Der Angriff Russlands auf die Ukraine und die furchtbaren Bilder von Krieg, Zerstörung und unfassbarem Leid, die uns täglich erreichen, haben in Europa eine Welle der Hilfsbereitschaft hervorgerufen. Dazu zählen zahlreiche Fellowships und Stipendienangebote für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Not, die in Deutschland von Stiftungen und Universitäten vergeben werden.
Als Osteuropahistorikerinnen und Osteuropahistoriker, die oft selbst an ihren Universitäten und Forschungseinrichtungen aktiv an diesen Initiativen mitwirken, begrüßen wir alle Angebote. Gleichzeitig appellieren wir an Stiftungen, Universitäten und andere Einrichtungen, die Unterstützungsprogramme anbieten oder planen, zwei wichtige Aspekte zu beachten, und ihre Angebote entsprechend großzügig und flexibel zu gestalten.
Ortsunabhängige Unterstützung für Wissenschaftler:innen in der Ukraine
Viele der Fellowships und Stipendienangebote, die von deutschen Institutionen vergeben werden, sind an den Aufenthalt der Wissenschaftler:innen in Deutschland gebunden. Da männliche ukrainische Staatsangehörige zwischen 18 und 60 Jahren die Ukraine momentan nicht verlassen dürfen, bedeutet dies zwangsläufig, dass die meisten von ihnen die deutschen Hilfsangebote nicht wahrnehmen können. Gleichzeitig gibt es ukrainische Wissenschaftlerinnen, die ihre Arbeit und Wohnung verloren haben, jedoch aus verschiedenen Gründen das Land momentan nicht verlassen möchten oder können. Kolleg:innen und Studierende sitzen in Bunkern, um sich vor Raketenangriffen zu schützen. Sie sind von der regelmäßigen Versorgung mit lebensnotwendigen Dingen abgeschnitten, was eine konzentrierte wissenschaftliche Arbeit unmöglich macht.
Wir plädieren daher dafür, Hilfsangebote soweit wie möglich ortsunabhängig zu gewähren und nicht an die terminierte Produktion von Veröffentlichungen o.ä. zu knüpfen.
Hilfsangebote für Wissenschaftler:innen aus Belarus und Russland ausbauen
Deutsche Institutionen sollten in getrennten Programmen auch Stipendien und Fellowships für bedrohte Wissenschaftler:innen aus Russland und Belarus anbieten. Seit Beginn des Krieges haben sich die Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung in Russland und Belarus (schon in Vorkriegszeiten deutlich repressiver als Russland) dramatisch verschlechtert. Alle, die sich gegen den Krieg positionieren, gehen große persönliche Risiken ein. Von akademischer Freiheit in Studium und Lehre kann keine Rede sein. In Belarus hatten bereits nach der Niederschlagung der Protestbewegung im August 2020 viele Wissenschaftler:innen ihren Arbeitsplatz verloren – und seither keine Chance, eine neue Anstellung zu finden, selbst außerhalb von Wissenschaft und Lehre.
Wir plädieren deshalb dafür, Stipendien und Fellowships für bedrohte Wissenschaftler:innen in und aus Belarus und Russland weiter auszubauen und ihre Notlagen stärker zu berücksichtigen.
Unterzeichner:innen (Stand: 30. April 2022)
weitere Unterschriften an: a.walke@wustl.edu
Dr. Magdalena Abraham-Diefenbach, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)
Dr. Felix Ackermann, Deutsches Historisches Institut Warschau (Polen)
Dr. Jens Adam, Universität Bremen
Prof. Dr. Melanie Arndt, Albert-Ludwig-Universität Freiburg
Prof. Dr. Aleida Assmann, Universität Konstanz
Prof. Dr. Jan Assmann, Universität Heidelberg
Prof. Dr. Martin Aust, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Univ.-Prov. Dr. Martina Baleva, Universität Innsbruck (Österreich)
Prof. Dr. Arnold Bartetzky, Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO), Leipzig
Dr. des. Fabian Baumann, University of Chicago
Dr. Alice von Bieberstein, Humboldt Universität zu Berlin
PD Dr. Jochen Böhler, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dr. Katja Bruisch, Trinity College Dublin, the University of Dublin (Irland)
Dr. habil. Barbara Christophe, Leibniz-Institut für Bildungsmedien/Georg-Eckert-Institut, Braunschweig
Dr. Konrad Clewing, Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung, Regensburg
Prof. Dr. Sebastian Conrad, Freie Universität Berlin
Dr. Franziska Davies, Ludwig-Maximilians-Universität München
Dr. Franziska Exeler, Freie Universität Berlin und Centre for History and Economics, University of Cambridge (UK)
Dr. Vitalij Fastovskij, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Dr. Gero Fedtke, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dr. Gabriele Freitag, Geschäftsführerin, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde
PD Dr. Juliane Fürst, ZZF Potsdam und Humboldt Universität zu Berlin
Dr. Mischa Gabowitsch, Einstein Forum, Potsdam
Sarah Grandke, KZ-Gedenkstätte Neuengamme Hamburg
Prof. Dr. Jörg Hackmann, Universität Szczecin / Universität Greifswald
Prof. Dr. Julia Herzberg, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Anke Hilbrenner, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Dr. Ulrich Hofmeister, Ludwig-Maximilians-Universität München
Dr. des. Helena Holzberger, Ludwig-Maximilians-Universität München
Dr. Bert Hoppe, Institut für Zeitgeschichte Berlin/ München
Dr. Sven Jaros, Leibniz Institut für Ost- und Südosteuropaforschung, Regensburg
Dr. Aurélia Kalisky, Centre Marc Bloch Berlin
Dr. Botakoz Kassymbekova, Universität Basel (Schweiz)
Prof. Dr. Robert Kindler, Freie Universität Berlin
Achim Klüppelberg, KTH Royal Institute of Technology, Stockholm (Schweden)
Dr. Corinna Kühn, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Prof. Dr. Andreas Körber, Universität Hamburg
Prof. Dr. Raj Kollmorgen, Hochschule Zittau/Görlitz
Jun. Prof. Dr. Kornelia Kończal, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Jan Kusber, Vizepräsident des Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V., Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Dr. Maike Lehmann, Eberhard-Karls-Universität Tübingen/ Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen
Prof. Dr. Stephan Lehnstaedt, Touro College Berlin
Prof. Dr. Ruth Leiserowitz, Deutsches Historisches Institut Warschau/ Humboldt Universität zu Berlin
Prof. Dr. Anna Lipphardt, Universität Freiburg
Prof. Dr. Katja Makhotina, Universität Bonn
Dr. Markus Mirschel, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Jan Musekamp, DAAD Visiting Associate Professor, University of Pittsburgh (USA)
Dr. Markus Nesselrodt, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/O.
Dr. Timothy Nunan, Freie Universität Berlin
Dr. Alexandra Oberländer, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin
Prof. Dr. Jana Osterkamp, Ludwig-Maximilians-Universität München
Undine Ott, M.A., Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO), Leipzig
Prof. Dr. Jan Plamper, University of Limerick (Irland)
Prof. Dr. Dieter Pohl, Universität Klagenfurt (Österreich)
PD Dr. Agnieszka Pufelska, Universität Hamburg in Lüneburg
Dr. Manuela Putz, Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen
Prof. Dr. Iryna Ramanava, DAAD Gastdozentin, Justus-Liebig-Universität Gießen/ Europäische Humanistische Universität Vilnius
Dr. Immo Rebitschek, Imre Kertész Kolleg Jena, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. Dr. Andreas Renner, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Stefan Rohdewald, Universität Leipzig
Prof. Dr. Malte Rolf, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Dr. Grzegorz Rossoliński-Liebe, Freie Universität Berlin
Dr. Tobias Rupprecht, Freie Universität Berlin
Dr. Yuliya von Saal, Institut für Zeitgeschichte München−Berlin
Prof. Dr. Sylvia Sasse, Universität Zürich (Schweiz)
Prof. Dr. Susanne Schattenberg, Universität Bremen
Prof. Dr. F. Benjamin Schenk, Universität Basel (Schweiz)
Ingrid Schierle, Eberhard Karls Universität Tübingen
Prof. em. Karl Schlögel, Historiker und Publizist
Prof. Dr. Alexandra Schwell, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Dr. Diana Siebert, Justus-Liebig-Universität Gießen
Prof. Dr. Katrin Steffen, University of Sussex (UK)
Dr. Katrin Stoll, Imre Kertész Kolleg, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Jakub Szumski M.A., Imre Kertész Kolleg, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. i. R. Dr. Stefan Troebst, Universität Leipzig
Dr. Sören Urbansky, Deutsches Historisches Institut Washington, D.C. (USA)
Prof. Dr. Anika Walke, Washington University in St. Louis (USA), z.Zt. Fellow am Imre Kertész Kolleg, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dr. Nina Weller, Berlin
Dr. Katja Wezel, Georg-August-Universität Göttingen, z.Zt. Feodor-Lynen Fellow der Humboldt-Stiftung an der Universität Lettlands, Riga (Lettland)
Prof. Dr. Martina Winkler, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Prof. Dr. Marcin Wołoszyn, Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO), Leipzig