Hg. von Autor*innenkollektiv der Redaktion

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17. Dezember 2019

Portrait eines Rechten – revisited

Von Robert Mueller-Stahl

„Ich bin ein rechter Skin. White Power. Irgendjemand muss sich um unser Land ja kümmern. Ich will nicht, daß in ganz Deutschland nur Neger rumrennen. So wie der Neger, der sich neulich in Bomberjacke und Schnürstiefeln vor uns stellt. ‚Heil Kameraden‘ hat der gebrüllt und gesagt, dass er sich für seine Hautfarbe schämt. Was hat denn so einer überhaupt mit uns zu tun? – Basti, 16, Schüler“
© Bettina Flitner (aus der Fotoarbeit: „Ich bin stolz, ein Rechter zu sein“, Berlin, 2000)

Das Foto ist schon älter. Man sieht es ihm an. Die Jacke, die Hose, die Pose, das ganze Setting, all das wirkt nicht mehr zeitgemäß. Auch nicht für Neonazis. Es zeugt also von etwas Vergangenem. Nur ist der zeitliche Abstand, der aus der Aufnahme spricht, nicht erleichternd, sondern bedrückend. Er schafft ein Unbehagen, weil sein Gegenstand so hochaktuell ist, und heute doch oft so anders aussieht.

Was aber kann uns ein Foto wie dieses überhaupt erzählen über ein Phänomen, dass durch den Terroranschlag in Halle oder den Mord an Walter Lübcke, aber auch weit darüber hinaus, an alarmierender Aktualität gewonnen hat? Um es gleich zu sagen: Über seinen Protagonisten, Basti, ist nicht viel bekannt. Er ging noch zur Schule, als die Fotografin Bettina Flitner ihn für ihre Serie „Ich bin stolz, ein Rechter zu sein“ ablichtete und er erklärte, dass „irgendjemand […] sich um unser Land ja kümmern“ müsse. Heute, da sein Portrait nochmals in der ZEIT abgedruckt wurde, um unter dem Hashtag #baseballschlaegerjahre[1] die Erfahrungsgeschichte alltäglicher Gewalt durch die extreme Rechte der 90er Jahre zu illustrieren, ist er wohl 35. Was aus ihm geworden ist, bleibt ungewiss. Nichts ist da, außer das Portrait und die angeheftete Aussage.

Dennoch bin ich verleitet, allerhand hineinzulesen in dieses Foto. Ich möchte wissen, woher derart hasserfüllte Haltungen kommen, und schaue auf die Haltung, in die Augen, auf seinen Blick. Das ist natürlich widersinnig, denn Gesichtszüge sind bekanntlich nur wenig belastbare Quellen. „Physiognomy is of limited use”, schreibt Teju Cole. “I am not my face.”[2] Für Rechte gilt das gleichermaßen.

Und doch hat mich das Bild gefesselt. Denn mehr noch als das Abbild eines jungen Rechtsextremen beschreibt es eine soziale Situation, einen Moment des Vertrauens zwischen der Fotografin und dem Portraitierten, wie sie heute wohl kaum mehr möglich wäre.

Einerseits hat die extreme Rechte längst ihre eigenen Netzwerke der Repräsentation. Einer derart kritischen, auch noch weiblichen Fotografin wie Bettina Flitner würde sie sich wohl nicht mehr anvertrauen, wie Basti und 14 Gleichgesinnte es getan haben. Auch das Setting wäre heute vermutlich ein anderes. Die Plattenbauten stehen zwar immer noch, bilden aber längst nicht mehr die Fixpunkte neonazistischer Selbstdarstellung. Ihre Hallräume heißen heute eher 4Chan und vk.com. Das Portrait ist dem Avatar gewichen, das Posieren vor der Kamera dem mörderischen Livestream.

Andererseits aber gibt es auch aus fotografischer Sicht gute Gründe, von Bildern wie diesen abzusehen. Ihre Wirkungen sind kaum kontrollierbar. Sie suggerieren gleichsam Stärke und Verletzlichkeit, schüren Angst und Sympathien. Das bloße Portrait, kurzum, ist immer nah an Propaganda. Zwar wird dieser Effekt schnell eingefangen, durch den Baseballschläger, mehr aber noch durch das weitaus eindeutigere Zitat. Dennoch, was bleibt von der Betrachtung des Portraits außer der (wenig weiterführenden) Einsicht, dass auch Nazis letztlich Menschen sind?

Vielleicht aber ist es gerade das. Das Bild stellt etwas heraus, ohne es zu erklären. Es schafft eine Verknüpfung zum Hier und Jetzt, die ebenso unklar wie unheimlich ist. Gegenwärtiger aber könnte es kaum sein.

 

Die Serie „Ich bin stolz, ein Rechter zu sein“ war 2003 in einer Ausstellung des Bündnisses „Bunt statt Braun“ im Anklamer Theater zu sein. Weitere Arbeiten von Bettina Flitner auf ihrer Website.

 

Grenzenlose Aussicht

Gedanken zu Kontrolle, Überwachung und Freiheit

Von Josephine Kuban

Foto: Jessica Neumann, Ostsee-Grenzturm in Kühlungsborn, 2019.

An einem kühlen, aber sonnigen Tag im Mai 2019 stieg ich die Leiter im engen und grauen Ostsee-Grenzturm in Kühlungsborn hoch, mehr aus Abenteuerlust als aus Wissensdurst. Oben angekommen hatte ich einen herrlichen Panoramablick über die raue Frühjahrssee und die von Sonne und Tourist*innen überflutete Strandpromenade. Der Turm wurde durch den Ostseegrenzturm e.V. restauriert und ist heute ebenso wie das kleine angrenzende Museum für Besucher*innen geöffnet. Von 1971 bis 1990 standen 27 dieser Türme entlang der Ostseeküste. In Kühlungsborn beobachtete die sechste Grenzkompanie in diesem Zeitraum die Seegrenze der ehemaligen DDR und spürte mit Suchscheinwerfern und einer Hundestaffel Menschen auf, die die DDR über die Ostsee zu verlassen versuchten. Der historische Kontext zur DDR und seiner Grenze war mir durchaus bewusst, trotzdem schien ich von einem unbekümmerten und friedvollen Urlaubsgefühl durchflutet zu sein. Erst als ich noch einmal das Treiben auf der Promenade beobachtete, realisierte ich, wie unbemerkt ich von hier oben die Urlauber*innen studieren, wie weit ich über Küste und Meer blicken konnte und wie mir dies im beschriebenen Kontext allmählich unangenehm wurde.

All das geschah, bevor im Sommer 2019 die Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong ausbrachen. Als die Demonstrationen gegen das umstrittene Gesetz über flüchtige Straftäter und Rechtshilfe in Strafsachen begannen, war mir noch nicht klar, wie viele interessante und aufwühlende Gespräche ich über die Kultur und Politik Chinas, staatliche Kontrolle und Überwachung, aber auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und Widerstand führen würde. So wie ich also mit einem gemischten Gefühl aus Dankbarkeit für ein nahezu grenzenloses Europa, in dem ich aufwachsen durfte, und Nachdenklichkeit gegenüber Begrenzungen, Einschränkungen und Kontrolle im Frühjahr den Ostsee-Grenzturm in Kühlungsborn hinunterkletterte, so verlasse ich persönlich wohl auch das Jahr 2019 mit einem veränderten und nachdenklichen Blick auf Themen wie Freiheit und Überwachung.

 

Paare im Bild – Bilderpaare

Von Eszter Kiss

Foto: Ungarisches Regierungsplakat mit einem Stockfoto. Fotograf*in: Unbekannt.

 

Ein vollkommen belangloses, langweiliges Bild hat mich in diesem Jahr am meisten beschäftigt und geärgert. Die Aufnahme zeigt ein Liebespaar auf dem Sofa. Mehr gibt es über diese Aufnahme nicht zu berichten. Das Motiv mit dem jungen und verliebten Pärchen nutzte die populistische Orbán-Regierung, um erstens die zuvor überall in Ungarn plakatierte Juncker-/Soros-/Anti-Brüssel-Kampagne zu überdecken und um zweitens die neuesten familienpolitischen Maßnahmen der Regierung – Kredite für Verheiratete, die sich für Kinder entscheiden – bekannt zu machen. Online löste das Plakat zunächst Verwunderung aus, denn vielen Social-Media-Nutzer*innen kamen die Protagonist*innen dieser Aufnahme bekannt vor. Das für die Regierungs-PR verwendete Bild ist Teil einer größeren Stockfoto-Serie, wobei ein anderes Motiv aus dieser Reihe unter dem Bildtitel Distracted Boyfriend weltweite Berühmtheit erlangte. Über die bildpolitische Entscheidung der Orbán-Regierung, die neuen familienfördernden Kreditangebote mit den Shootingstars der Meme-Kultur, mit dem Pärchen, das für Eifersucht schlechthin steht, zu bewerben, wurde internetweit gekichert. Die Kommentator*innen rätselten, ob es sich bei der Bildauswahl um ein Fauxpas handelte oder doch eher um ein kalkuliertes Foto-Fettnäpfchen, damit die Hauptzielgruppe der Plakataktion erreicht wird: onlineaffine Heirats- und Gebärfähige.

Mir ist als Visual Historian bewusst, dass das (politische) Bild nur ein (!) Instrument aus dem Werkzeugkasten der politischen Kommunikation ist. Mir ist außerdem klar, dass Bildpolitik in erster Linie die Aufgabe hat, Politik möglichst breit zu vermitteln. Dies tut sie unter anderem, indem sie Komplexität reduziert. Fair enough. Aber bei dieser Plakataktion drängte sich die Frage auf, welches visuelle Programm die Orbán-Regierung hat bzw. hatte. Hat sie überhaupt eines? Welche Vorstellung hat sie von den Betrachter*innen, die diese aus der Zeit gefallene und fade Präsentation tagtäglich im öffentlichen Raum ertragen müssen? Hätte man sich nicht ein anderes Bild, ein anderes Setting, eine andere Darstellungsart überlegen können? Beim Betrachten des Pärchens kommt keine Sehnsucht auf. Nicht nach Kindern, nicht nach Familie und auch nicht nach einem günstigen Kredit. Es findet keine Identifikation statt, sie sind zu jung, zu glatt und alles an dem Bild schreit: Stockfotografie!

Für meinen persönlichen Schmunzelmoment des Jahres war ein anderer, ein bundesdeutscher politischer Akteur verantwortlich: das BMI. Eine im Innenministerium angesiedelte Kommission bemühte sich im Kontext der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution unter anderem auch mit einer Plakatkampagne Aufsehen zu erregen. Und ein Motiv von „Das ist sooo deutsch“ traf mich mitten ins Herz. Das Foto mit dem FKK-Pärchen kann genau das, was Orbáns Jungvermählte nicht vermögen. Die Perspektive ist spannend: Wir sind nah genug dran, um zu erkennen, um was es geht, aber entfernt genug, damit nicht die Nacktheit dominiert. Das Pärchen sieht entspannt aus, die Frau lacht und erzählt. Dass ihr angenehm normal aussehender Körper zur Identifikation einlädt, braucht an dieser Stelle vielleicht gar nicht erwähnt zu werden. Und da ist sie: die Sehnsucht. Nach Freiheit, nach Sonne an der Ostsee, nach vergangenen entspannten Nacktbade- und Sauna-Erlebnissen. Das ist die Schönheit von visueller (politischer) Kommunikation: Sie arbeitet nicht mit Logik, sondern mit Assoziationen.

Man kann natürlich auch die „Das ist sooo deutsch“-Kampagne kritisieren. Für mich bleibt jedoch am Ende des Jahres 2019 nur ein Fazit: Ich wünsche für die ungarischen und auch für die deutschen Bürger*innen werbende (politische) Akteure, die sie in ihrer Eigenschaft als Betrachter*innen ernst(er) nehmen.

 

Das zornige Gesicht der Greta Thunberg

Von Sandra Starke

How dare you? Greta Thunberg während ihrer Rede vor dem UN-Klimagipfel am 23.September 2019. Screenshot der Rede auf Youtube.

Das Bild aus diesem Jahr 2019, über das ich hier schreibe, ist eigentlich kein Bild, sondern ein Videostill. Es zeigt ein zorniges Mädchen mit einer pinken Bluse vor einer blauen Wand in Nahaufnahme. Wenn ich nun noch erwähne, das Mädchen hätte einen altmodisch anmutenden geflochtenen Zopf, ist schon den meisten Leser*innen klar, wer es ist.

Greta Thunberg, die 16-jährige schwedische Klimaaktivistin hält auf dem UN-Klimagipfel in New York im September 2019 eine emotionale und wütende Rede, deren wohl berühmteste Frage, How dare you?, sich an die erwachsene Generation insgesamt richtet. Sie kommt aber nicht als Bittstellerin, sondern fordert ernsthaft und so laut sie kann, die Klimaveränderung als zentralen Teil auf die politische Agenda zu setzen, die Ergebnisse der Klimaforschung voll anzuerkennen und daraus endlich weltweit Konsequenzen zu ziehen.

Sie ist das Gesicht der Fridays-for-Future-Bewegung und polarisiert mit ihrer kindlich anmutenden Radikalität. Es gibt Greta-Fans, einen Greta-Effekt und auch viele Gegner*innen. Das ist gut, denn sie wird gehört. Dennoch finde ich es erstaunlich, welche Abwehr und welcher Hass dem Mädchen entgegenschlägt. Wenn sie zwei oder drei Wochen die Atlantiküberquerung per Boot auf sich nimmt, um nicht fliegen zu müssen, gibt es kaum eine kleine Regionalzeitung, die sich den zynischen Hinweis darauf spart, sie sei wegen eines Dieselgenerators auf dem Schiff zur Lichterzeugung ja doch nicht ganz klimaneutral gereist. Und das sind die wirklich harmlosen Anfeindungen ihrer Person. Ist der Grund für die Häme der, dass die meisten Leute zornige Teenager, darüber hinaus ein Mädchen, nicht ernst nehmen können? Über die Fragen, wer dieses Mädchen ist, aus welcher Familie sie kommt und welche Krankheit sie hatte, wird ihre Person als Besonderheit außerhalb der Gesellschaft medial konstruiert. Die eigentlich wichtigere Frage, wie wir alle den Klimawandel noch begrenzen können, wird verdeckt.

 

Strandgut

Eine Schiffsgeschichte

Von Christoph Classen

Bild: Schiffswrack der "Kaubturm" in Westafrika, 2018. Fotograf*in: Unbekannt.

Das Bild dieses rostigen Wracks stammt von 2018, ich habe es erst jetzt entdeckt. Es ist in Westafrika aufgenommen, genauer im Osten Ghanas. Gut lesbar ist der Name des Schiffes: „Kaubturm“. Das klingt deutsch. Woher kommt es, und wieso ist es hier gestrandet?

Die „Kaubturm“ wurde 1978 in Papenburg im Emsland gebaut. Benannt war sie nach einem historischen Gebäude in Kaub, einem Städtchen am Rhein zwischen Koblenz und Mainz. Sie war ein Spezialschiff für die Offshore-Ölindustrie. Diese Schiffe dienen dazu, Bohrinseln mit Material zu versorgen. Seinerzeit war es hochmodern: Zusammen mit seinen drei Schwesterschiffen war es nicht nur größer als alle bisherigen Schiffe dieses Typs, es verfügte auch über computergesteuerte Positionierungstechnik.

Ende der 70er Jahre kriselte das Geschäft der Offshore-Logistik bereits: Die Unsicherheiten im Zuge der Ölkrisen senkten die Investitionsbereitschaft der Ölfirmen, nach Jahren des Booms gab es plötzlich zu viele Versorgungsschiffe. Viele Schiffe wurden „ausgeflaggt“, um die deutschen Tariflöhne zu umgehen. Die „Kaubturm“ kam dennoch nicht unter einer Billigflagge in Fahrt. Da die Baukosten von ca. 20 Mio. DM staatlich subventioniert waren, musste sie in Deutschland registriert werden. Heimathafen war Bremen. Eingesetzt wurde das Schiff zunächst bei der Erschließung von britischen Ölfeldern in der Nordsee.

1980 ging die traditionsreiche Bremer Reederei, der das Schiff gehörte, in Konkurs. Die Hauptgründe waren starke internationale Konkurrenz und zu hohe Kosten. Akut kam hinzu, dass nach der iranischen Revolution die wichtigsten Handelspartner wegbrachen. Das Schiff ging mit allen anderen Versorgungsschiffen an ein Hamburger Partnerunternehmen, eine Preussag-Tochter. 1989 wurde die seit Jahren defizitäre Unternehmenssparte nach England verkauft. Damit endet das Kapitel der deutschen Versorgungsschiffahrt. Die „Kaubturm“ bekam eine Billigflagge: Niederländische Antillen, Heimathafen Willemstad.

Ein weiteres Jahrzehnt später schluckte ein größerer US-amerikanischer Konkurrent die britische Reederei. Das Schiff änderte Farbe und Flagge, Heimathafen war nun Aberdeen. Die Werft, auf der es gebaut war, ein Familienunternehmen, gab es da längst nicht mehr. Wie die meisten kleineren Werften in Deutschland war sie dem Konkurrenzdruck nicht gewachsen. Einsatzgebiet der „Kaubturm“ blieb die Nordsee vor Schottland. Allerdings zeigen Bilder sie nach der Jahrtausendwende beschäftigungslos an einem verlassen Pier. Inzwischen mehr als 25 Jahre alt konnte sie mit aktuellen Schiffen kaum noch konkurrieren.

Folglich wechselte sie 2006 nach Westafrika. Neuer Heimathafen war Port Vila, Hauptstadt von Vanatu, einem Inselstaat im Südpazifik. Eingesetzt wurde sie vor Angola, später im Golf von Guinea. Dort boomt die Ölförderung, besonders seit die USA nach 9/11 diese Quelle entdeckt haben, um ihre Abhängigkeit von arabischem Öl zu verringern. Zudem können dort die großen US-amerikanischen und europäischen Ölgesellschaften selbst fördern, das bringt höhere Profite als anderswo. Die Kehrseite ist, dass die verarmte Bevölkerung der Anrainerstaaten nicht von den Ölverkäufen profitiert. Arbeitsplätze gibt es für sie kaum, die Gewinne streichen die korrupten nationalen Eliten ein. Schiffe aber wurden dort offenbar dringend gebraucht, selbst wenn sie veraltet waren.

2013 trennten sich die Amerikaner von dem 35 Jahre alten Schiff, es ging an eine dubiose Firma auf den Bahamas. Wenig später scheint es zum Entsorgungsfall geworden sein. Bei dem Versuch, es abzuschleppen, soll es sich losgerissen haben und wurde auf den Strand gesetzt. Trotz Protesten der Umweltbehörde und von Fischer*innen erhielt ein lokales Unternehmen die Genehmigung, das Schiff vor Ort abzubrechen; neuere Bilder zeigen nur noch den ausgeschlachteten Rumpf. Ob dies wirklich ein Versehen war, ist fraglich: An Westafrikas Küsten liegen hunderte ausgeweidete Wracks, deren umweltgerechte Entsorgung die Eigner*innen nicht bezahlen. Man kann in ihnen Monumente sehen: für das Verhältnis der reichen Industriestaaten zu Afrika, und für eine Wirtschaft unter Globalisierungsdruck, die sich um die sozialen und ökologischen Folgen ihres Tuns nicht schert.

 

 


[1] Christian Bangel, Baseballschlägerjahre, in: Die ZEIT 46/2019, S. 4.

[2] Teju Cole, There’s Less to Portraits Than Meets the Eye, and More, in: The New York Times Magazine, 26.08.2018, S. 14.