von Lars Müller

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16. Februar 2021

Im Juni 2020 nahm Emery Mwazulu Diyabanza einen aus dem Tschad stammenden hölzernen Grabpfosten aus dem 19. Jahrhundert und versuchte hiermit das Museum zu verlassen. Er rechtfertigte seine Tat, dass er gestohlenes Eigentum zurückfordere. Im Oktober verurteilte ein Gericht ihn wegen Diebstahl zu einer Geldstrafe.[1] Der aus dem Kongo stammende Diyabanza dokumentierte die Aktion auf youtube und leistete hiermit einen Beitrag für die aktuelle Debatte um Restitution von Objekten, die in kolonialen Kontexten erworben wurden.[2]

„Wem gehört Kulturgut?“ – Diese Frage wird in den letzten Jahren verstärkt diskutiert. Die Aufmerksamkeit für koloniale Sammlungen wird dabei durch Forderungen aus den sogenannten Herkunftsländern oder Interventionen wie dem Sarr/Savoy-Bericht bestärkt.[3] Sie trifft auf eine Diskussion um Deutschlands koloniale Vergangenheit, die sich derzeit vor allem an Forderungen der Herero und Nama, an Straßennamen, am Humboldt Forum oder an Diskussionen um Rassismus festmacht.

In der aktuellen Debatte wird dabei oft übersehen, dass bereits vor einigen Jahrzehnten intensive Debatten um postkoloniale Restitution geführt wurden.[4] Ziel dieses Beitrages ist es, diese Fragen an einem historischen Beispiel zu untersuchen und verschiedene Perspektiven auf die Frage, wem Kulturgut gehört, aufzuzeigen.

 

Die Rückgabeforderungen

Am 28. November 1976 schrieb Jorge Karakas Ipiák (Representación de la Federación Shuar) an Eduard Schlesier (Universität Göttingen), er habe von Volkmar Blum, einem ehemaligen Göttinger Studenten, erfahren, dass in Göttingen Tsantsas[5] verwahrt werden. Ipiák „ersuchte“ daher im Namen des Verbandes der Shuar, „mindestens einen oder zwei authentische ‚Tsantsas‘ dem wahren Eigentümer, dem Shuar-Volk, zurückzugeben.“ Dafür schlug Ipiák einen Tausch vor – die Shuar würden Tsantsas (aus Faultieren) sowie andere Objekte des Shuar-Handwerks anbieten.[6]

Die Ethnologische Sammlung bewahrte zwei Tsantsas, die den „Jívaro“[7] zugerechnet wurden und die unterschiedliche Provenienzen haben. Die Karteikarte Am 3521 verzeichnet lediglich „Kauf Museum Leipzig“ sowie „15.08.1942“. Diese Angaben verweisen auf die sogenannte Sammlung Łódz, welche im Zweiten Weltkrieg aus dem von Deutschen besetzten Polen nach Leipzig verbracht wurde, um dort aufgeteilt zu werden. Dieser hat somit einen mehrfach konfliktbehafteten Erwerbshintergrund.[8] Die Karteikarte Am 3532 liefert ein wenig mehr Informationen. Sie beschreibt das Objekt als „Kopftrophäe (Schrumpfkopf)“, gibt als Herkunft „Jívaro“ bzw. „Ecuador“ an. Als Vorbesitzerin nennt sie eine Privatperson aus Niedersachsen (Erwerb 24.09.1957). Somit sind die europäischen Vorbesitzer bekannt, aber die Wege nach Europa nicht dokumentiert.[9]

Schlesier lehnte Verhandlungen mit Ipiák ab und verwies den Fall an die deutsche UNESCO Kommission, womit dieser hätte abgeschlossen werden können. Nach den Weihnachtsferien 1977 fand man allerdings in der Schauvitrine, in der die Tsantsas ausgestellt waren, folgenden maschinengeschriebenen Text: „AN DIESEM PLATZ WAREN BIS VOR KURZER ZEIT DIE BEIDEN ‚SCHRUMPFKÖPFE‘ DER SHUARS AUSGESTELLT! DAS INSTITUT HAT SIE IHREM BESITZER ZURÜCKGEGEBEN.“

 

Perspektiven

Als Gründe für die Rückführung führte Ipiák zunächst eine „Kampagne zur Bewusstseinsbildung des Shuar Volkes“ an. Bereits 1964 gründeten Shuar die Federación de Centros Shuara, um ihre kulturelle Identität und ihre Position gegenüber dem Staat zu stärken.[10] In Quito (Ecuador), so Ipiák weiter, gebe es ein ethnologisches Museum, aber „die Wahrheit muß gesagt werden, wir sehen uns der bitteren Realität gegenüber, daß wir zur Zeit nicht einen einzigen ‚Tsantsa‘ besitzen.“ Diese Aussage ist vor dem Hintergrund eines kulturellen Wandels zu sehen – Mitte des 20. Jahrhunderts galt die Herstellung von Tsantsas als weitgehend vergessene Praktik. Für Ipiák ging es in diesem Fall nicht um die Rückführung von sterblichen Überresten, sondern um die Wiedererlangung des kulturellen Erbes.[11]

Flyer über das Museo etnográfico Shuar, Archivbestände Ethnologische Sammlung der Universität Göttingen.

Schlesiers Beweggründe sind dagegen vor allem bürokratisch zu verstehen. Er teilte Ipiák mit, dass es ihm nicht erlaubt sei, über die Tsantsas zu verhandeln und verwies auf die Diskussionen über Rückgabe und Austausch von Kulturgut und Zusammenarbeit von Museen auf Ebene der UNO/UNESCO.[12] Für ihn bestand kein Zweifel, dass die Rückgabeforderungen im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen stehen. Gegenüber seinen Kollegen bekannte er sich dazu, die Ergebnisse internationaler Verhandlungen zu akzeptieren, aber er wolle diesen nicht durch „Einzelaktionen“ vorgreifen.[13]

Ipiák zeigte sich überrascht überhaupt eine Antwort zu erhalten, lehnte Schlesiers Vorgehen aber ab. Er bevorzugte direkte Verhandlungen und keine Vermittlung durch die UNESCO. Falls Göttingen nicht verhandeln wolle, würde die Federación es bevorzugen, wenn man dies auch klar sage – so würden sie es vermeiden Zeit zu verschwenden und falsche Hoffnungen zu wecken.[14]

Da keine Einbruchspuren vorlagen, verdächtigte Schlesier (ehemalige) Mitarbeiter:innen oder Studierende die Tsantsas geklaut zu haben.[15] Für ihn war es eine gezielte Aktion von Personen, die nicht damit zufrieden waren, die Angelegenheit auf bürokratischem Weg zu lösen und sich dem Urteil der UNESCO zu unterwerfen.[16] Bestärkt wurde er durch ein Bekennerschreiben, welches anonym im Februar beim Informations-Dienst einging.[17] Ermittlungen der Polizei verliefen ergebnislos. Das Landgericht stellte das Verfahren im Juni 1978 ein.[18]

Neben der Perspektive der Fordernden und Besitzenden soll drittens auf die Perspektive der Studierenden eingegangen werden. Die Fachschaft antwortete Schlesier noch am selben Tag, dass sie seine „undifferenzierten Verdächtigungen“ zurückweise.[19] In einer Vollversammlung Ende Januar beschlossen sie darüber hinaus einstimmig:

„Wenn sich die Vermutung als richtig erweist, daß die zwei aus der Sammlung des Instituts für Völkerkunde der Universität Göttingen verschwundenen Schrumpfköpfe ihren Eigentümern, den Shuar, zurückgegeben werden oder worden sind, so begrüßen wir diesen Schritt. Wir lehnen es ab, eine derartige Rückgabe als Diebstahl zu bezeichnen. Dies wäre eine Verkehrung der Tatsachen. Der bei weitem größere Teil der ethnologischen Sammlungsstücke fand seinen Weg nach Europa durch Raub, Mord und Betrug.“[20]

Die studentische Zeitschrift Trickster dokumentierte den Vorfall und druckte auch das anonyme Bekennerschreiben ab, welches mit „MEK der DGV“ (Magisches Einsatzkommando der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde) unterschrieben war. Die Fachschaft habe damals beschlossen, dass „die Köpfe ihren Besitzern“ zurückgeschickt werden sollten. Aber „[s]tatt seiner verdammten Ethnologenpflicht nachzukommen“, habe Schlesier lediglich geschrieben, dass er nicht verhandeln dürfe. „Wir holten die Köpfe aus dem entwürdigenden Schaukasten“, um sie umgehend nach Ecuador zu schicken. Nun würden sie auf eine Bestätigung warten, „daß sie unbeschadet bei ihren Besitzern eingetroffen sind.“[21]

Das MEK bekam überregionale Unterstützung. So schrieb Bettina Schulze-Mittendorf (Informationszentrum Dritte Welt, Freiburg), dass sie ihre „Freunde vom MEK der DGV“ zu der „kühnen Tat“ beglückwünsche: „Wir finden diese Haltung beispielhaft für alle Ethnologen.“[22]

Das Bekennerschreiben bezeichnete dies als exemplarische Aktion, was Schlesiers Befürchtungen bestärkte, dass die Tat Nachahmer inspirieren würde. Er erhöhte daher die Sicherheitsmaßnahmen und informierte relevante Institutionen und Personen.[23] Darunter war auch Herbert Ganslmayr, der als unabhängiger Experte über den Internationalen Museumsrat an den UNESCO Verhandlungen teilgenommen hatte, sowie Eike Haberland, der der offizielle Vertreter der Bundesrepublik bei diesen Verhandlungen war.[24] Haberland schrieb aus Perspektive eines Experten für die aktuellen Verhandlungen: „Was die sog. Restitution von Kulturgütern angeht, so ist das ein sehr kompliziertes Problem. Ihre Haltung war im Augenblick die einzig richtige. Leider ist die Bundesregierung in dieser Hinsicht zögernd und unentschlossen, man kann sich zu keiner Stellungnahme durchringen. Dabei ist unsere Position denkbar günstig: ein irgendwie gearteter Rechtsanspruch seitens der Dritten Welt existiert nicht und durch eine grosszügige Haltung können wir uns viele Freunde erwerben.“[25]

Ein Indiz, dass Schlesier die Angelegenheit zu diesem Zeitpunkt vornehmlich als bürokratisches Problem ansah, ist, dass er erst nach dem Diebstahl Erkundigungen über die Tsantsas einholte. Gegenüber Mark Münzel, der nach seiner Feldforschung in Ecuador in Deutschland ein Standardwerk über die Shuar publiziert hatte, äußerte er zunächst sein Unverständnis darüber, dass diese nicht versucht hätten einen „sachverständigen und engagierten deutschen Ethnologen“ als Vermittler einzuschalten, über den man sicher zu einer „befriedigenden Lösung“ gefunden hätte. Er fügte an: „Ich vertrete die Auffassung, daß mit diesem Diebstahl in Göttingen, den berechtigten Anliegen, Museen und Kulturzentren in Übersee von den großen völkerkundlichen Museen und Sammlungen her sachgerecht auszustatten, worüber ja in der UNESCO-Kommission verhandelt wird, ein schwerer Schaden zugefügt wurde.“[26]

Flyer über die mundo shuar, Archivbestände Ethnologische Sammlung der Universität Göttingen.

Münzel, als deutscher Experte für die Shuar, warf drei neue Aspekte auf: Erstens erörterte er erstmals die Frage, wer berechtigt sei, die Tsantsas zurückzufordern. Der Brief der Federación de Centros Shuara an Schlesier stamme lediglich von einer Zweigstelle der Shuar-Vertretungen, die mit einem Missionsorden ein Museum in Quito aufbaue. Münzel fragte, „ob dem armen Kopf damit gedient ist, daß er nun in einem Missions-Museum endet.“ Darüber hinaus unterstütze er das Anliegen der Shuar „eine Dokumentation ihrer vergangenen Kultur zusammenzutragen“ und schrieb, „daß ein solcher Wunsch in Verhandlungen mit verschiedenen deutschen Museen zu einem für die Shuara positiven Ergebnis geführt hätte.“ Zweitens führte er aus, dass es in ecuadorianischen und anderen südamerikanischen Museen Tsantsas gebe, sodass sie gar nicht in Deutschland hätten anfragen müssen. Drittens bedauerte Münzel, dass eine „so ernste Angelegenheit“ wie postkoloniale Restitution an „einem so ungeeigneten Objekt durchgespielt werde“. Es führe „ins Absurde: man müßte klären, wem die Köpfe abgeschnitten wurden und sie den überlebenden Verwandten zustellen. Die aber sind möglicherweise keine Shuara, sondern Angehörige der Nachbargruppe der Achuara […]. Konnte man den eigentlichen Besitzer des Kopfes, nämlich den, der ihn einmal auf den Schultern getragen hat, fragen, so wäre seine Auslieferung an die, die den Kopf abgeschnitten und zum Hohn verkleinert haben, bestimmt das Letzte, was er befürworten würde. […] Man sollte etwas Pietät zeigen und das Opfer nun nicht auch noch denen zuführen, die für diesen Schimpf verantwortlich waren, nämlich den Herstellern der Tsantsas.“[27]

 

Schlussbemerkung

Das Fallbeispiel illustriert – im Kontext der Diskussion um postkoloniale Restitution der 1970er Jahre[28] – verschiedene Perspektiven auf die Frage, wem Kulturgut gehöre. Während Ipiák klar mit einer „kulturellen Bewusstseinsbildung“ argumentierte und Verhandlungen über die UNESCO ablehnte, drückte Schlesier ein grundsätzliches Verständnis für eine Ausstattung von Museen in der „Dritten Welt“ aus – solange dies allerdings nicht in Konflikt mit den UNESCO Verhandlungen stand (oder sich allein auf seine Sammlung fokussierte). Aus heutiger Perspektive fällt vor allem auf, dass Schlesier die Anfrage nicht als Dialogangebot genutzt hat.

Neben diesen beiden Positionen sind die Stellungnahmen von Münzel und den Studierenden hervorzuheben. Der Shuar-Experte Münzel stellte erstmals die Frage, wer für eine Rückgabeforderung berechtigt sei. Diese heute zentrale Frage der Provenienzforschung spielte sowohl für die Fordernden als auch für die Besitzenden keine Rolle – anders als Verfahrensfragen. Die Studierenden teilten dagegen uneingeschränkt die Position Ipiáks und begründeten dies mit der „verdammten Ethnologenpflicht“, worunter sie eine vollständige und womöglich unkritisch geteilte Akzeptanz indigener Positionen verstanden (und nach den vorliegenden Quellen verschiedene Positionen innerhalb dieser Gesellschaften nicht in Betracht zogen). Interessant wäre zu erfahren, wie sich diese Einstellung veränderte, nachdem die Studierenden von damals selbst in verantwortlichen Positionen saßen. Die Diskussion um postkoloniale Restitution flachte Ende der 1980er Jahre wieder ab und kehrt erst jetzt wieder in die Öffentlichkeit zurück – ohne Rückbezug auf die Diskussionen der 1970er und 1980er.

 


[1] France Fines Congo Activist for Seizing Paris Museum Artefact, 14.10.2020, auf: BBC. s. auch: Der Rückholer, in: Neues Deutschland, 2.10.2020. Congolese Activist on Trial for Trying to Take Artworks from European Museums, auf: Deutsche Welle, 2.10.2020.

[2] Zur Definition von „kolonialen Kontexten“ s. Deutscher Museumsbund: Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, Berlin 2018, 23-24.

[3] S. u. a. Wem gehört der Dino? Teil 1-6, auf: Deutschlandfunk Kultur, Januar 2020. Jochen Bernstorff, Jakob Schuler: Restitution und Kolonialismus. Wem gehört die Witbooi-Bibel?, auf: Verfassungsblog, 4.3.2019.

Bartholomäus Grill, Jan Puhl: Wem gehören die Benin-Bronzen?, in: Spiegel 22.11.2019. Felwine Sarr, Bénédicte Savoy: Über die Restitution afrikanischer Kulturgüter, Berlin 2019.

[4] S. z. B. Gert von Pacensky, Herbert Ganslmayr: Nofretete will nach Hause. Europa-Schatzhaus der ‚Dritten Welt‘, München 1984. Hermann Auer: Das Museum und die Dritte Welt, München 1981. Anna Valeska Strugalla: Museumsdirektoren nehmen Stellung. Argumentationen, Intentionen und Geschichtsbilder in der Restitutionsdebatte der frühen 1970er Jahre, in: Werkstatt Geschichte 81 (2020), 101-118. Ellen Pupeter: Eine Frage der Glaubwürdigkeit? Postkoloniale Restitution und DDF-Kulturpolitik in den 1970er und 1980er Jahren, in: Zeitgeschichte-online, März 2020. Thomas Fitschen: 30 Jahre ‚Rückführung von Kulturgut‘. Wie der Generalversammlung ihr Gegenstand abhanden kam, in: Vereinte Nationen 2(2004), 46-51.

Besonders sei auf die Debatte um sterbliche Überreste hingewiesen. Andreas Winkelmann hat eine Übersicht von Forderungen aufgestellt, die auch diesen Fall knapp behandelt. Andreas Winkelmann: Repatriations of Human Remains from Germany – 1911-2019, in: Museum & Society, 18(2020)2, 40-51.

[5] Es handelt sich hierbei um ein aus der eingeschrumpften Kopfhaut eines toten Menschen angefertigtes Präparat. Im Deutschen wurde und wird häufig die Fremdbezeichnung „Schrumpfköpfe“ verwendet.

[6] Ipiák an Schlesier, 28.11.1976.

Alle zitierten Schriftstücke befinden sich in einem Ordner der u. a. mit „Tsantsas/Shuar 1978“ gekennzeichnet ist und sich als unverzeichneter Archivbestand in der Ethnologischen Sammlung der Universität Göttingen befindet. Ich danke Michael Kraus, Kustos, herzlich für den Zugang und den hilfreichen Austausch. Bei spanischen Schreiben zitiere ich meist aus den angefertigten deutschen Übersetzungen in der Akte. Ich danke außerdem Maik Jachens für Unterstützung bei der Übersetzung.

[7] Jívaro ist eine Fremdbezeichnung für eine Gruppe, die im heutigen Peru und Ecuador leben – in Europa waren sie als „Schrumpfkopfmacher“ bekannt. Ein Teil dieser Gruppe bezeichnet sich als Shuar. Mark Münzel: Schrumpfkopf-Macher? Jíbaro-Indianer in Südamerika, Frankfurt am Main 1977.

[8] S. Beate Herrmann: Doppelt sensibel. Die Ethnographische Sammlung Łódz als Zeugnis polnischer und deutscher Zeitgeschichte, in: Anna-Maria Brandstetter, Vera Hierholzer (Hg.): Nicht nur Raubkunst! Sensible Dinge in Museen und universitären Sammlungen, Mainz 2018, 93-106.

[9] Vermutlich im Kontext des Kaufes schloss der Göttinger Kustos, dass es sich jeweils um echte Kopftrophäen handele. Manfred Urban: Südamerikanische Schrumpfköpfe (Jívaro), 1957.

[10] Zu den Problemen, die westliche Forscher haben, wenn sie vor Ort nach Tsantsas fragen s. Steven Rubenstein: Circulation, Accumulation, and the Power of Shuar Shrunken Heads, in: Cultural Anthropology 22(2007)3, 360-361.

[11] Tsantsas erfüllten eine komplexe kulturelle Funktion und sind nicht als einfache Kriegstrophäen zu verstehen. In Europa war man von dieser Praktik fasziniert und Ende des 19. Jahrhunderts setzte ein zunehmender „Souvenirhandel“ mit Tsantsas ein. Die Shuar nutzten die erhöhte Nachfrage und produzierten Tsantsas für den Handel – teilweise nutzten sie hierbei (Faul)Tiere als Ausgangsmaterial. Münzel: Schrumpfkopf-Macher?, 230-231, 227-249.

[12] Schlesier an Ipiák, 1.6.1977. Schlesier leitete den Brief an die Deutsche UNESCO-Kommission weiter, in deren Archiv sich die Meldung findet (BArch B 304/4570). Aus der Akte wird nicht ersichtlich, ob die DUK daraufhin aktiv wurde. Im politischen Archiv des Auswärtigen Amtes ist der Vorgang nicht verzeichnet.

[13] Schlesier an Schneider, 3.6.1977.

[14] Representación de la Federación Shuar an Schlesier, 28.6.1977.

[15] Schlesier an die Fachschaft Ethnologie, den Mitarbeitern des Instituts zur Kenntnis, 11.1.1978.

Für einen Austausch über diese Verdächtigungen danke ich herzlich Georg Klute, der zur damaligen Zeit in Göttingen studiert hat.

[16] Schlesier an Kuratorium/Justitiar Ratgens, 10.1.1978.

[17] MEK: Schrumpfkopfjäger im Völkerkundermuseum. Bericht einer exemplarischen Aktion ging bei uns anonym ein, Göttingen/Quito, 20. Januar, in: Informations-Dienst, 4.2.1978, 10.

[18] Staatsanwaltschaft an Institut für Völkerkunde, 23.6.1978. Schlesier an Kuratorium/Justitiar Ratgens, 13.2.1978.

Am 7.2.1978 wies die Sammlung die Polizei auf eine Zeitungsannonce (Süddeutsche Zeitung 4./.5.2.1978 Nr. 29, S. 12) hin, die Tsantsas zum Verkauf anbot – später wurde ausgeschlossen, dass es sich um die „Göttinger“ Tsantsas handelte.

[19] Darüber hinaus kritisierten sie, dass er in seinem Proseminar den Tagesordnungspunkt „Die Schrumpfköpfe sind weg!“ des Fachschaftstreffens als „klammheimliche Freude“ interpretierte. Fachschaft an Schlesier, 11.1.1978.

[20] Protokoll der Fachschaftsvollversammlung, 26.1.1978.

[21] MEK: Dokumentation Shuar. Göttingen/Quinto, in: Trickster, 1, März 1978, 10-11. Im Informations-Dienst wurde MEK als „Mobiles Einsatzkommando“ aufgelöst. Vgl. Informations-Dienst, 4.2.1978, 10.

[22] Auszug am Schwarzen Brett der Fachschaft, Mai 1978.

[23] So z. B. Sammlungen im deutsch-, englisch- und französischsprachigen Raum. Diebstahlmeldungen wurden auch in den relevanten Zeitschriften veröffentlicht. Schlesier bat auch den Präsidenten der Shuar-Vereinigung um Unterstützung, falls die Tsantsas in Quito auftauchen (18.1.1978, 25.4.1978, 28.4.1978). Eine Antwort ist nicht überliefert.

[24] Briefwechsel Schlesier und Ganslmayr 6.6.1977, 8.6.1977, 8.7.1977.

[25] Briefwechsel Schlesier und Haberland 20.7.1977, 8.8.1977.

[26] Schlesier an Münzel, 18.1.1978.

[27] Münzel an Schlesier, 22.1.1978. Er verwies auf den Präsidenten der Federación de Centros Shuar, der möglicherweise gar nicht von dem Vorfall informiert sei.

[28] Hierzu siehe auch Ellen Pupeter, Eine Frage der Glaubwürdigkeit?. Postkoloniale Restitution und DDR-Kulturpolitik in den 1970er und 1980er Jahren, in: Zeitgeschichte-online, März 2020, bzw. die Ausführungen in FN 4.