von Jan H. Wille

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1. Juli 2015

„Dem Henry werde ich was auf die Maske hauen, damit das Gequatsche endlich aufhört.“
Graciano Rocchigiani vor dem IBF-Weltmeisterschaftskampf gegen Henry Maske[1]

 

Am 27. Mai 1995 verfolgten in der mit über 13.000 Zuschauern restlos ausverkauften Dortmunder Westfallenhalle und 13 Millionen Menschen vor den TV-Bildschirmen den Megafight zwischen den Protagonisten der letzten Boxergeneration des geteilten Deutschlands: Henry Maske und Graciano Rocchigiani.[2] Dieses Gipfeltreffen der Profiboxer ist im Vorfeld lautstark von Fans und Medien gefordert worden, wobei sich das verbale Warmboxen über Monate hinzog.[3] Nach der sechsten Verteidigung des IBF-Weltmeistertitels durch Henry Maske, unter anderem in einer Neuauflage des Olympiafinals von 1988 gegen Egerton Marcus, lief alles auf dieses Duell hinaus. Schon unmittelbar nach dem Mauerfall gab es einen ersten Versuch, diesen Fight zu inszenieren. Doch dieser wie auch zahlreiche spätere scheiterten – mal an Rocchigianis überzogenen Forderungen, weil ihm die Stadt Halle als Austragungsort missfiel (1992), oder weil er schlichtweg ‚keinen Bock‘ hatte. Maske hingegen ging der Kampf mit Rocky nicht aus dem Kopf. Denn trotz des Eisernen Vorhangs waren die Karrieren beider Boxer seit vielen Jahren eng miteinander verflochten. Fast wäre es bereits im März 1981 zu einem ersten Aufeinandertreffen der Boxer gekommen. Die beiden noch im Junioralter stehenden Rechtsausleger hatten sich beim Turnier im polnischen Gniezno um den Goldenen Polus-Gürtel bis ins Finale geboxt. Rocchigiani musste jedoch wegen einer Schulterverletzung auf diesen Kampf verzichten; Maske wurde kampflos zum Sieger erklärt. Nur zwei Jahre später nahmen beide an der Europameisterschaft im bulgarischen Varna teil. Während sich Maske die Bronzemedaille im Mittelgewicht gegen den Jugoslawen Nusret Redžepi erkämpfte, ging Rocchigiani leer aus und wechselte anschließend ins Profilager – die Karrierewege sollten sich vorerst trennen.
Im Jahr 1988 konnten sich beide Boxer in die Annalen ihres Sports eintragen: Graciano Rocchigiani mit dem Erringen des IBF-Weltmeistertitels am 11. März 1988 und Henry Maske mit seinem Olympiasieg in Seoul vom 1. Oktober 1988. Ihre eng miteinander verzahnten Karrieren stehen hier stellvertretend für die Entwicklung zahlreicher Sportlerleben im geteilten Deutschland.

 

Erste Runde: Warm-up in Jüterbog

Henry Maske wurde am 6. Januar 1964 im brandenburgischen Treuenbrietzen als drittes Kind von Dietrich und Hannelore Maske geboren. Dank der Fürsorge seiner Eltern erlebte er eine wohlbehütete Kindheit. Sein Vater, zuvor als Polizist beschäftigt, war später als Zivilangestellter der DDR-Armee tätig; seine Mutter kümmerte sich um ihn und seine Geschwister.[4] Im 20 Kilometer entfernt gelegenen Jüterbog nahm Henry als Sechsjähriger an seinem ersten Boxtraining teil. Hier legte er den Grundstein für seine späteren Erfolge und ebnete den Weg zum Mythos des „Gentlemans“.
„Viele, die in meinem Alter waren“, so Henry Maske in einem 2011 geführten Interview, „hatten das intellektuelle Umfeld, um über die Zustände in der DDR zu diskutieren. Mein Umfeld war jedoch nicht intellektuell und meine Eltern waren einfache Leute, die ihre Arbeit verrichteten.“[5]

In dieser Aussage zeigt sich nicht nur sein Selbstbild, sie macht auch deutlich, warum er in der DDR so beliebt und berühmt war: Er stammte nicht aus privilegiertem Hause, sondern war der Sohn einfacher Leute. Im Jahr 1974 taucht sein Name erstmals in den Ergebnisprotokollen der Fachzeitschrift Boxring auf: als Bezirks-Spartakiadensieger der Schülerklasse B. Überregionale Aufmerksamkeit erzielte Maske beim Chemiepokal im März 1983. Bei diesem seit 1970 alljährlich in Halle ausgetragenen Pokal bezwang er den kubanischen Weltmeister und amtierenden Olympiasieger José Gómez Mustelier und trat damit schlagartig ins Rampenlicht. Unter der Regie Manfred Wolkes[6] stieg Henry Maske in den erweiterten Kreis der Nationalmannschaft auf und meisterte damit die entscheidende Hürde für die Nominierung zu den Europameisterschaften in Varna (Bulgarien). Unter tosendem Beifall der 3.000 Zuschauer schaffte er die Sensation.[7] Auch danach reihte sich Erfolg an Erfolg; zwischen 1983 und 1988 wurde er fünfmal DDR-Meister.

 

Zweite Runde: Sport im Gesellschaftssystem der DDR

Die SED-Führung war bemüht, ihre Bürger zu einer „sinnvollen Freizeitgestaltung“ anzuregen – nicht zuletzt mit dem Ziel der Kontrolle.[8] Bei vielen Jugendlichen entwickelte sich jedoch, bereits ab den 1950er und 1960er Jahren ein, an westlichen Trends orientiertes Freizeitverhalten. Dennoch nutzten die meisten DDR-Bürger die zahlreichen öffentlichen Angebote wie Bibliotheken, Kinos und Theater.[9]

Der geförderte Breitensport der DDR offerierte Angebote für alle Altersklassen. Diese wurden stark genutzt: Mitte der 1980er Jahre betrieben etwa 3,5 Millionen DDR-Bürger in ihrer Freizeit Sport.[10] Die Angebotsvielfalt wäre ohne das Engagement der vielen Freiwilligen aber nicht möglich gewesen.[11] An der Basis beteiligten sich etwa 400.000 ehrenamtliche Funktionäre im Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) und circa 200.000 in den Sportorganisationen der Einheitsgewerkschaft. Sämtliche Sportgemeinschaften waren in den im April 1957 gegründeten DTSB eingegliedert. Der DTSB verfolgte das Ziel, den größtmöglichen Teil der Bevölkerung für Körperkultur und Sport zu gewinnen.[12] Schon im Kindes- und Jugendalter wurden Talente gesichtet und gezielt gefördert. Wettkämpfe mit Sportfestcharakter waren in der DDR an der Tagesordnung.[13] Sie sollten motivierend für die gesamte Gesellschaft sein. Durch die frühe Heranführung an den Sport und einer durchgeplanten Sichtung von Talenten im Kindesalter, gestaltete sich die Rekrutierung der späteren Spitzensportler sehr effektiv. Durch die flächendeckende Sichtung von Talenten kamen geeignete Kinder und Jugendliche zunächst in Trainingszentren (TZ) und bei entsprechend positiver Entwicklung in Kinder- und Jugendsportschulen (KJS). Stagnierte die Entwicklung der jungen Sportler oder wurde gar ein Leistungsrückstand beziehungsweise -abfall erkannt, wurde die Förderung rasch wieder eingestellt.

Die DDR-Führung erkannte von Anfang an die Chance, durch sportliche Erfolge auf internationaler Ebene wahrgenommen und anerkannt zu werden. In den Medaillenspiegeln der Olympischen Spiele behauptete die DDR regelmäßig Spitzenpositionen,[14] so auch bei den Olympischen Sommerspielen in Seoul 1988, bei denen die DDR-Olympioniken den zweiten Platz hinter der Sowjetunion belegten.
Die 1959 von Walter Ulbricht formulierte Losung „Jedermann an jedem Ort – einmal in der Woche Sport“, die den Alltagssport popularisieren sollte, galt bis zum Ende der DDR.[15] Dieses ehrgeizige Ziel wurde im Laufe der Jahre allerdings verfehlt – nicht zuletzt aufgrund der unzulänglichen Ausstattung des Breitensportbereiches mit Sportmaterial und der ausbleibender Förderung. Dennoch waren der selbsttätige Breiten- wie auch der omnipräsente Leistungssport mitsamt ihrer „Sport-Stars“ zentrale Elemente der DDR-Gesellschaft.

 

Dritte Runde: Boxsport in der DDR

Der Deutsche Box-Verband der DDR (DBV) wurde, ein Jahr nach der Gründung des DTSB,  am 4. Mai 1958 in Berlin ins Leben gerufen.[16] Die Entwicklung des Boxsports in der DDR verlief nicht geradlinig, da es an einer kontinuierlichen Förderung mangelte. Dennoch war eines der Hauptziele des Verbandes, den Boxsport als Volksport zu etablieren.[17] Der Boxunterricht begann meist schon in den Schulen. Bereits ab 1961 gab es für interessierte Sportlehrer die Möglichkeit zur freiwilligen Fortbildung. Vielfach fehlte es jedoch an der materiellen und finanziellen Basis, Trainer fachgerecht auszubilden und den Nachwuchs anzuleiten. Da der Sport über die Schulen hinaus kaum beworben wurde, erhielten die Boxsektionen im Jahr 1962 die Aufforderung, dies zu ändern. Im Jahr 1978 zählte der Boxverband der DDR 22.350 Mitglieder und befand sich damit im unteren Drittel der Mitgliederrangliste aller Sportverbände – der beliebteste Sportverband war mit 569.685 Mitgliedern der Fußballverband, dicht gefolgt vom Angelverband mit 420.111 Mitgliedern.[18]
Das Amateurboxen nahm in den 1980er Jahren international einen immer größeren Stellenwert ein, gehörten doch der International Amateur Boxing Association (AIBA) mehr als 140 Mitgliedsverbände an. Der Ost-Berliner Karl-Heinz Wehr wurde im Jahr 1985 zum Vorsitzenden der AIBA ernannt, was durchaus als Anerkennung für die Leistung des DDR-Amateurboxens gewertet werden kann. Zum Ende der Dekade hielt die DDR schließlich eine Spitzenposition im internationalen Boxsport inne.[19]

Die gesellschaftliche Akzeptanz des Leistungssports war in den 1970er und 1980er Jahren in der DDR sehr ambivalent, was anhand der Einschaltquoten bei großen Sportereignissen abzulesen ist. Lag die durchschnittliche Einschaltquote bei den Olympischen Spielen 1972 in München mit 40 % im Vergleich zum Abendprogramm (circa 31 %) noch relativ hoch,[20] kehrte sich dieses Bild bei der Olympiade 1988 um: Hier sank die Einschaltquote auf 30 %, die durchschnittliche Einschaltquote der 20 Uhr-Nachrichten stieg hingegen auf 38 % an. Der für die 1970er Jahre durch den Historiker Thomas Fetzer konstatierte Zusammenhang zwischen den Erfolgen der DDR-Spitzensportler und der allabendlichen Einschaltquote verlor sich ab Mitte des nachfolgenden Jahrzehnts in einigen Sportarten. Dazu zählte auch das Boxen. Lag bei der Box-Europameisterschaft von 1977 die Einschaltquote noch bei etwa 38 % – und dies trotz des geringen Erfolgsindikators von nur rund 17 % –, sank sie beim Weltcup 1987 auf 12 %, obgleich der Erfolgsindikator mit 16 % ähnlich ausfiel.[21] Ein Grund für diese Entwicklung könnte in der größeren Anzahl attraktiver Alternativprogramme zu finden sein. Nicht auszuschließen ist auch, dass DDR-Bürger „ihren“ ostdeutschen Sportlern lieber bei ARD und ZDF zujubelten, weil sie, so Thomas Fetzer, „mit den Kommentarleistungen der DDR-Reporter unzufrieden waren“.[22] Doch trotz des Rückgangs der Einschaltquote mobilisierte der Boxsport in der DDR noch immer eine stattliche Zuschauerzahl.[23] Daran lässt sich durchaus die Beliebtheit des Boxens im Vergleich zu anderen Sportarten festmachen.

 

Vierte Runde: Aus Niederlagen lernen – der Chemiepokal der DDR 1988

Der Chemiepokal der DDR diente Henry Maske als Vorbereitung für die Olympischen Spiele 1988. In diesem Wettbewerb hatte der damals 19jährige seinen ersten großen Erfolg feiern können. Der Wettkampf, zu dem erstmals im August 1970 der Gong in Halle an der Saale ertönte, wurde jährlich ausgetragen und veranstaltet, um Amateurboxer auf die Wettkampfbedingungen der Olympischen Spiele vorzubereiten. Zudem bot er den einzelnen Verbänden Gelegenheit zur Bestandsaufname und Formüberprüfung. Der Name Chemiepokal ist auf die enge Verbindung Halles mit der chemischen Industrie zurückzuführen, die schließlich auch im Namen des Boxvereins SC Chemie Halle ihren Niederschlag findet. Beim XVIII. Chemiepokal 1988 testete der Deutsche Boxverband insgesamt 33 Teilnehmer, um ein starkes Aufgebot für die Olympischen Spiele in Seoul auszuwählen. Außerdem traten 74 Boxer aus der UdSSR, Rumänien, der Bundesrepublik Deutschland, Bulgarien, Kuba, der ČSSR, Polen und anderer Nationen an.[24] Das Teilnehmerfeld bildete sich damit überwiegend aus Ländern des ‚Ostblocks‘. Im Mittelgewicht, der Klasse von 71 bis 75 Kg, hieß die alles überstrahlende Lichtgestalt Ángel Espinosa Capó. Im Finalkampf im März 1988 hatte der Kubaner Henry Maske zum Anfänger degradiert.[25] Während des Kampfes schien es, Espinosa selbst könne den Zeitpunkt des Kampfendes bestimmen. Er machte unmissverständlich deutlich, dass sein Kontrahent nicht an ihm vorbeikommen würde. Erfolg für Maske versprach eher ein Wechsel der Gewichtsklasse. Gegen ihn zu verlieren, war für ihn allerdings keine Schande, denn Boxer vom Format Espinosas gab es zu dieser Zeit nicht viele. Da Kuba jedoch die Olympischen Spiele boykottieren sollte, blieb auch Espinosa dem Turnier fern; damit war einer der härtesten Konkurrenten im Kampf um die Medaillen nicht im Teilnehmerfeld vertreten.

 

Fünfte Runde: Auf dem Weg zur Olympiade

Am 7. September 1988 wurden 284 für die Olympischen Sommerspiele nominierten Sportler der DDR sowie deren Trainer und Betreuer feierlich in Strausberg bei Berlin verabschiedet. Das XXIV. Olympische Turnier sollte zehn Tage später in Seoul offiziell eröffnet werden. Günter Erbach, Staatssekretär für Körperkultur und Sport, überbrachte den Sportlern die Grüße des Generalsekretärs des Zentralkomitees der SED und des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker.[26] Das Motto der Veranstaltung verdeutlichte abermals die hochgradige Politisierung des Sports: „Vollbringt hohe sportliche Leistungen zur Stärkung unserer sozialistischen DDR!“[27] In Seoul starteten 441 Boxer aus 107 Ländern. Für die AIBA war es der bisher größte Wettbewerb. Gekämpft wurde um insgesamt 48 Medaillen, was einen neuen olympischen Rekord darstellte. Alles war bereitet für ein großes Turnier:

 

Olympia 1988 – Maskes Vorbereitungen auf den Finalkampf

...das bisher größte Ereignis meiner Karriere stand mir bevor. Die morgendliche Routine aus Wiegen, Training und nochmaligem Wiegen, hatte ich für den heutigen Tag ausgesetzt. Ich war fokussiert. Ich war da, wo ich sein wollte und hatte dafür hart trainiert.[28] Es war meine große Chance bei dieser Olympiade. Da Kuba die Spiele boykottierte, war mein schärfster Konkurrent Espinosa nicht dabei. Noch beim Chemiepokal im März hatte er mich im Finale degradiert. Aber er war nicht da, ich dagegen schon. Das Bettlaken war kühl, der Himmel vor meinem Balkonfenster noch leicht bewölkt als ich unter die Dusche stieg. Boxer sind bei Olympia wahre Marathonsportler, die ersten Kämpfe beginnen am Eröffnungstag, die Finals finden am letzten statt.[29] Es gab keine Zeit zum Entspannen. In drei Stunden kommt der Bus, der mich zur Halle fährt. Derselbe Bus, mit dem ich zu jedem meiner Kämpfe gefahren bin. Am dritten Tag des Turniers war ich das erste Mal in den Ring gestiegen. Gegen Helman Palije aus Malawi hatte ich einen meiner leichteren Kämpfe, den ich klar mit 5:0 für mich entschied.[30] Darauf folgte das Achtelfinale, das ich kampflos gegen Sello Mojela aus Lesotho gewann.[31] Danach zwei glatte Erfolge, im Viertelfinale gegen den Italiener Michele Mastrodonato, im Halbfinale gegen Christian Sande aus Kenia.[32] In der Halle herrschte, wie an meinen Kampftagen zuvor, ein ohrenbetäubender Lärm. In jedem der drei Ringe stand ein koreanischer Referee. Die Zuschauer bejubelten jeden Kampf geradezu hysterisch. Es war schwierig für uns Boxer, mit der Stimmung in der Halle umzugehen. Durch die verschiedenen Boxkämpfe, die zeitgleich liefen, jubelten die Zuschauer an den unmöglichsten Momenten. Wir Boxer waren geneigt, uns leicht ablenken zu lassen. Aber nicht heute. Kopf und Körper waren bereit. Ich ging an den Ordnern vorbei in den Innenraum der Halle, um die Stimmung in mich aufzunehmen. Der Duft von glorreichen Siegen und schmachvollen Niederlagen hing in der Luft. Der penetrante Schweißgeruch kämpfender Männer war durch die Absauganlagen nicht in den Griff zu kriegen. Aber all das interessierte mich heute nicht. Ich ging in den Umkleidetrakt und suchte nach meiner Kabine. Es gab eine für die blaue und eine für die rote Ecke. Ich zog mich um und bandagierte mir danach die Hände. „Eine Schlaufe um den Daumen, danach wurden die Faust und der Arm bis über die Knöchel stramm umwickelt.“[33] Ich weiß nicht, wie oft ich es zuvor schon getan hatte. Es war reine Routine. Bei der Ausgabe der Handschuhe wartete ich nur kurz und nachdem mir ein Paar überreicht wurde, schlüpfte ich hinein und fieberte meinem Kampf entgegen.

 

Olympia 1988 – Der Finalkampf

Endlich war es so weit. Ich bekam mein Zeichen und ging zum Ring. Wie schon hunderte Male zuvor stieg ich durch die Seile, aber heute war es anders, heute war Finale. Dann sah ich ihn in der anderen Ecke stehen: meinen Gegner. Es war Egerton Marcus, ein exzellenter kanadischer Boxer. Er war leicht gedrungen und dennoch ein harter Fighter. Der Ringrichter führte uns zusammen und ich starrte Marcus in die Augen. Ich hatte die Hoffnung, ich könnte Angst darin erkennen, aber dort war nichts dergleichen. Keine Regung blitzte durch seine Augen. Er hatte einen Tunnelblick, genauso wie ich. Ich sah mich noch einmal um und erblickte in meiner Ecke Manfred Wolke. Zu ihm hatte ich schon früh aufgeschaut. 1968 hatte er in Mexiko Olympisches Gold gewonnen, war vier Jahre später in München Fahnenträger der Republik. Eine lebende Legende und als Trainer ein Mythos. In seinen Augen sah ich das, was ich schon unzählige Male im Training gesehen hatte: brennenden Ehrgeiz. Auch für ihn wollte ich heute gewinnen. Im selben Moment erinnerte ich mich an mein angespanntes Verhältnis zu den Zuschauern in der DDR. Dort war ich ein gescholtener Boxer.[34] Sie konnten mit meinem Boxstil nichts anfangen,[35] aber Olympiagold würde sie begeistern, egal wie es zustande gekommen war.

Fast wurde ich vom ersten Gong überrascht. Marcus stürmte auf mich zu, um mich schnell aus der Bahn zu werfen.[36] Mit einem rechten Seitwärtshaken zielte er auf mein Gesicht, doch ich konnte ihn abwehren. Ich setzte einen Jab,[37] um ihn mir vom Leib zu halten. „Von Anfang an hatte ich das Gefühl für die richtige Distanz.“[38] Ich dominierte den Kampf klar und war „taktisch [...] vorzüglich eingestellt“.[39] Dennoch bemerkte ich, wie mein linkes Auge anschwoll.[40] Nach der zweiten Runde sank ich erschöpft auf den Stuhl in meiner Ecke. Manfred Wolke stieg zu mir in den Ring und gab mir Wasser. Er redete auf mich ein, doch ich verstand nur noch die Hälfte, nahm ihn kaum wahr. Auf meine Augenbrauen wurde großzügig Vaseline verteilt, damit sie nicht aufplatzen konnten. Kaum hatte ich mich gesetzt, ging der Kampf auch schon weiter. Ich stand im Ring und erinnerte mich an das, was mein Coach zu mir gesagt hatte: „Nutze deinen rechten Seitwärtshaken, denn dort ist seine Deckung löchrig. Wenn er ausbricht, folgt direkt dein Uppercut!“[41] Ich hörte auf ihn und es funktionierte. Auch mein Cross[42] zeigte in den folgenden Runden Wirkung. Ich fühlte, dass es mein Kampf war und dass ich mir diesen Sieg nicht mehr nehmen lassen würde. Ich boxte „sparsam, aber wirkungsvoll“[43] – meinen typischen Stil. Die Runden gingen schnell vorüber, der große Moment war bereits gekommen, in dem der Offizielle Osvaldo Bisswall (Argentinien) mit drei Schlägen auf den Ringboden die letzten zehn Sekunden der finalen Runde signalisierte. Dann war es geschafft.

 

Olympia 1988 – Die Siegerehrung

Das Turnier war genau so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt und erhofft hatte. Der Ringrichter nahm nach dem Kampf meine Hand und der Hallensprecher verkündete: „The winner is Henry Maske.“ „Ein ganzes Gebirge polterte mir vom Herzen, gegen alle Regeln sprang ich, so hoch ich konnte, in die Luft.“[44] Erst nach meiner Landung konnte der Kampfrichter meinen Arm hochheben. Es folgte der ganze Rummel von Dopingproben und Interviews. Mittags um halb zwölf folgte die Siegerehrung im Chamshil-Gymnasium von Seoul. Ich stieg auf das mittlere Treppchen und die Nationalhymne der DDR wurde gespielt. Ich hatte Tränen in den Augen...

 

6. Runde: Maskes Triumph und die Rezeption in der DDR

Die DDR-Faustkämpfer erreichten mit zwei Mal Gold durch Henry Maske (Mittelgewicht) und Andreas Zülow (Leichtgewicht) sowie einer Silbermedaille durch Andreas Tews (Fliegengewicht) die bisher beste Olympiabilanz seit der ersten Teilnahme 1956. Sie bestätigten damit ihre Zugehörigkeit zur Weltspitze. Nur die USA (3/3/2) und die vermutlich bevorteilten Südkoreaner (2/1/1) erreichten ein noch besseres Ergebnis.[45] Erich Honecker gratulierte den drei Medaillengewinnern direkt per Telegramm. Zu Henry Maske telegrafierte er, dass dieser es geschafft habe, auch im olympischen Wettstreit sein hohes sportliches Können unter Beweis zu stellen.[46] Maske selbst wurde in seinem Wohnhaus in Frankfurt an der Oder mit großer Euphorie empfangen. Die Nachbarn hatten zur Ankunft des Goldgewinners einen roten Teppich ausgerollt und den Hausflur mit Blumen dekoriert.[47]

Zwei Tage nach dem erfolgreichen Finale Henry Maskes attestierte das Neue Deutschland auf der Titelseite den beiden Goldgewinnern Maske und Zülow „Goldene Fäuste“.[48] Über mehrere Seiten hinweg wurde Maskes Kampf nüchtern und sachlich dargestellt. Er habe seinen Gegner schlichtweg nicht zur Entfaltung kommen lassen, lautete das Resümee. Von Beginn an habe Maske das taktische Konzept Marcus’ zersetzt. Die Zeitungen schrieben vom „typischen Maske-Stil“.[49] Ein Interview mit dem frisch gebackenen Olympiasieger, das nur zwei Tage nach dem Triumph im Neuen Deutschland erschien, thematisierte allerdings vorwiegend Belanglosigkeiten. Anstelle den Kampf zu besprechen, wurden ihm Fragen wie „Was machen Sie gern?“, „Gehen Sie gerne Pilze suchen?“ und „Ihr Lieblingsgericht?“ gestellt.[50] Zwar gewähren Maskes Antworten durchaus persönliche Einsichten, doch erscheinen diese nach einem so großen Sieg aus heutiger Perspektive nebensächlich. Die Gelegenheit, den Sieg des Arbeitersohns in Relation zum Sozialismus zu setzen, blieb hier ungenutzt.

Selbstredend berichtete auch der DDR-Rundfunk ausführlich über Henry Maskes Olympiasieg. Die letzten Sekunden des Fights wurden sogar live übertragen. Maske sei, wie der Reporter kundtat, ganz klar der Chef im Ring gewesen – wie es für ihn eben typisch gewesen sei. Dieser werde „einen sportlichen 8.000er bezwingen können“,[51] frohlockte ein enthusiastischer Reporter kurz vor Ende des Kampfes, der zudem analysierte, dass in Maskes Sammlung eigentlich nur dieser Olympiasieg fehle. Den Sieg selbst wertete er als „Riesenerfolg“ für den DDR-Boxsport und besonders natürlich für Henry Maske persönlich, „denn er hat ja auch seine Kritiker gehabt, er hat manchmal enttäuscht, weil er dann was weiß ich nicht so voll da war, wie wir es eigentlich erwartet haben“. Seinen bisher „größten Triumph“ aber hatte Maske mit einem „Spektakel“ errungen. In einem Interview, dass Henry Maske am Tag nach seinem Sieg mit Radio DDR 1 führte, gab dieser bereitwillig Auskunft über das Vorbereitungstraining und seine aktuelle Form.[52] Er habe schon während der Tage vor dem Kampf gespürt, dass es immer besser laufe, er im Begriff sei, zu alter Form aufzusteigen. Daher ging Henry Maske mit Zuversicht in den Kampf. Der Olympiasieg war für ihn „eine Riesensache“.

„Und da kommen die Helden“,[53] kündigte der DDR-Reporter Uwe Grandel im DDR-Fernsehen den Einmarsch Maskes und der anderen Platzierten in das Chamshil-Gymnasium von Seoul an und äußerte begeistert, der Schützling Manfred Wolkes sei außerdem Anwärter auf den Titel des beliebtesten Boxers des Turniers. „Ein strahlender Henry Maske. Eine Leistung, die viele ihm sicher wieder einmal nicht zugetraut haben [...], aber jetzt, als es darauf ankam, hat er alles beiseitegeschoben, hat sich auf sein eigenes Können besonnen und sich durchgesetzt“, konstatierte Grandel. Mit Tränen in den Augen blickte der stolze Boxer während der Hymne zur wehenden DDR-Flagge nach oben, ehe der Reporter feierlich verkündete: „Ein glücklicher Augenblick für unser Land, für unsere Republik und für unseren Boxsport insgesamt.“ Auch andere DDR-Medien berichteten ähnlich euphorisch: „Taktisch klug boxt der Frankfurter gegen den wuchtig angreifenden Kanadier“,[54] hieß es in der Aktuellen Kamera vom 1. Oktober 1988. „Doppeleuropameister, Vizeweltmeister, Weltcupsieger! Mit dem Olympiasieg krönt der 24jährige seine bisherige Laufbahn“, konstatierte der begeisterte Nachrichtensprecher Hans-Dieter Lange in der Sendung.
Auf der anderen Seite der Berliner Mauer spielten die Leistungen der DDR-Olympiamannschaft und auch das Olympiagold Maskes hingegen keine große Rolle. Die Erfolge Henry Maskes, Andreas Zülows und Andreas Tews’ wurden lediglich in den Ergebnislisten des Olympia-Boxens angeführt.[55] Ein Artikel in der Box-Sektion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der nur einen Tag nach Maskes Sieg erschien, thematisierte allein Ungereimtheiten bei den Entscheidungen der Referees im Kampf zwischen dem Koreaner Park Si-Hun und dem Amerikaner Roy Jones.[56] Auch der Süddeutschen Zeitung war der sportliche Triumph des östlichen Nachbarn nicht einen Artikel wert.[57] Doch wahrscheinlich erklärt sich dieses Desinteresse an den DDR-Boxererfolgen weniger aus einer Geringschätzung der boxerischen Leistungen als vielmehr aus dem geringen Bekanntheitsgrad der Boxer und der mäßigen Popularität des ostdeutschen Boxsports in der Bundesrepublik.

In der DDR ereignete sich am 10. Oktober ein eindrückliches Beispiel für die enge Verzahnung von Sport und Politik: die Festveranstaltung zum 40. Jahrestag der Sozialistischen Sportorganisation der DDR zu Ehren des DTSB. Unter den Teilnehmern fanden sich auch viele Olympiateilnehmer, nicht wenige sogar in der Ehrenloge. Gewürdigt wurde der DTSB, wie es im Boxring hieß, aufgrund „seiner außerordentlichen Verdienste bei der allseitigen Stärkung des sozialistischen Vaterlandes und der Entwicklung von Körperkultur und Sport“.[58] Erich Honecker verlieh dem DTSB den Karl-Marx-Orden[59] und lobte, wie sehr sich die DDR-Sportler bei der Olympiade in Seoul „als leistungsfähige und willensstarke Sendboten des Sozialismus erwiesen hätten“.[60] Am 11. November 1988 kam es schließlich zu einem weiteren großen Festakt und der Auszeichnung der DDR-Olympioniken im Palast der Republik. Erich Honecker betonte in seiner Rede die Bewunderung und Anerkennung für die DDR-Mannschaft, die sich im olympischen Konkurrenzkampf behauptet habe. Worin die Wurzeln ihrer Erfolge zu suchen seien, machte er in seiner Rede unmissverständlich klar:

„Das Wunder, von dem man angesichts der Erfolge unserer Sportlerinnen und Sportler immer wieder in aller Welt spricht, ist kein Geheimnis. Es heißt Sozialismus, wenn man so will, Sozialismus in den Farben der Deutschen Demokratischen Republik.“[61]

Durch die Leistung des „prächtigen Kollektivs“[62] der DDR-Mannschaft wäre der Weltöffentlichkeit erneut vor Augen geführt worden, dass die Ideale und Ideen Olympias in der DDR ein gutes zu Hause hätten.[63] Die gesamte Rede Honeckers ist durchsetzt mit entsprechenden Passagen, in denen er unermüdlich den Sozialismus propagiert. Ohne diesen wären die Leistungen der Olympioniken nicht möglich gewesen. Das Neue Deutschland berichtete schließlich auch von der ausgelassenen Stimmung, die auf diesem traditionellen postolympischen Ball geherrscht habe, da in allen Räumen des Palastes „Kapellen und Bands zum Tanz aufspielten“.[64] Die DDR-Boxamateure und viele weitere Olympioniken hatten ein äußert erfolgreiches Turnier bestritten und sich damit die Feierlichkeiten redlich verdient. Mit Henry Maske hatte eine „Lichtgestalt“[65] des Boxens der kommenden Dekade seinen größten Erfolg als Amateurboxer gefeiert. Ihm wurde an diesem Abend, wie allen andern Goldmedaillengewinnern, der Vaterländische Verdienstorden in Gold verliehen.[66]

...Mit der Olympischen Goldmedaille hatte ich das erreicht, wovon ich schon so lange geträumt hatte. Unzählige Schmerzen hatte ich für diesen Moment in Kauf genommen, Unmengen an Schweiß vergossen. In dieser Sekunde hatte ich es allen bewiesen: meinem Trainer, meinen Fans, meinen Kritikern und erst recht mir selbst. Es war der größte Moment meiner bisherigen Karriere. 1988 würde immer ein besonderes Jahr in meinem Leben bleiben, dessen war ich mir sicher.

 

[1]     IBF ist die Abkürzung für die International Boxing Federation.
[2]     Henry Maske vs. Graciano Rocchigiani I (round 10–12) 1995.
[3]     Dietrich Denz, Henry Maske. München 1996, S. 86. Der langjährige Boxring-Redakteur Dietrich Denz war einer der wichtigsten Boxjournalisten des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes (ADN).
[4]     Klaus Weise, Henry Maske. Auf eigene Faust. Der Weg zum Champion. Gütersloh 1995, S. 17.
[5]     Markus Tschiedert, „Henry Maske: Ständig daran arbeiten, dass es echt wirkt“, in: Y. Das Magazin der Bundeswehr (2011).
[6]     Zweifelsohne stellte der Trainerwechsel zu Manfred Wolke in Maskes Karriere eine entscheidende Zäsur dar. Nach dem Ende seiner eigenen sportlichen Laufbahn 1972 war Wolke als Boxtrainer beim ASK Vorwärts Frankfurt (Oder) und zwischenzeitlich als Co-Trainer der DDR-Nationalmannschaft tätig. Siehe dazu Klaus Gallinat, „Manfred Wolke“, in: Helmut Müller-Enbergs/Jan Wielgohs/Dieter Hoffmann (Hg.), Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon. Berlin 2000, S. 937.
[7]     Vgl. Denz, Henry Maske (wie Anm. 2), S. 49.
[8]     Ulrike Häußer/Marcus Merkel, „Wie in der DDR gefeiert, gelacht und gespielt wurde“, in: Dies. (Hg.), Vergnügen in der DDR. Berlin 2009, S. 14–21, hier S. 14f.; Verena Zimmermann, „Den neuen Menschen schaffen.“ Die Umerziehung von schwererziehbaren und straffälligen Jugendlichen in der DDR (1945–1990). Köln/Weimar 2004, S. 187f.; Vgl. auch Klaus Schroeder, Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR 1949–1990. Köln 2013, S. 765–808.
[9]     Siehe dazu Uta G. Poiger, Jazz, Rock, and Rebels. Cold War Politics and American Culture in a Divided Germany. Berkeley/Los Angeles/London 2000, S. 3f.
[10]    Hier und im Folgenden siehe Schroeder, SED-Staat (wie Anm. 7), S. 765–784. Von staatlicher Förderung blieben jedoch Sportarten wie Golf, Tennis, Yoga und Surfen ausgeklammert, da diese als ‚Versuchungen des Kapitalismus‘ gedeutet wurden.
[11]    Siehe dazu insgesamt Robert Brichta, DDR-Breitensport als eigensinnige gesellschaftliche Erscheinung? Zur sozialen Funktion und Wirkung des nicht leistungsorientierten Sports in der DDR. Göttingen 2011.
[12]    Patrick Litz, Der Beitrag des Sports zur Entfaltung der sozialistischen Persönlichkeit in der DDR. Berlin 2007, S. 38f.
[13]    Ute Mohrmann, „Lust auf Fest. Zur Festkultur in der DDR“, in: Häußer/Merkel, Vergnügen in der DDR (wie Anm. 7), S. 32–52, hier S. 47f.
[14]    Diese Erfolge können nicht selten auf das flächendeckende Zwangsdoping in der DDR zurückgeführt werden, das hier jedoch nicht weiter ausgeführt werden soll. Siehe dazu Giselher Spitzer, Doping in der DDR. Ein historischer Überblick zu einer konspirativen Praxis (= Bundesinstitut für Sportwissenschaft, Bd. 3). Köln 1998. Zur frühen Geschichte des Dopings siehe Ders. (Hg.), Doping in Deutschland: Geschichte, Recht, Ethik. 1950–1972 (= Doping, Enhancement, Prävention in Sport, Freizeit und Beruf, Bd. 7). Köln 2013.
[15]    Jutta Braun, „,Jedermann an jedem Ort – einmal in der Woche Sport.‘ Triumph und Trugbild des DDR-Sports“, in: Thomas Großbölting (Hg.), Friedensstaat, Leseland, Sportnation? DDR-Legenden auf dem Prüfstand. Berlin 2009, S. 177–195, hier 181f.
[16]    Das moderne Boxen stellt in der heutigen Zeit einen organisierten Konkurrenzkampf zwischen zwei Männern dar. Duelle von Frauen im Boxring etablierten sich erst in den letzten 20 Jahren und sind 1988 noch eine Randerscheinung. Der Soziologe Axel Binhack deutet den Kampf als spezifisch menschliches Phänomen, das in Verbindung zum urzeitlichen Jagdverhalten steht, wenngleich es sich nicht ausschließlich auf dieses zurückführen lasse. Stellte der menschliche Kampf in der Vergangenheit meist eine Überlebensnotwendigkeit dar, so entwickelte er sich bis heute zu einem gefährlichen Beruf mit Hang zur Dramaturgie. Siehe dazu Axel Binhack, Über das Kämpfen. Zum Phänomen des Kampfes in Sport und Gesellschaft. Frankfurt am Main/New York 1998, S. 186f. Außerdem Birk Meinhardt, Boxen in Deutschland. Hamburg 1996, S. 68f.
[17]    Wie die DDR, die sich über den „Antifaschismus“ definierte, mit dieser Sportart und ihrer Geschichte im Nationalsozialismus umging, und ob dieser Sport auch nach 1945 als „Volkssport“ für die DDR passend war, sind wichtige Fragen, die jedoch hier nicht weiter analysiert werden können.
[18]    Litz, Der Beitrag des Sports zur Entfaltung (wie Anm. 11), S. 43.
[19]    Inwiefern diese Spitzenposition auch der etablierten Dopingpraxis in der DDR geschuldet ist, kann hier nicht weiter erläutert werden. Auch gegen Henry Maske gab es entsprechende Vorwürfe. Siehe dazu „DDR-Doping. Stiche im Hintern“, in: Der Spiegel, Nr. 35, vom 24. August 1998, S. 71 sowie Hans Joachim Teichler, „Doping in der Endphase der DDR und im Prozess der Wende 1989/90“, in: Klaus Latzel (Hg.), Hormone und Hochleistung: Doping in Ost und West. Köln 2008, S. 139–149.
[20]    Hier und im Folgenden Thomas Fetzer, „Die gesellschaftliche Akzeptanz des Leistungssportsystems“, in: Hans Joachim Teichler (Hg.), Sport in der DDR. Eigensinn, Konflikte, Trend (= Bundesinstitut für Sportwissenschaft: Wissenschaftliche Berichte und Materialien, Bd. 9). Köln 2003, S. 273–358, hier S. 288.
[21]    Ebd., S. 290. Auch beim Radsport und den Schwimmweltmeisterschaften zeigte sich ein ambivalentes Einschaltverhalten. Die Internationale Friedensfahrt im Radsport 1988 mobilisierte im Gegensatz zum Boxen noch 23 % der Zuschauer, allerdings bei einem deutlich höheren Erfolgsindikator von 29 %. Die Schwimmweltmeisterschaften verfolgten über 31 % der Zuschauer, und dies trotz eines deutlich geringeren Erfolgsindikators von 12 %. Siehe dazu Ebd., S. 289.
[22]    Fetzer, Die gesellschaftliche Akzeptanz (wie Anm. 19), S. 300.
[23]    Zur politischen Instrumentalisierung von TV-Sportberichterstattung in der DDR siehe Jasper A. Friedrich, „Zensur und Einflussnahme in Sport und Medien. Politische Instrumentalisierung von TV-Sportberichterstattung in der DDR“, in: Dietrich Leder/Hans-Ulrich Wagner (Hg.), Sport und Medien. Eine deutsch-deutsche Geschichte (= Jahrbuch Medien und Geschichte 2011). Köln 2011, S. 90–104.
[24]    Illustrierte Hallesche Sportgeschichte. Chemiepokal im Boxen in Halle (Saale). Teil I (1970 bis 1989).
[25]    Herbert Schaaf, „Zülow, Mehnert und Espinosa glänzten“, in: Der Boxring. Organ des Deutschen Boxverbandes der DDR, Jg. 27 (1988), H. 4, S. 7.
[26]    Wolfgang, Richter, „Olympiamannschaft der DDR wurde feierlich verabschiedet. Gute Wünsche Erich Honeckers für sportliche Erfolge“, in: Neues Deutschland, Nr. 213, vom 8. September 1988, S. 1.
[27]    Hans-Joachim Jahn/Hans-Dieter Jancker, „Verabschiedung der Olympia-Mannschaft der DDR“, in: Aktuelle Kamera, vom 7. September 1988, 19:30 Uhr, Dauer 28’ 00“, 001 TC Sequenz 0’ 24“, DRA, Beitrag OVC3794.
[28]    Das Trainingspensum von Henry Maske betrug während der Wettkampfvorbereitung (7 bis 9 Trainingswochen) insgesamt über 1.000 Trainingsrunden, davon circa 160–170 Sparringsrunden mit bis zu 35 Trainingsrunden pro Einheit. Siehe dazu Henry Maske, Mein Box-Lexikon. Aufgezeichnet von Bertram Job. Frankfurt am Main 1995, S. 132.
[29]    Henry Maske, Nur wer aufgibt, hat verloren. Bergisch Gladbach 2006, S. 108.
[30]    Dietrich Denz, „Der weite Weg zu den Medaillenrängen. Ein Turnierüberblick bis zum Viertelfinale“, in: Der Boxring. Organ des Deutschen Boxverbandes der DDR, Jg. 27 (1988), H. 11, S. 7.
[31]    Jürgen Holz, „Tews, Zülow und Maske setzten sich durch. Der Weg der DDR-Boxer bis zum Viertelfinale“, in: Der Boxring. Organ des Deutschen Boxverbandes der DDR, Jg. 27 (1988), H. 11, S. 8f.
[32]    Gustav Baumgardt, „Boudouani stoppte Weltmeister Gould. 29. September – Halbfinale“, in: Der Boxring. Organ des Deutschen Boxverbandes der DDR, Jg. 27 (1988), H. 11, S. 10.
[33]    Maske, Nur wer aufgibt, hat verloren (wie Anm. 28), S. 109.
[34]    Jürgen Holz, „Zülow und Maske am Ende souverän. 1. und 2. Oktober – Finale“, in: Der Boxring. Organ des Deutschen Boxverbandes der DDR, Jg. 27 (1988), H. 11, S. 11.
[35]    Maske, Nur wer aufgibt, hat verloren, S. 98. Henry Maskes Boxstil gehörte zur Kategorie „Stick-and-Move“. Dies beschreibt einen Konterboxer, der vor dem angreifenden Boxer tänzelnd zurückweicht oder flach auf dem Boden steht. Der Gegner wird hauptsächlich auf Distanz gehalten. Das Publikum, auch das der DDR, wünschte jedoch zumeist einen bedingungslosen Kampf und honorierte vermeintlichen Mut – was Maske nicht lieferte. Auch demütigte oder „verprügelte“ Maske hoffnungslos unterlegene Gegner nicht, was ihm im Verlauf der 1990er Jahre den Spitznamen „Der Gentleman“ einbrachte.
[36]    Vgl. Uwe Grandel, „Boxen, Olympia 1988 in Seoul, Finale und Siegerehrung“, in: DDR-Fernsehen – Sportaufzeichnung ausländischer Herkunft mit Kommentar, DDR-Fernsehen, vom 1. Oktober 1988, Dauer 103’ 26“, 008 TC Sequenz 18’ 04“, DRA, Beitrag AD 54281.
[37]    Jab: Abrupt geschlagene Gerade mit der Führhand.
[38]    Maske, Nur wer aufgibt, hat verloren (wie Anm. 28), S. 110.
[39]    Vgl. Grandel, Boxen, Olympia 1988 in Seoul, Finale und Siegerehrung (wie Anm. 35).
[40]    Zu den maßgeblichen Gesundheitsgefahren im Boxen zählen im Wesentlichen diejenigen mechanischen Einwirkungen, die den Schädel direkt treffen. Folgen sind vorwiegend Platzwunden an Jochbögen, Augenbrauen, den Lidern, der Stirn, den Lippen, der Nase oder am Ohr. Siehe dazu: Georg Anders/Richard Felten/August Kirsch (Hg.), Boxen und Gesundheit. Zur Frage von Langzeitschäden und ihrer Verhütung (= Schriftenreihe Medizin, Bd. 3). Köln 1977, S. 72. Weiter zum Forschungsstand 1988 siehe Peter Ulbrich, Funktionsdiagnostik und ausgewählte biochemische und histomorphologische Untersuchungsergebnisse bei Boxsportlern. Ein Beitrag der Sportmedizin zur Aufhellung der Leistungsstruktur. Berlin (Ost) 1988.
[41]    Uppercut: Auch als Aufwärtshaken oder Kinnhaken bekannt.
[42]    Cross: Gerade, die mit der Schlaghand ausgeführt wird.
[43]    Holz, Zülow und Maske am Ende souverän (wie Anm. 33), S. 11.
[44]    Maske, Nur wer aufgibt, hat verloren (wie Anm. 28), S. 111.
[45]    Im Viertelfinale wurde das Geschehen durch einige Ungereimtheiten in Bezug auf die Entscheidungen überschattet. Sie fanden ihren unrühmlichen Höhepunkt darin, dass Trainer, Offizielle und Ordner Südkoreas wegen eines vermeintlichen Fehlurteils den Ring stürmten und den Referee verprügelten. In Seoul wurde das aggressive und bedingungslose Angriffsboxen, in Anlehnung an das Profiboxen, zu hoch bewertet. Dennoch wurde auch das technisch-taktische europäische Boxen honoriert (Henry Maske).
[46]    Dietrich Denz, „Zweimal Gold und einmal Silber – bisher erfolgreichste Olympiabilanz für DDR-Boxsport. Spiele der XXIV. Olympiade 1988 in Soul“, in: Der Boxring. Organ des Deutschen Boxverbandes der DDR, Jg. 27 (1988), H. 11, S. 3.
[47]    Maske, Nur wer aufgibt, hat verloren (wie Anm. 28), S. 110f.
[48]    „Glänzender Erfolg für die Sportler der DDR – insgesamt 102 Medaillen“, in: Neues Deutschland, Nr. 234, vom 3. Oktober 1988, S. 1.
[49]    „32 Jahre nach dem erstem Olympiagold zweifacher Triumph der DDR-Boxer“, in: Neues Deutschland, Nr. 234, vom 3. Oktober 1988, S. 8.
[50]    „Gespräche mit unseren beiden Olympiasiegern“, in: Neues Deutschland, Nr. 234, vom 3. Oktober 1988, S. 8.
[51]    Hier und im Folgenden „XXIV. Olympische Sommerspiele 1988 in Seoul. Boxen: Entscheidung im Mittelgewicht“, in: Rundfunk der DDR, vom 1. Oktober 1988, Dauer 2’ 28“, DRA, Archivnummer 2022056.
[52]    Hier und im Folgenden „XXIV. Olympische Sommerspiele 1988 in Seoul. Gespräch mit dem Boxer Henry Maske“, in Rundfunk der DDR, Radio DDR 1, vom 2. Oktober 1988, Dauer 5’ 28“, DRA, Archivnummer 2022128.
[53]    Hier und im Folgenden Uwe Grandel, „Boxen, Olympia 1988 in Seoul, Finale im Schwergewicht und Siegerehrung“, in: DDR-Fernsehen – Sportaufzeichnung ausländischer Herkunft mit Kommentar DDR-Fernsehen vom 1. Oktober 1988, Dauer 27’ 29“, 003 TC Sequenz 7’ 31“, DRA, Beitrag AD54280.
[54]    Hier und im Folgenden Hans-Dieter Jancker/Hans-Dieter Lange „AK-Sport: Olympische Sommerspiele 1988 – Erfolge der DDR-Sportler“, in: Aktuelle Kamera, vom 01. Oktober 1988, 19:30 Uhr, Dauer 29’ 00“, 007 TC Sequenz 1’ 39“, DRA, Beitrag OVC7897.
[55]    Beispielsweise „Ergebnisse“, in: Bild, Nr. 231/40, vom 3. Oktober 1988, S. 10; „Olympische Entscheidungen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 230/40, vom 3. Oktober 1988, S. 23.
[56]    Hans-Joachim Leyenberg, „Getrennt erleben, getrennt empfinden. Im Camp Bonifas gibt es eine neue Grenze“, in: Frankfurter Allgemeiner Zeitung, Nr. 230/40, vom 3. Oktober 1988, S. 26. Der Amerikaner Roy Jones hatte den Kampf klar dominiert, wurde jedoch nicht zum Sieger erklärt. Zeugen hätten gesehen, wie drei der Referees von einem Südkoreaner Geld zugesteckt bekommen hätten.
[57]    „XXIV. Olympische Sommerspiele Seoul 1988“, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 288, vom 3. Oktober 1988, S. 35.
[58]    „Erich Honecker verlieh Karl-Marx-Orden. Dank und Anerkennung für erfolgreiches Wirken“, in: Der Boxring. Organ des Deutschen Boxverbandes der DDR, Jg. 27 (1988), H. 11, S. 2.
[59]    „Sportorganisation der DDR mit dem Karl-Marx-Orden geehrt“, in: Neues Deutschland, Nr. 240, vom 11. Oktober 1988, S. 1.
[60]    Ebd.
[61]    „Olympioniken für große Leistungen geehrt Festlicher Empfang im Palast der Republik“, in: Neues Deutschland, Nr. 268, vom 12./13. November 1988, S. 1.
[62]    Ebd.
[63]    „,Wunder‘ unserer Erfolge ist kein Geheimnis – es heißt Sozialismus“, in: Neues Deutschland, Nr. 268, vom 12./13. November 1988, S. 3.
[64]    „Stimmungsvoller Ball im Palast“, in: Neues Deutschland, Nr. 268, vom 12./13. November 1988, S. 3.
[65]    Weise, Henry Maske (wie Anm. 3), S. 20.
[66]    „Hohe staatliche Auszeichnungen verliehen“, in: Neues Deutschland, Nr. 268, vom 12./13. November 1988, S. 4.