Bis zur Einführung der Kombinationstherapie Mitte der 1990er Jahre führte das HI-Virus zu schweren Krankheiten und Tod, vor allem unter Schwulen. In Westdeutschland kam es mit Beginn der Aids-Krise Anfang der 1980er Jahre zu einem konservativen rollback gegen die Tendenzen sexueller Liberalisierung.[1] Aids war die „Krankheit zur [geistig-moralischen] Wende“, insofern sie politisch „zur gesellschaftlichen Restauration“ instrumentalisiert wurde.[2] Doch Aktivist*innen, progressive Politiker*innen, Wissenschaftler*innen, Medienschaffende und Künstler*innen setzten sich dafür ein, der Diskriminierung von HIV-Positiven und sogenannten „Risikogruppen“ entgegenzuwirken und eine auf Lebensweisen-Akzeptanz und Selbstverantwortung basierende Präventionsstrategie zu fördern. Diese Anstrengungen trafen auf eine staatliche Gesundheitspolitik, die sich zunehmend auf New Public Health-Prinzipien ausrichtete, wozu zentral die Förderung von gesundheitlicher Eigenverantwortung und die Kooperation mit Selbsthilfenetzwerken gehörte. Eine rigide, am Bundesseuchengesetz ausgerichtete Aids-Politik wurde zugunsten einer Kooperation der AIDS-Hilfen mit dem Staat und der Durchsetzung eines liberalen Ansatzes zurückgedrängt. Dies beförderte die gesellschaftliche Integration von Schwulen und Lesben und führte zu einem erneuten Schub sexueller Liberalisierung.[3] Im Zuge der Bewältigung der Aids-Krise entstanden in der Bundesrepublik außerdem neuartige Umgangsformen, Konzepte und Institutionen in den Bereichen Gesundheit, Aktivismus und Kultur.[4]
Das in der Historiographie zu Aids in der Bundesrepublik verbreitete Erfolgsnarrativ blendet allerdings die Vielfalt und Widersprüchlichkeiten aktivistischer Kämpfe aus. Anregungen für eine komplexere Herangehensweise bietet die queer-politische Diskussion zur Geschichte der US-amerikanischen Aids-Bewegung, die sich vor allem auf die Ende der 1980er Jahre entstandene AIDS Coalition to Unleash Power (ACT UP) konzentriert. Diskutiert wird u.a. über die soziale Diversität der Aktivist*innen, die Herausforderungen der Zusammenarbeit sowie über die Frage, wie subversiv die Repräsentations- und Protestformen waren.[5] Deborah Gould zufolge setzte die New Yorker ACT UP-Gruppe auf konfrontative und sex-positive Interventionen, schmiedete sozial diverse, intersektionale Bündnisse und entwickelte eine kollektive Identität, die sich explizit gegen Heteronormativität abgrenzte. Dies zeichnete, so die Autorin, ACT UP als queer-politische Organisation aus.[6]
Auch wenn diese Einschätzung zur Radikalität US-amerikanischer ACT UP-Gruppen nicht durchgehend geteilt wird,[7] regen die von Gould herausgearbeiteten queer-politischen Aspekte dazu an, einen anderen Blick auf die Aids-Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland zu gewinnen.[8] Bisherige Studien zur Bundesrepublik haben den Aids-Aktivismus zumeist primär in die Schwulengeschichte eingeordnet, während sie die Rolle von Junkies, Frauen, Migrant*innen etc. als ein Anhängsel behandeln.[9] Dieses Essay plädiert demgegenüber für eine queer-politische, an den Aspekten ‚intersektional‘, ‚anti-normativ‘ und ‚konfrontativ‘ orientierte Bestandsaufnahme der Aids-Bewegung in der Bundesrepublik und für deren Einordnung in die (queere) Zeitgeschichte.
Intersektionale Politiken
In den 1980er bis Mitte der 1990er Jahre entstand in der Bundesrepublik eine große Bandbreite von Initiativen und Organisationen, die sich zum Thema HIV/Aids engagierten: Schwuleninitiativen, AIDS-Hilfen, Sexarbeiter*innen-Projekte, Tuntenensembles, Positiventreffen, Community-Pflegedienste, Junkie-Selbsthilfe, ACT UP-Gruppen, Kirchengruppen, FrauenLesben- sowie migrantische Initiativen und Organisationen, die Aktivitäten wie Aufklärungskampagnen, Peer-Empowerment und -Beratung, Besetzungen von öffentlichen Räumen, Performances, Demonstrationen oder Gedenkveranstaltungen initiierten. Viele dieser Initiativen und Organisationen waren in sich sozial divers und adressierten unterschiedliche soziale Gruppen. So die AIDS-Hilfen, in denen sich auch bereits Mitte der 1980er Jahre (einzelne) FrauenLesben engagierten. Das Angebot der AIDS-Hilfen richtete sich explizit nicht nur an Schwule, sondern beispielsweise auch an Gefangene oder Konsument*innen von intravenös injizierten Drogen. Zudem gaben sie Broschüren in verschiedenen Sprachen heraus. Die AIDS-Hilfen schlossen auch Bündnissen etwa mit Sexarbeiter*innen-, feministischen oder alternativen Drogenhilfe-Organisationen. Auf diese Weise wollten die Bündnispartner*innen sich gruppen- und interessenübergreifend gegen Diskriminierung, Strafverfolgung und politische Pläne zur Isolierung und Internierung von HIV-Infizierten wehren. Zum Beispiel gründete sich in Nürnberg 1987 aus Anlass der Verhaftung eines HIV-Positiven das Komitee AIDS und Menschenrechte aus u.a. Schwulengruppen, Aktivist*innen der links-alternativen Szene, der AIDS-Hilfe Nürnberg-Fürth, der lokalen Drogenhilfe MUDRA und dem Ausländerbeirat der Stadt Nürnberg.[10] Ebenfalls 1987 formierte sich mit dem „Hessischen Netzwerk gegen AIDS-Zwangsmaßnahmen“ ein Bündnis aus Gewerkschafter*innen, der Darmstädter und Frankfurter AIDS-Hilfe, dem Prostituierten-Selbsthilfeprojekt „Huren wehren sich gemeinsam“ (HWG) und anderen.[11] Mit zwei in Frankfurt am Main Ende der 1980er Jahre veranstalteten Aktionstagen wurde zur „Solidarität der Uneinsichtigen“ aufgerufen, was sich explizit auf „Ausländer, Prostituierte, Junkies und Schwule“ (1988) bzw. auf „Schwule[], Junkies, Nutten, Knackies, Flüchtlinge, Menschen mit HIV u. AIDS“ (1989) bezog.[12]
Michael Bochow, der selbst auch Zeitzeuge ist, schreibt im Rückblick über die „Solidarität der Uneinsichtigen“, dass dies „eine ‚queer-politische‘ Aktion avant la lettre“ gewesen sei und meint damit, dass in dem Aktionsbündnis verschiedene Interessengruppen zusammenarbeiteten.[13] Die oben genannten Beispiele untermauern diese Einschätzung. Sie zeigen, dass (auch) in Deutschland bereits in den 1980er Jahren intersektionale aidspolitische Bündnisse aus einem breiten Spektrum von Initiativen geschmiedet wurden, wobei verschiedene Diskriminierungsformen gegenseitig wahrgenommen und politisch zusammengeführt wurden. Dies gipfelte in Versuchen, Identitätsgrenzen zu überschreiten bzw. eine kollektive Identität neu zu schmieden, verwirklicht insbesondere in der Formierung einer Identität aller „Positiven“ – egal welcher sozialen Gruppe sie entstammten. Eine explizite Politisierung der so verstandenen Positivenidentität formulierte Hans Peter Hauschild mit der anti-normativen, kämpferischen Selbstbezeichnung als „Underdogs“.[14]
Anti-normative Politiken
Mitte der 1980er Jahre sorgten Präventionskampagnen der AIDS-Hilfen, die auf Lebensweisenakzeptanz und Eigenverantwortung basierten, für die öffentliche Sichtbarkeit nicht-heteronormativer Sexpraktiken. Die Safer Sex-Materialien und -Aktionen zeichneten sich dabei durch einen sexpositiven Ansatz aus. Im Zuge der Aufklärung über mögliche Ansteckungsrisiken wurden schwule und – in geringerem Umfang auch – heterosexuelle Sexpraktiken und promisker Sex explizit (im Stil der jeweils angesprochenen Szene) adressiert. Erst zu Beginn der 1990er Jahre und im Umfang geringer gab es auch lesbische Safer Sex-Pornos, -Workshops und -Materialien, organisiert und produziert hauptsächlich außerhalb der AIDS-Hilfen. Diese beförderten ein sex-positives Selbstverständnis innerhalb der Lesbenszene.[15] Insgesamt sorgten die Safer Sex-Kampagnen für eine stärkere öffentliche Sichtbarkeit von schwulen und – in geringerem Maße – lesbischen Sexpraktiken und Lebensweisen.[16] Sie zeigten selbstbewusst die gesellschaftlich als „abnorm“ und „pervers“ stigmatisierten sexuellen Praktiken, statt einer Angleichung an heteronormative Vorstellungen von privater Zweisamkeit, Mäßigung und Reinlichkeit das Wort zu reden.
Auch in anderen Feldern der Aidsprävention finden sich Beispiele anti-normativer Politiken. So gab es zum Thema Drogengebrauch einzelne, gegen die gesellschaftliche Norm der Abstinenz gerichtete Anläufe, so insbesondere eine Präventionskampagne in Form einer Plakatserie der Deutschen AIDS-Hilfe aus dem Frühjahr 1991.[17] Der Text auf einem Plakat mit dem Titel „Von Kokain allein kriege ich kein AIDS“ befürwortete einen „überlegte[n] Umgang mit Drogen“ sowie mit „safer sex“, sprach sich aber zugleich für die Lust am Experimentieren mit Acid, Koks, Speed etc. aus. Das Plakat adressierte Drogengebrauchende als Menschen, „die intensiv und lustvoll leben wollen.“ Dazu passte der „rauschbejahende“ Ansatz, wie ihn Hans Peter Hauschild, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe, vertrat: Im Feiern aller Arten von Lüsten propagierte er eine kollektive und kollektivierende Praxis von Menschen, die von der Aids-Krise betroffen sind. Damit sollten sie ihre gesellschaftliche Marginalisierung „selbstbewusst“ umwenden in eine Kollektive Identität als „Außenseiter des Rausches“.[18]
Dieser Ansatz war allerdings von Anfang an, auch in den AIDS-Hilfen selbst, umstritten.[19]
Auch im Bereich Sexarbeit entwickelte die Aids-Bewegung radikale Ansätze. Als es in den 1980er Jahren unter dem Vorwand der Bekämpfung von Aids vermehrt zu staatlicher Kontrolle und Verdrängung von Prostituierten kam, wehrten sich „Hurenorganisationen“, wie sie sich damals selbst bezeichneten. Sie verbündeten sich mit den AIDS-Hilfen, um gegen die Tabuisierung von Sexarbeit zu kämpfen. Sexarbeit sollte als Dienstleistung anerkannt und behördliche Kontrollen abgeschafft werden.[20]
Die hier beispielhaft angeführten Aids-politischen Ansätze zielten nicht auf gesellschaftliche Integration durch Angleichung. Vielmehr ging es um Freiräume für nicht-heteronormative, sex- und rauschbejahende Lebensentwürfe und alternative Beziehungsweisen. Deren öffentliche Sichtbarkeit sollte gesellschaftliche Wertvorstellungen und Normen transformieren.
Konfrontative Politiken
Zu den konfrontativeren aidspolitischen Interventionsformen in der Bundesrepublik gehörten vor allem die Aktivitäten der deutschen ACT UP-Gruppen, die sich ab Sommer 1989 organisiert hatten. Ihre Radikalität hob sich von den integrativen Strategien vieler anderer Aids-politischer Akteure ab.[21] Zu den Aktionen von ACT UP zählten beispielsweise Die-ins (kollektive Inszenierung symbolischen Sterbens) und Hausbesetzungen. Bei einer der Demonstrationen in Hamburg nahm ein Aids-kranker Aktivist in einem Krankenhausbett liegend teil.[22] Bei einer Berliner ACT UP-Aktion wurde Spritzbesteck über die Mauern einer Vollzugsanstalt geworfen.[23] Besonders drastisch war eine Störaktion vor dem und im Dom zu Fulda, bei der es zu tumultartigen Szenen in der Kirche kam. Anlässlich des Schlussgottesdienstes der Herbsttagung der Deutschen Bischofskonferenz am 26. September 1991 protestierten die Aktivist*innen verschiedener deutscher ACT UP-Gruppen gegen die schwulenfeindliche Haltung der Katholischen Kirche und Aids-Kranke diffamierende Äußerungen des Fuldaer Bischofs Dyba.
Die Aktionen zeichneten sich dadurch aus, dass sie zu drastischer Symbolik griffen, im Ausdruck trotzig-selbstbehauptend bis wütend waren oder auch die Grenzen des Legalen überschritten.[24]
Schlussfolgerungen & Ausblick
Aus unserer Diskussion ergibt sich, dass es sich lohnt, die Aids-Bewegung in Deutschland aus einer queer-politischen Perspektive näher zu betrachten. Auf diese Weise werden auch intersektionale, anti-normative und konfrontative Praktiken sichtbar, die das Spannungsfeld der zivilgesellschaftlichen Aids-Politik mit konstituierten. Eine solche „Geschichte von unten“, die sich aus der queer-politischen Perspektive gewinnen lässt, kann die bisherige Forschung zur Aids-Geschichte der Bundesrepublik, die überwiegend staats-, institutions- und diskurszentriert ist, produktiv erweitern.[25] Der Fokus auf Bewegungspraktiken und -akteur*innen erlaubt, transformative Potentiale der historischen Situation – die Veränderungsmöglichkeiten, die die Aktivist*innen vor Augen hatten – auszuloten. Die „Solidarität der Uneinsichtigen“ zeigt, wie ein Möglichkeitsraum für eine Koalition marginalisierter Menschen eröffnet, gruppenübergreifende Beziehungsweisen vorgelebt und gemeinsame Protestformen gegen multidimensionale Machtstrukturen entwickelt wurden. Ein weiteres Beispiel ist die oben erwähnte Präventionskampagne der Deutschen AIDS-Hilfe von 1991 für Drogengebrauchende, die Rauschbedürfnisse offensiv bejahte. Entgegen der vorherrschenden Drogenpolitik, die auf Verzicht setze, verfolgten die Macher*innen der Kampagne einen radikalen transformativen Ansatz: eine queer-politische Intervention avant la lettre. Allerdings kam die Kampagne nicht über eine Plakatserie hinaus. Ein solches Scheitern sollte jedoch nicht den historiographischen Blick auf transformative Potentiale verstellen.
Mit unseren Ausführungen argumentieren wir dafür, die Aids-Bewegung in Deutschland in der queer(politisch)en zeitgeschichtlichen Forschung stärker zu berücksichtigen. Dies erfordert auch ein Umdenken queerer Archive. Deren Bestände zum Thema HIV/Aids dokumentieren die Betroffenheit, die Selbsthilfe und den Aktivismus von Schwulen und – allerdings in sehr viel geringerem Maße – von Lesben, Bisexuellen und Trans*. Archive, Museen und historische Forschung sollten Themen wie Aids und Drogen, Sexarbeit, Migration und Rassismus stärker zusammendenken. Davon würden insbesondere die Bewegungs-, Geschlechter-, Drogen-, Migrations- und die Medizingeschichte profitieren.
[1] Vgl. Dirck Linck (2013): Nach der Revolte. Überlegungen zur schwulen Kunst in der BRD der 1980er Jahre, in Zwischen Autonomie und Integration. Schwule Politik und Schwulenbewegung der 1980er und 1990er Jahre, Hrsg.: A. Pretzel, V. Weiß, Hamburg, 173-99: 175 f.
[2] Sophinette Becker (1985): AIDS – Die Krankheit zur Wende?, Psychologie heute 2/11, 60-65: 60 & 64. Die „geistig-moralische Wende“ herbeizuführen, hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl 1982 im Koalitionspapier als übergeordnetes Ziel seiner Politik formuliert.
[3] Vgl. Raimund Geene (2000): AIDS-Politik. Ein neues Krankheitsbild zwischen Medizin, Politik und Gesundheitsförderung, Frankfurt am Main: 236; Henning Tümmers (2017): AIDS: Autopsie einer Bedrohung im geteilten Deutschland, Göttingen: 336 f.; Sebastian Haus-Rybicki (2021): Eine Seuche regieren AIDS-Prävention in der Bundesrepublik 1981-1995, Bielefeld: 14.
[4] So z.B. neue Trauerrituale oder gesundheitspolitische Konzepte wie das der "strukturellen Prävention", vgl. Hans Peter Hauschild (1993): Trauerkultur, in 10 Jahre Deutsche AIDS-Hilfe. Geschichte und Geschichten, Hrsg.: Deutsche AIDS-Hilfe e.V., Berlin, 122-30 und Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (1998), Hrsg.: Strukturelle Prävention. Ansichten zum Konzept der Deutschen AIDS-Hilfe, Berlin.
[5] Vgl. Cathy J. Cohen (1997): Punks, Bulldaggers, and Welfare Queens: The Radical Potential of Queer Politics? GLQ: A Journal of Lesbian and Gay Studies 3/4, 437-65 und Keguro Macharia (2020): Queer Writing, Queer Politics: Working across Difference, in The Cambridge Companion to Queer Studies, Hrsg.: S. B. Somerville, Cambridge, 30-48.
[6] Deborah Gould (2009): Moving Politics: Emotion and ACT UP's Fight against AIDS, Chicago, London: 5; vgl. auch Brett C. Stockdill (2003): Activism Against AIDS: At the Intersection of Sexuality, Race, Gender, and Class, Boulder, London: 73.
[7] Vgl. z.B. Cohen (1997).
[8] Wir ordnen das zivilgesellschaftliche informelle Netzwerk der Akteur*innen des Aids-Aktivismus und der -Selbsthilfe in Deutschland als soziale Bewegung ein. Auch die Aids-Selbsthilfe und subkulturellen Aktivitäten im Kontext von HIV/Aids besaßen einen politischen Charakter, insofern sie auf Veränderungen gesellschaftlicher Normen im Alltagshandeln zielten; vgl. Priska Daphi (2020): Politisierung und soziale Bewegungen: Zwei Perspektiven, in (Ent-)Politisierung? Die demokratische Gesellschaft im 21. Jahrhundert, Hrsg.: A. Schäfer, D. Meiering, Baden-Baden, 93-120: 109 ff. Zudem entstand eine soziale Gruppen übergreifende, wenn auch konflikthafte und instabile Kollektive Identität. Bezüglich der Deutschen Demokratischen Republik lässt sich hingegen aufgrund des geringen Grads der Selbstorganisierung schwerlich von einer Aids-Bewegung sprechen; vgl. Rainer Herrn (2008): Schwule Männer und die Krankheit Aids in der DDR, in Lesben und Schwule in der DDR. Tagungsdokumentation, Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt, LSVD Sachsen-Anhalt, Halle (Saale), 89-98 und Adrian Lehne (2016): "[...] eine solche Krankheit macht doch nicht an der Grenze halt." HIV/AIDS in der DDR (Master, Freie Universität Berlin).
[9] Vgl. z.B. Florian Georg Mildenberger (1999): Die Münchner Schwulenbewegung 1969 bis 1996. Eine Fallstudie über die zweite deutsche Schwulenbewegung, Bochum und Martin Reichert (2018): Die Kapsel. Aids in der Bundesrepublik, Berlin.
[10] o. A. (1987): Nürnberg: Komitee "AIDS und Menschenrechte" gegründet, Rosa Flieder 52, 20.
[11] Offenbach-Post (29.01.1988): "Am Ende steht Internierung und der Zwangstest für alle".
[12] Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (1988), Hrsg.: Solidarität der Uneinsichtigen. Aktionstag 9. Juli 1988 Frankfurt a.M. Eine Dokumentation der Reden, Berlin und Plenum Frankfurter Schwulengruppen (1989): Demonstration Solidarität der Uneinsichtigen (Faltblatt). Catalogue AIDS: Frankfurt am Main. Archiv des Schwulen Museums (Berlin). Trotz der Solidaritätserklärungen waren 1988 in der Deutschen AIDS-Hilfe noch keine Migrant*innen organisiert; vgl. Dimitra Kostimpas, Hella von Unger (2021): Wer gehörte zur „Allianz der Schmuddelkinder“? Ein- und Ausschlüsse von Migrant*innen in HIV-Organisationen, in Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 Hrsg.: B. Blättel-Mink.
[13] Michael Bochow (2013): Dreißig Jahre Aidshilfen: Von den schwulen Gründungsjahren in eine queere Zukunft?, in queer.macht.politik. Schauplätze gesellschaftlicher Veränderung, Hrsg.: B. Höll et al., Hamburg, 41-55: 9.
[14] Hans Peter Hauschild (1990): Positive Selbstorganisation in der AIDS-Krise, DAH-aktuell April/Mai, 44-46: 46.
[15] Nicole D. Schmidt, Petra Knust (1997): Auf die Frage: In Sachen Frauen und AIDS passiert wohl nicht mehr viel...? kann es keine kurze Antwort geben, lespress 12.
[16] Maria Bormuth, Eugen Januschke (2020): Gesunder Sex durch HIV-Präventionsmedien, VIRUS. Beiträge zur Sozialgeschichte der Medizin 18, 325-48; Regina Brunnett, Finn Jagow (2001): Macht und Homosexualitäten im Zeitalter von AIDS. AIDS als Knotenpunkt von Normalisierungen und Selbstnormalisierungen von Lesben und Schwulen, in Jenseits der Geschlechtergrenzen. Sexualitäten, Identitäten und Körper in Perspektiven von Queer Studies, Hrsg.: U. Heidel et al., Hamburg, 190-205.
[17] Jürgen Neumann (1991): Turbulenzen – die Plakate werden zurückgezogen, DAH-aktuell 4, 28-29.
[18] Hauschild (1990).
[19] Michael Lämmert (1991): Drogenplakate der DAH – vom Unwohlsein über Botschaften, DAH-aktuell 4, 27.
[20] Eugen Januschke, Ulrike Klöppel (20.12.2017): Pieke Biermann Video Interview. Humboldt-Universität zu Berlin, Medien-Repositorium, European HIV/AIDS Archive, DOI: 10.18450/ehaa/251.
[21] Vgl. Haus-Rybicki (2021): 295.
[22] Ulrike Klöppel (05.07.2017): Petra Knust, Nicole Schmidt, Klaus Knust Video Interview. Humboldt-Universität zu Berlin, Medien-Repositorium, European HIV/AIDS Archive – demnächst online zugänglich.
[23] Die Tageszeitung (taz) (22.10.1992): "Aids kriegst du leicht im Knast, Spritzen nicht".
[24] Vgl. Eugen Januschke, Ulrike Klöppel (2021): ACT UP-Kirchenprotest in Deutschland als translokale Aids-aktivistische Praxis, Hamburger Journal für Kulturanthropologie (HJK) 13, 651-60.
[25] Vgl. Ulrike Klöppel (2016): Aids-Krise in Deutschland revisited: zwischen Bio- und Affektpolitik, Gender Sonderheft 3: "Bewegung/en", 75-87, DOI: https://doi.org/10.2307/j.ctvddznbv.9 und Peter-Paul Bänziger, Zülfukar Çetin (2016): Die Normalisierung eines Ausnahmezustands? Geschichten der Aids- und der Drogenthematik in der Bundesrepublik Deutschland seit den 1980er Jahren, in Gewalt, Zurichtung, Befreiung? Körperliche "Ausnahmezustände" 1880-2000, Hrsg.: H. Ahlheim, Göttingen, 117-40. Inzwischen sind historische Studien erschienen, die das zivilgesellschaftliche Engagement einzelner Gruppen oder Personen rekonstruieren; vgl. z.B. Ulrich Würdemann (2017): Schweigen = Tod, Aktion = Leben: ACT UP in Deutschland 1989 bis 1993, Hrsg.: T. Michalak, Berlin und Friederike Faust (2021): Der Staat, der nicht hören will. HIV/Aids-Prävention in Haftanstalten und die Formatierung aktivistischer Politiken, Hamburger Journal für Kulturanthropologie (HJK) 13, 661-69.