von Julia Offe

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15. Juni 2019

ZOL: Was ist Science Slam?

 

Julia Offe: Ein Science Slam ist ein wissenschaftliches Kurzvortragsturnier. Junge Wissenschaftler*innen präsentieren in zehnminütigen, unterhaltsamen und allgemeinverständlichen Vorträgen ihre eigenen Forschungsprojekte auf den Bühnen der Clubs, Theater und Kneipen. Ob PowerPoint-Präsentationen oder Requisiten – jedes Hilfsmittel ist erlaubt, um das Projekt verständlich zu machen. Die kurzweiligen Vorträge bieten auch fachfremden Zuhörer*innen die Möglichkeit, sich von der Begeisterung der Slammer*innen für ihr Projekt anstecken zu lassen. Auch wenn die Forschung hier im Mittelpunkt steht, spielt der wissenschaftliche Wert des Vortrages eine nachrangige Rolle. Vielmehr geht es darum, das Thema unterhaltsam aufzubereiten und dem Publikum zu zeigen, welchen Projekten sich junge Wissenschaftler*innen in ihren Labors und Bibliotheken widmen. Ziel ist es, mit wissenschaftlichen Themen Kopf und Herz der Zuschauer*innen zu erreichen, denn das Publikum bildet die Jury und wählt den*die Sieger*in des Abends.

 

 

ZOL: Welche Regeln und Vorgaben gibt es?

 

Offe: Die Regeln sind einfach: Jede*r Nachwuchswissenschaftler*in (etwa bis zum Postdoc-Status), der oder die hochschulgebunden forscht, darf mitmachen. Sie müssen über ihr eigenes Forschungsprojekt bzw. einen Aspekt davon sprechen – so wie beim Poetry Slam eigene Texte gelesen werden, geht es beim Science-Slam um eigene Projekte. Science-Slam-Beiträge sind also keine Referate über Lehrbuchwissen. Jede*r hat zehn Minuten Zeit, alle Hilfsmittel sind erlaubt, und das Publikum bildet die Jury (also keine „Experten“ -Jury).

 

ZOL: Wofür brauchen wir Science Slam bzw. History Slam in den (Geistes-)Wissenschaften?

 

Offe: In Zeiten, in denen das Vertrauen in staatliche Institutionen und auch in die Wissenschaft sinkt, halte ich es für wichtig, dass Wissenschaftler*innen sich auf vielen verschiedenen Kanälen an die Öffentlichkeit wenden und darlegen, was sie tun, welche Methoden sie verwenden, wie der wissenschaftliche Diskurs funktioniert und welche Antworten und Lösungen die Wissenschaft für die Probleme bereithält, mit denen wir im Moment und in Zukunft konfrontiert sind. Ein Science Slam ist eine der Maßnahmen, die das umsetzen.

 

 ZOL: Kann Science Slam eine Antwort auf „The Conference Manifest“ sein?

 

Offe: Oh ja, da beim Science Slam das Publikum die einzelnen Beiträge bewertet und derjenige mit den meisten Punkten am Ende gewinnt, geben sich die Slammer*innen große Mühe, ihre Zuschauer*innen zehn Minuten lang wirklich für ihr Thema zu begeistern. Das funktioniert fast immer sehr gut – und falls ein Vortrag mal nicht so gut sein sollte, dann ist er immerhin nach zehn Minuten vorbei!

 

ZOL: Gibt es während des Slams eine gewisse (normative) Hierarchie unter den teilnehmenden Fachgebieten (Naturwissenschaften vs. Geisteswissenschaften)? Welche Fachgebiete bzw. Themen kommen besonders gut beim Publikum an?

 

Offe: Nach mehr als 300 Veranstaltungen kann ich sagen, dass man aus jedem Thema etwas machen kann und dass es viel mehr an der Aufbereitung des Themas liegt als an der vermeintlichen Attraktivität des Themas selbst, wenn das Publikum einen Beitrag hoch bewertet. Grundsätzlich denke ich, dass Wissenschaftler*innen der vermeintlich „schweren“ Fächer es leichter haben, weil man sie als Wissenschaftler*innen auch dann noch ernst nimmt, wenn sie mit viel Selbstironie auftreten.

 

ZOL: Wen spricht Science Slam an? 

 

Offe: Darüber haben wir keine validen Daten. Altersmäßig haben wir jedes Mal Teenager bis Rentner im Publikum. Viele haben zwar studiert, aber selbst nie länger wissenschaftlich gearbeitet – aber das sind nur Beobachtungen aus Gesprächen und keine Statistik.

 

ZOL: Wie finanzieren Sie Ihre Slams? Nur über Eintrittsgelder? Oder auch durch Forschungsgelder etc.?

 

Offe: Durch Eintrittsgelder und Sponsoren.

 

ZOL: Wie sind Sie als Gründer*in auf die Idee zum Science Slam gekommen?

 

Offe: Ich persönlich habe angefangen, Science Slams zu organisieren, weil „beim Bier über Wissenschaft reden“ sowieso zu meiner liebsten Abendgestaltung gehört. Und der Science Slam hat gezeigt, dass es Hunderten anderen Leuten ebenso geht!

 

ZOL: Wurde Science Slam wirklich in Deutschland gegründet oder gab es Formatvorbilder aus anderen Ländern?

 

Offe: Ja, der Science Slam wurde 2006 in Darmstadt und unabhängig davon erneut 2008 in Braunschweig erfunden. Der Braunschweiger Erfinder hat mir auf einer Wissenschaftsjournalistenkonferenz davon erzählt und mich gleich für das Format begeistert.

 

ZOL: Welche Rolle hat das Format Science Slam für die Wissensvermittlung in der heutigen Gesellschaft?

 

Offe: Ich denke, dass der direkte Kontakt zu jungen Wissenschaftler*innen das ist, was den großen Publikumsandrang ausmacht. Die Slammer*innen sind diejenigen, die sich im Zweifelsfall am besten auf der Welt mit ihrem Thema auskennen, und sie erzählen live – und die Kommunikation erfolgt ohne Umweg über eine Pressestelle oder eine*n Journalist*in. Vermutlich ist es dann Geschmackssache, ob Wissenschaftsinteressierte lieber Wissenschaftsblogs lesen, Videos gucken, Podcasts hören oder eben zu Live-Veranstaltungen gehen.

 

ZOL: Welche Relevanz hat der Science Slam für die Wissenschaft bzw. Forschung?

 

Offe: Er bietet ein weiteres Werkzeug, wie Wissenschaftler*innen niedrigschwellig mit Wissenschaftsinteressierten kommunizieren können.

 

ZOL: Was steht beim Science Slam  im Fokus: Unterhaltung vs. Wissenschaft? Wie verhalten sich Wissenschaft und Unterhaltung im Science Slam zueinander?

 

Offe: Ich freue mich, dass der wissenschaftliche Inhalt beim Publikum hoch gewichtet wird – wenn ein*e Slammer*in auf Klamauk statt Inhalt setzt, kommt das beim Publikum schlecht an. Sie wollen eben auch etwas lernen.

 

ZOL: Wie (gut) wird das Format Science Slam vom (deutschen) Wissenschaftsbetrieb angenommen?

 

Offe: Manche Unis und Forschungseinrichtungen nutzen den Science Slam, um eine breitere Öffentlichkeit mit ihren Themen zu erreichen. Aber die meisten Science Slams sind unabhängig organisiert.

 

ZOL: Wie positioniert sich Science Slam zum Vorwurf des „Popkulturellen“? Ist Science Slam Teil der Wissenschaft selbst?

 

Offe: Mit Wissenschaft ein Teil der Popkultur zu werden, ist genau das Ziel des Science Slams. Und manche Wissenschaftler*innen können sicher von der Art, etwas vorzutragen, auch einiges für sonstige Vorträge lernen. Es haben sich über den Science Slam auch schon Kooperationen zwischen verschiedenen Wissenschaftler*innen ergeben – aber das ist eher die Ausnahme und auch nicht das erklärte Ziel der Veranstaltung. Wir möchten einfach möglichst viele Leute daran teilhaben lassen, wie toll Wissenschaft ist.

 

Das Interview mit Julia Offe wurde schriftlich von Rebecca Wegmann geführt.

 


Science Slam - ausstehende Termine 2019 

 

14. Juni 2019  - Köln

15. Juni 2019 - Lübeck

21. Juni 2019 - Hannover

27. Juni 2019 - Hamburg

6. Juli 2019 - Karlsruhe

12. Juli 2019 - Ludwigsburg

11. September 2019 - Hamburg

26. September 2019 - Berlin

15. Oktober 2019 - Berlin

22. Oktober 2019 - Köln

23. Oktober 2019 - Hamburg

13. November 2019 - Ludwigsburg

20. November 2019 - Hamburg

5. Dezember 2019 - Berlin

18. Dezember 2019 - Hamburg