschützer oder personifizierter ideologischer Fluchtpunkt wahrgenommen wird.
In dem Raum zur bildenden Kunst verbergen sich staatlich nicht gewollte Kunstwerke hinter Filz-Lamellen, die man nur durch veränderte Blickachsen als Ganzes erfassen kann oder indem man den „ideologischen Vorhang“ beiseite schiebt. Dieses Aktionskonzept erfordert natürlich einen hohen Grad an Imaginations- und Orientierungsleistung, und ich frage mich, ob dies von Einzel-Besucherinnen und -Besuchern so überhaupt reflektiert und genutzt werden kann. Impulse und Reizpunkte für Diskussionen, Entdecken und Fragenstellen bietet das Ausstellungskonzept in hoher Zahl.

 

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Vorrangig widmet sich der Raum dem Stalinkult, der auch in der DDR verbreitet war. In der Vitrine ist eine Büste des Arbeiterführers Ernst Thälmann zu sehen, der nach seinem Tod in Buchenwald zur „Ikone“ der kommunistischen Bewegung stilisiert wurde.  © Claus Bach, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

Raum „Propaganda und Personenkult“ mit Thälmann-Büste aus dem Arbeitszimmer des Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck.  © Claus Bach, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

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Jochen Voit: Der Raum mit den roten Filz-Streifen, auf den Sie anspielen, heißt „Politische Kunst“. Und er präsentiert vordergründig sozialistische Maler wie Willi Sitte und Walter Womacka mit monumentalen und pathetischen Wand- und Ölbildern, während im Hintergrund, quasi versteckt hinter den Lamellen, die nonkonforme Kunst der Erfurter Ateliergemeinschaft ein Schattendasein fristet und Gabriele Stötzer mit ihren punkigen Fotocollagen lauert. Wer den Raum betritt, kann die Lamellen zur Seite schieben und sich so den Blick auf die unangepasste Kunst erarbeiten. Die offiziell geforderte und geförderte Malerei springt einen ohnehin direkt an, da muss man selbst gar nichts dafür tun...

Sina Speit: Was man in der „Andreasstraße“ vergeblich sucht ist ein alltagshistorischer (n)ostalgischer DDR-Wohnzimmer-Voyeurismus, für den andere DDR-Ausstellungen ja oft kritisiert werden.[17] Dafür bietet die „Andreasstraße“ andere Elemente der Partizipation und der Aktion: Statt dass jede/r mal auf dem DDR-Sofa sitzen darf, soll jede/r sich äußern: Die Besucherinnen und Besucher sind aufgefordert, ihre Gedanken und Erfahrungen zur DDR, die sie auf Handteller-große grüne Zettel schreiben und an die Wand im Raum „Alltag“ kleben können, Teil der Ausstellung werden zu lassen. Hier ist Platz für Diversität, „meine Kindheit war schön in der DDR“ darf neben „nie wieder!“ stehen, teilweise kommentieren die Beiträge einander. Subjektivität ist erlaubt, alles zusammen ergibt ein multiperspektivisches Mosaik, das jeden Betrachtenden dazu herausfordert, sich darin zu orientieren. Die Konstruktivität von Erinnerung und die Gestaltung eines solchen Ortes werden auch draußen am Kubus ersichtlich. Hier sind die Bildvorlagen für die großformatige Collage im Comicstil ausgestellt. Man erfährt, dies sind Originalfotografien von unterschiedlichen Zeiten und Orten, sie werden in die Collage auf dem Kubus in ein neues Medium transferiert und in einen narrativen Zusammenhang gestellt. Auch in den anderen vielfältigen Angeboten der Museumspädagogik wird die Machart der Ausstellung transparenter; denn wenn Schülerinnen und Schüler selbst einen Comic zeichnen können und dabei biografische Informationen zu Narrationen verdichten, dann wird ihnen – hoffentlich! – auch deutlich, wie Ausstellungsmachen funktioniert.[18]

Jochen Voit: Ich liebe Comics! Und ich finde, dass wir in Deutschland, etwa im Vergleich zu Frankreich, immer noch Nachholbedarf haben, was dieses Thema betrifft. Zwar haben wir uns, auch in den Schulen, mittlerweile darauf geeinigt, dass Comics nicht böse und volksverderbend sind. Aber von echter Wertschätzung für das Medium kann keine Rede sein. Hierzulande dominieren immer noch lustige Tiere und Knollnasen die Wahrnehmung und den Markt. Klar, wir erkennen an, dass auch gesellschaftlich relevante Themen in Bildergeschichten verhandelt werden können, erwähnen dann „Maus“ und „Persepolis“, aber hierbei handelt es sich um die berühmten Ausnahmen von der Regel. Sehen Sie sich die Verkaufszahlen aktueller Graphic Novels an! Die wunderbaren Werke junger talentierter Comicerzähler fristen ein Nischendasein. Ich möchte gerne daran mitarbeiten, dass die Situation sich ändert. Als Autor, Ausstellungsmacher und Geschichtsvermittler habe ich festgestellt: Das Medium Comic ist eine großartige Hilfe beim Verdichten komplexer Zusammenhänge. Dieses Vereinfachen, ohne zu Verdummen, ist in der Bildungsarbeit essenziell. Dabei spielen auch ästhetische Fragen eine große Rolle. Ein Comic, dem man seinen Bildungsauftrag ansieht, taugt wenig. Auch erzählerisches Handwerk ist vonnöten, was neudeutsch „Storytelling“ heißt.[19] Wir haben das in der „Andreasstraße „am Beispiel biografischer Kurzgeschichten durchgespielt, etwa in dem Raum „Sag mir, wo du stehst!“ Hier geht es um gezeichnete Lebenswege in der DDR zwischen Anpassung und Individualität. Comics werden bei uns aber nicht bloß betrachtet und gelesen, sondern auch selbst hergestellt. Wir führen Comic-Workshops mit Jugendlichen durch, in denen sie sich zeichnerisch und erzählerisch mit den Themen Freiheit und Grenzen auseinandersetzen.

 

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Die Comics fragen: Welchen Weg hättest du gewählt? Hättest du dich angepasst oder wärst deinem individuellen Weg gefolgt. In den Comics sind Geschichten von Zeitzeugen verarbeitet worden, aus allen Lebensbereichen. Sie erzählen von Flucht, von Wehrdienstverweigerung, von Kunst vs. nonkonformer Kunst, aber auch von alltäglichen Fragen etwa Schwierigkeiten in der Produktion oder Eintritt in die SED für die Karriere. © Claus Bach, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

Partizipativer Comic-Raum „Lebenswege zwischen Anpassung und Individualität“ mit Geschichten, die Entscheidungen  unter dem Motto „Sag mir, wo du stehst!“ erfordern. © Claus Bach, Stiftung Ettersberg/Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

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Sina Speit: Die pädagogische Arbeit mit Schülerinnen und Schülern kann darüber hinaus leisten, was eine Ausstellung nicht an jeder Stelle kann; sie kann  einen Zusammenhang zur Lebenswelt der jungen Besucherinnen und Besucher herstellen und zum intergenerationellen Gespräch auffordern. Das konnte ich während einer halbtägigen Hospitation in der „Andreasstraße“ erfahren. Vor allem bei mehrtägigen Projekten können Schülerinnen und Schüler ihre Lebensgeschichte mit der der Gedenkstätte verbinden. Eine Aufgabe war zum Beispiel, Alltagsgegenstände aus dem eigenen Haushalt, die noch aus der DDR stammen, mit in die Gedenkstätte zu bringen. Hier kommen kommunikative und kulturelle Gedächtnis-Praktiken zusammen. Im Abstand zum Gedenkstättenbesuch mag es vielleicht eine Rückkopplung in die Familiengedächtnisse geben. In familiären Erzählungen können junge Menschen noch mehr Perspektiven auf die DDR-Vergangenheit erfahren. Befürchten Sie nicht, dass die Familiengedächtnisse mit Ihrem modernen Museum kaum Schnittstellen aufweisen? Gibt es diesbezüglich Rückmeldungen zu Ihrem Ausstellungskonzept?

Jochen Voit: Es gibt schon Schnittmengen, das wird deutlich, wenn Jugendliche sagen: „Das kenn ich von meiner Tante, bei der war das auch so.“ Aber es gibt auch Gegensätze, und das ist gut so. Wir wollen gerade Jugendlichen auch das eine oder andere Argument mitgeben, damit sie sich auf der nächsten Familienfeier, wenn der Ostalgie-Talk wieder losgeht, vielleicht mal trauen, etwas Ketzerisches dazwischenzuwerfen. Was das Thema Vielfalt betrifft: Wir praktizieren interkulturelle Bildung sowohl als pädagogische Arbeit als auch als Kulturarbeit. Unser Konzert „Wie klingt Heimat?“ im Jahr 2016 mit Einheimischen und Geflüchteten war der Auftakt für verschiedene Aktivitäten auf diesem Gebiet. 

Ende gut, alles gut - Wiedervereinigung als Happy End?

Sina Speit: Abschließend noch mal zum vermeintlichen Happy End Ihrer Ausstellung: Die Erzählrichtung Ihrer Ausstellung richtet sich auf die – erfolgreiche – „Friedliche Revolution“. Der Rundgang endet mit diesem Thema, das auch die Fassade des modernen Anbaus ziert. Ist die Revolution der Schlussstein der Erzählung und gliedert sie sich der historischen Narration der deutschen Freiheits- und Einheitsbewegungen seit 1848 an – oder überwölbt sie diese konzeptuell? [20]

Jochen Voit: Spielen Sie auf das revolutionäre Fassadenbild auf dem Kubus an? Das versteht man vielleicht besser, wenn man den Entstehungshintergrund berücksichtigt: Beim Umbau der Gedenkstätte 2012 lautete eine Frage: Was kommt auf die Fassade des schwarz-verspiegelten Anbaus? Im Gespräch waren Zitate ehemaliger Häftlinge. Es drohte ein sakral anmutender Block der Betroffenheit zu entstehen. Wir sprachen uns dagegen aus. Wir wollten den zweiten, den positiven Aspekt der „Andreasstraße“ hervorheben und entwickelten gemeinsam mit der Potsdamer Agentur freybeuter das Konzept vom bebilderten „Kubus der Friedlichen Revolution“. Architekt, Bauleute, Zeitzeugenverbände und Kultusministerium ließen sich schließlich von der Idee einer künstlerischen Gestaltung im Stil einer Graphic Novel überzeugen. Als Zeichner gewann ich den preisgekrönten Comic-Künstler Simon Schwartz. Der gebürtige Erfurter reiste als Zweijähriger mit seinen Eltern in den Westen aus. Heute lebt er in Hamburg. Auf der Basis zahlreicher Originalfotos vom Herbst 1989, die freybeuter zu einer Collage verarbeitete, zeichnete Schwartz innerhalb von zwei Monaten mit Tusche ein knapp 10 Meter langes Originalbild. Die gescannte Zeichnung wurde digital bearbeitet, zerlegt und vergrößert und in einem aufwändigen Druckverfahren auf 179 Glasplatten aufgetragen. Im Herbst 2012 erfolgte die Montage. Und erst ein Jahr später haben wir die Dauerausstellung eröffnet. Das heißt: In der Zwischenzeit haben wir das leere Haus bespielt und das Fassadenbild als erzählerischen Gegenpol zur Haftetage etabliert. Der Kubus mit seinem knapp 40 Meter langen und 7,5 Meter hohen Fassadenbild „Herbst 1989 in Thüringen“ ist heute das Wahrzeichen der „Andreasstraße“. Das Wimmelbild von Simon Schwartz dient als zentrales Element der Bildungsarbeit - und ist zugleich ein unheroisches, heiteres und facettenreiches Denkmal. Dabei ist der „Kubus der Friedlichen Revolution“ eigentlich ein Gebrauchsgegenstand. In seinem Innern finden Lesungen, Comic-Workshops und Konzerte, Filmvorführungen und Gespräche statt.

Sina Speit: Das ergibt eine interessante Vielfalt. Eine Gedenkstätte kann nicht stehenbleiben, das zeigt die Andreasstraße – und hier wird abermals der Titel der Bildungsstätte wichtig: Sie nimmt sich mehrerer gesellschaftlicher und erinnerungskultureller Aufgaben an. Sie ist auch mit ihrer Präsenz und Räumlichkeit direkt neben dem Erfurter Domplatz ein Ausrufezeichen, das für moderne Geschichtsvermittlung und Erinnerung an Unrecht und Revolution steht. Innerhalb des „Kubus der Friedlichen Revolution“ wird Kultur ausgetauscht und auch darüber diskutiert, was der auf ihm prangende Ausspruch „Wir sind das Volk“ heute bedeutet, und wer diesen politisch vereinnahmt.
Ich frage mich aber auch: Muss von allen Besucherinnen und Besuchern der Gedankensprung zwischen Kubus und AfD-Demonstrationen auf dem Domplatz gemacht werden? Muss dieser vom Gedenkstättenpersonal explizit hergestellt werden? Ist eine Gedenk- und Bildungsstätte ein Ort des Erinnerns, Mahnens, Gedenkens, der Demokratieerziehung oder der Vermittlung historischer Fakten und Zusammenhänge?

Jochen Voit: Die „Andreasstraße“ ist zuallererst ein Ort, der für das Thema Politische Haft sensibilisieren will. Wir würdigen hier vor allem die Menschen, die aus politischen Gründen eingesperrt wurden, und diejenigen, die für Freiheit demonstriert haben. Die Botschaft der „Andreasstraße“ lautet aber auch, dass wir heute genau hinsehen müssen, wie wir in unserer Gesellschaft mit Minderheiten umgehen. Wir möchten aber weniger mahnen als ermutigen. Die „Andreasstraße“ zeigt, dass Zivilcourage helfen kann, die Diktatur zu überwinden, und dass es sich lohnt, für Demokratie zu streiten

Sina Speit: Mein Fazit aus unserem Austausch ist folgendes: Die Ausstellungsmacher/innen der Andreasstraße waren sich stets bewusst, dass sie keine Mahnstätte gestalten wollen, sondern eine zeithistorische Ausstellung mit Exponaten, zu der die Haftetage sowie die Zeitzeugenberichte ebenso dazu gehören wie Gegenstände des Alltags, die bewusst in Vitrinen und nicht „zum Anfassen“ präsentiert werden. Die Konzeption der 2013 eröffneten Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße markiert den Übergang der DDR-Erinnerung in das kulturelle Gedächtnis. Sie ist dabei Ausdruck aktueller erinnerungskultureller Agenden, die Multiperspektivität und inhaltliche Breite mit ansprechender Gestaltung und Interaktionskonzepten in Kombination setzen. Gleichzeitig befindet sie sich in einem spannungsvollen Feld, in dem ausgehandelt wird, wer an der Gedächtnisspeicherung und ästhetischen Kultivierung der DDR-Erinnerung teilnimmt. Das läuft auch in Erfurt nicht konfliktfrei ab, aber mit einem klaren Statement seitens der Gedenkstättenleitung.

 

[1] Kritisch hierzu Marion Neiss: Historisches Lernen durch Emotionen? Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Eindrücke, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 12/2011, S. 1025–1032.
[2] Zur Aufgabe der DDR-Gedenkstätten, die Erinnerungen von Zeitzeugen zu sichern und in ein „langfristiges kulturelles Gedächtnis“ zu verwandeln, vgl. Aleida Assmann: Die Re-Europäisierung der Erinnerung an die DDR. Die Erinnerung an die DDR – ein deutscher Sonderweg? In: Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur/ Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Es ist noch lange nicht vorbei. Erinnerungen und Herausforderungen bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Berlin 2012, S. 17-35, hier S. 28.
[3] Sheena Iyengar: The Art Of Choosing, New York 2010.
[4] Wortlaut des Beutelsbacher Konsens (Zugriff: 3.7.2017).
[5] Vgl. Benedikt Widmaier; Peter Zorn (Hg.): Brauchen wir den Beutelsbacher Konsens? Eine Debatte der politischen Bildung, Bonn 2016; Siegfried Frech, Dagmar Richter (Hg.): Der Beutelsbacher Konsens. Bedeutung, Wirkung, Kontroversen, Schwalbach/Ts. 2017.
[6] Daniel Tyradellis: Müde Museen. Oder: Wie Ausstellungen unser Denken verändern könnten. Hamburg 2014, S. 139.
[7] Wolfgang Benz: Die DDR als Museumsobjekt. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 59, 2011, H. 12, S. 995-1007.
[8] Vgl. auch Irmgard Zündorf: DDR-Geschichte – ausgestellt in Berlin, in: Jahrbuch für Politik und Geschichte 4 (2013), S. 139-156; Katrin Hammerstein, Jan Scheunemann (Hg.): Die Musealisierung der DDR. Wege, Möglichkeiten und Grenzen der Darstellung von Zeitgeschichte in stadt- und regionalgeschichtlichen Museen, Berlin 2012; Jan Scheunemann: Gehört die DDR ins Museum? Beobachtungen zur Musealisierung der sozialistische n Vergangenheit. In: Gerbergasse 18, 55/2009, S. 34-37; Irmgard Zündorf: DDR-Museen als Teil der Gedenkkultur in der Bundesrepublik Deutschland, in: Jahrbuch für Kulturpolitik, Bd. 9: 2009, S. 139-145.
[9] Martin Sabrow: Die DDR erinnern, in: derselbe (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. bpb Schriftenreihe Bd. 1116. Bonn 2010, S. 9-25, hier S. 20.
[10] Zum „Lernen basierend auf nicht-kognitiven Erfahrungen“ vgl. Bert Pampel: „Mit eigenen Augen sehen, wozu der Mensch fähig ist“. Zur Wirkung von Gedenkstätten auf ihre Besucher. Frankfurt/New York 2007, hier S. 353; vgl. auch das Kapitel Historische Orte als multisensorische Lernorte, in: Christian Kuchler: Historische Orte im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 2012, S. 34-38.
[11] Christian Kuchler: Historische Orte im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 2012, S. 32.
[12] Ulrich Mayer: Historische Orte als Lernorte, in: derselbe, Hans-Jürgen Pandel, Gerhard Schneider (Hg.): Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht (Forum historisches Lernen), Schwalbach/Ts. 2007, S. 389-407, hier S. 394 f.
[13] Gerhard Henke-Bockschatz: Forschend-entdeckendes Lernen, in:  Ulrich Mayer, Hans-Jürgen Pandel, Gerhard Schneider (Hg.): Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht (Forum historisches Lernen), Schwalbach/Ts. 2007, S. 15-29, hier insbes. S. 24 f.
[14] Auf das Bedürfnis ehemaliger Häftlinge, dass „nicht nur eine museale Ausstellung gezeigt, sondern auch Gedenken ermöglicht werden“ solle, verweist auch Ulrike Poppe: Gesellschaftliche Aufarbeitung, in: Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt (Hg.) 2012, S. 87-99, hier S. 95 f.
[15] Bernd Lindner: Rezension zu: Haft, Diktatur, Revolution. Thüringen 1949–1989, 04.12.2013 Erfurt, in: H-Soz-Kult, 26.09.2015 (Zugriff: 3.7.2017).
[16] Nikolaus Wachsmann: Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat. A. d. Engl. v. Klaus-Dieter Schmidt. München 2004.
[17] Vgl. z.B. die Diskussion zur DDR-Alltagsgeschichte im Museum in dem Band von Hammerstein/ Scheunemann 2012, S. 110-129.
[18] Zur didaktischen Arbeit mit Comics vgl. Christine Gundermann: Jenseits von Asterix. Comics im Geschichtsunterricht (Reihe Methoden Historischen Lernens), Schwalbach/Ts. 2007; mit didaktischen Comics zur NS-Geschichte arbeitet auch das Anne Frank-Zentrum Berlin (Zugriff 20.09.2017).
[19] Empfehlenswert ist z.B. Robert McKee: Story. A. d. Amerikan. v. Eva Brückner-Tuckwiller u. Josef Zobel. 11. Aufl., Berlin 2000.
[20] Zum Gedächtnisstreit um 1989 vgl. Martin Sabrow: Wem gehört „1989“? In: derselbe (Hrsg.): Bewältigte Diktaturvergangenheit? 20 Jahre DDR-Aufarbeitung. Leipzig 2010, S. 9-20.

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