von Heidemarie Uhl

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1. März 2004

Zu Ende des 20. Jahrhunderts ist der Holocaust in den Erinnerungskulturen vieler europäischer Länder (und darüber hinaus) in das Zentrum des offiziellen Gedächtnisses gerückt. Die Errichtung von Holocaustdenkmälern in europäischen Hauptstädten, aber auch in kleineren Kommunen, die Entdeckung neuer sites of memory und die Neugestaltung bereits bestehender Gedenkstätten, neue Gedenktage zur Erinnerung an die jüdischen Opfer des NS-Regimes sind Indikatoren für diese Transformation der gesellschaftlichen Erinnerung auf nationaler1, die – supranational betrachtet – eine gemeinsame Signatur der europäischen Gedächtniskultur2 ergibt.

Daniel Levy und Natan Sznaider verorten in ihrem vielbeachteten Buch „Erinnerung im globalen Zeitalter: der Holocaust“3 den Holocaust als Zentrum eines globalen Gedächtnisses, in dem sich lokale, nationale und kosmopolitische Erinnerungskulturen überlagern. Als ein Meilenstein dieser Globalisierung gilt das Medienereignis „Holocaust“, die „globale Ausstrahlung“ einer amerikanischen TV-Serie, die auf unerwartet hohe Resonanz stieß und der nationalsozialistischen Judenvernichtung einen neuen Namen gab – „aus Holocaust wurde Holocaust“4. Die neue Bezeichnung erweiterte den diskursiven Rahmen, in dem das Ereignis thematisiert werden konnte: Während „Endlösung“ und andere Termini das Geschehen in der deutschen „Tätergesellschaft“ und damit national verortete, eröffnete „Holocaust“ das Potential für transnationale, universale Bezugnahmen.

Zu diesem Prozess der „Universalisierung“ der Holocaust-Erinnerung zählt auch die Phase der konfliktreichen Neuverhandlungen des Geschichtsbildes seit den 80er Jahren.5 Die immer wieder „eruptiv“ aufbrechenden Debatten um „Fragen sowohl der Interpretation wie auch der Repräsentation des Holocaust“6 haben mittlerweile in vielen europäischen Ländern, seit 1989 auch in den Staaten des ehemaligen sowjetischen Einflussbereichs, die Funktion einer moralischen Selbstvergewisserung. Nicht nur für die BRD trifft Dan Diners Bemerkung zu, dass sich „jede Bildungsgeneration auf ihr biographisch prägendes publizistisches, künstlerisches oder anderweitig öffentlich Aufsehen erregendes Ereignis beziehen (kann), das den Holocaust beziehungsweise die Erinnerung an die Massenvernichtung zum Gegenstand hat“. Insofern komme dem Holocaust in der BRD „die identitätsstiftende Bedeutung eines Gründungsaktes zu“.7

Die Zentralität der Holocaust-Erinnerung, die sich am Ende des 20. Jahrhunderts zu einem, wenn nicht dem Bezugspunkt des „Gedächtnisraums des 20. Jahrhunderts“8 herauskristallisiert hat, evoziert eine epistemologische Irritation: Warum wurden die Dimensionen des „Zivilisationsbruchs Auschwitz“ (Dan Diner) erst Jahrzehnte nach dem Geschehen selbst erkannt? Welche Geschichtsbilder, welche Deutungen von Krieg, Nationalsozialismus und Judenmord bestimmtem die Narrative über die Vergangenheit und das kulturelle Gedächtnis, bevor sich die „Ordnungen des Wissens“ durch die narrative (und visuelle) Intervention von „Holocaust“ beziehungsweise seiner publizistischen Begleitinformationen verändern sollten? Wie wurde das „Holocaust“-Narrativ in die jeweiligen nationalen Geschichtskulturen eingebettet und welche (partiellen) Neucodierungen waren damit verbunden?

Diese nationalen Codierungen bildeten, wie das österreichische Beispiel zeigen wird, die Voraussetzung für die Wirkungskraft von „Holocaust“ im Hinblick auf eine Transformation des Geschichtsbewusstseins: Erst aus der Konfrontation der „Holocaust“-Erzählung mit dem nationalen historischen Narrativ erwuchs jene „explosive Wirkung“9, die insbesondere in Österreich und in der BRD wohl entscheidend dazu beitrug, die Perspektive auf die NS-Zeit langfristig zu verändern. Durch die Rezeption in einem nationalen Kommunikationsraum, die bereits mit der Vorfeld-Debatte um die Ausstrahlung durch die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten einsetzte, wurde dieses neue Narrativ, in dessen Zentrum das Schicksal der Opfer der rassischen Verfolgung stand, in national strukturierte Argumentationsmuster eingebunden und so mit unterschiedlichen Bedeutungen versehen.

Die Frage nach den Auswirkungen des Medienereignisses „Holocaust“ als einer gewissermaßen externen Intervention in die diskursive Ordnung des österreichischen Gedächtnisses, nach dem framing und der Einbettung der US-TV-Serie in das österreichische Vergangenheitsnarrativ, steht im Mittelpunkt dieses Beitrags. „Österreich wird seinen Holocaust zu sehen bekommen“, bemerkte der Politologe Anton Pelinka kurz vor der Ausstrahlung unter Hinweis auf den österreichischen Anteil an den NS-Verbrechen;10  diese Feststellung soll hier als Frage hinsichtlich der Integration von „Holocaust“ in den Kontext des österreichischen Vergangenheitsdiskurses formuliert werden: Welche spezifischen Argumentationsmuster lassen sich in den österreichischen Reaktionen auf die TV-Serie erkennen, welche nationale Aufladung hat „Holocaust“ in Österreich erfahren? Welchen Stellenwert hat dieses Schlüsselereignis im Rahmen einer österreichischen Gedächtnisgeschichte, welches Veränderungspotential wurde durch die mit „Holocaust“ verbundene neue Sichtweise auf die NS-Vergangenheit evoziert?

Das österreichische Fallbeispiel ist auch insofern besonders aufschlussreich, weil ein Jahr vor der TV-Ausstrahlung von „Holocaust“ erstmals eine breite öffentliche Auseinandersetzung über die Beurteilung der jüngsten Vergangenheit stattgefunden hatte. Die vierzigste Wiederkehr des „Anschlusses“ im März 1978 schlug sich sowohl in einer beträchtlichen Anzahl an wissenschaftlichen Publikationen und in Projekten politisch-historischer Aufklärung als auch in öffentlichen Gedenkfeierlichkeiten, einer intensiven medialen Berichterstattung11 und nicht zuletzt in Kontroversen um die „Bewältigung“ der „wunden Punkte“ der österreichischen Zeitgeschichte12  nieder. Was waren nun die Positionen einer kritischen „Vergangenheitsbewältigung“ vor der Intervention von „Holocaust“ in den diskursiven Haushalt des nationalen Gedächtnisses?

1. „Vergangenheitsbewältigung“ in Österreich am Ende der 70er Jahre

Im März 1978, anlässlich des 40. Jahrestages des „Anschlusses“ Österreichs an das Dritte Reich, zeichnete sich eine neue Phase von „Vergangenheitsbewältigung“ ab. Erstmals verdichtete sich die Kommunikation über die „Vergangenheit“ (also jene Kategorie von „traumatischen“ Ereignissen, deren „Bewältigung“ in immer wiederkehrenden öffentlichen Kontroversen zur Verhandlung anstand) ohne den Anstoß durch Skandale, die bislang geschichtspolitische Grundsatzdebatten ausgelöst hatten. Vor allem zwei politische Affären hatten die Ordnung im Konsens über die Vergangenheit (und ebenso in den dazu in Opposition stehenden Dissens-Sichtweisen) erschüttert: Die über das neue Medium Fernsehen verbreiteten deutschnationalen und antisemitischen Äußerungen des Professors an der Wiener Hochschule für Welthandel, Taras Borodajkewycz (1965),13 und die Aufdeckung der SS- Vergangenheit des FPÖ-Vorsitzenden Friedrich Peter durch Simon Wiesenthal (1975), wobei Bundeskanzler Bruno Kreisky für Peter Partei ergriff und Wiesenthal öffentlich diffamierte.14

Im kulturellen Gedächtnis hingegen, auf der Ebene der öffentlichen Geschichtskultur, bildeten die signifikanten historischen Bezugspunkte der Zweiten Republik – der „Anschluss“ im März 1938, die Wiedererrichtung der Republik Österreich am 27. April 1945 und der Abschluss des Staatsvertrages im Mai 1955 – einen immer wiederkehrenden performativen Rahmen für die Beschwörung eines nationalen Grundkonsenses auf staatspolitischer Ebene: Im Zentrum der Gedenksitzungen von Bundesregierung und Parlament, der Gedenkreden von Bundespräsident, Bundeskanzler und anderen Repräsentanten der Republik standen der Glaube an Österreich und die Bereitschaft der politischen Lager zur einträchtigen Zusammenarbeit. So auch im März 1978: Bei einem Staatsakt der Bundesregierung im großen Festsaal der Wiener Hofburg erklärten Bundespräsident Rudolf Kirchschläger und Bundeskanzler Bruno Kreisky vor der nahezu vollständig versammelten „politischen Prominenz“ Österreichs – den Vertretern der Kirchen, des diplomatischen Corps, Repräsentanten des wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Lebens –, dass Österreich „aus den Märzereignissen des Jahres 1938, aus der Geschichte, die notwendigen Lehren gezogen habe“.15

Gewissermaßen komplementär zu diesem Konsens-Narrativ eröffneten vor allem die kontroversiell konnotierten historischen Bezugspunkte – Februar 1934 und „Anschluss“ 1938 – auf parteipolitischer Ebene eine Artikulationsmöglichkeit für die Konkurrenz von ideologisch unterschiedlichen Geschichtsdeutungen. Nach der kurzen Phase eines „antifaschistischen Grundkonsenses“ aller politischen Kräfte in der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Auseinandersetzung um die österreichische Vergangenheit von Kontroversen der politischen Parteien bestimmt, wobei die Frontlinien insbesondere zwischen der katholisch-konservativen Österreichischen Volkspartei (der Nachfolgeorganisation der Christlichsozialen Partei der Ersten Republik) und der Sozialistischen Partei verliefen. Im Zentrum der Debatten stand die Frage nach der Verantwortung für den Untergang der Ersten Republik und den „Anschluss“ an das Deutsche Reich; die Jahre der NS-Herrschaft waren hingegen mit dem „Mythos der Lagerstraße“, dem Narrativ der nationalen Versöhnung, verknüpft: durch die gemeinsame Erfahrung von politischer Verfolgung und KZ-Haft hätten die verfeindeten politischen Lager der Ersten Republik zueinander gefunden.

Diese Konstellation erwies sich bis zum Ende der 70er Jahre als konstitutiv für das österreichische Narrativ der „Vergangenheitsbewältigung“: Die Frage nach Schuld und Verantwortung bezog sich auf das Scheitern der Ersten Republik und sie wurde auf parteipolitischer Ebene diskutiert beziehungsweise zwischen den beiden Großparteien SPÖ und ÖVP verhandelt. Die Rolle der Nationalsozialisten trat demgegenüber in den Hintergrund, sie wurden entweder als „Verführte“ oder als von außen, das heißt von Nazi-Deutschland gesteuerte Verräter an Österreich betrachtet.16

In der Geschichtskultur der Zweiten Republik hatten sich demnach seit dem Ende der 40er Jahre zwei Varianten des „Umgangs mit der Vergangenheit“ herauskristallisiert: einerseits eine konfliktorientierte Sichtweise, ein „bipolares Rot-Schwarz der Geschichtsbetrachtung“17 ,in der die jüngste Geschichte „vielfach als Fabrik zur Produktion politischer Ideologien aufgefaßt“ wurde, wobei jede der beiden antagonistischen Sichtweisen „die Fehler der anderen Seite hervorzukehren, die Haltung der eigenen Seite jedoch zu rechtfertigen“ suchte18 , andererseits eine konsensbestimmte „Koalitionsgeschichtsschreibung“, in der die historischen Konflikte zwischen den feindlichen Lagern der Ersten Republik „bis zur Unkenntlichkeit verschliffen und entstellt“19 wurden.

Die Wahl zwischen diesen gewissermaßen komplementären Formaten erfolgte kontextabhängig, je nachdem, ob es um die Beschwörung von nationaler Einheit und innerem Frieden ging oder um parteispezifische Traditionspflege. Dabei hatte die konsensbestimmte Geschichtspolitik im Zeichen des „Burgfriedens“20 seit den 60er Jahren an Gewicht gewonnen. Symbolische Gesten wie der historische Handschlag zwischen Bundeskanzler Alfons Gorbach (ÖVP) und Vizekanzler Bruno Pittermann (SPÖ) am 12. Februar 1964 bei einer gemeinsamen Gedenkfeier für die Opfer der Februarkämpfe 1934 („gewissermaßen über die Gräber hinweg“21) standen unter dem Vorzeichen der inneren Versöhnung, die in der Konsensformel von der „geteilten Schuld“ beider Lager zum Ausdruck kam.

Dieser „historische Kompromiss“ einer versöhnlichen Koalitionsgeschichtsschreibung, die insbesondere die Geschichtsdarstellungen der Schulbücher prägte, wurde von einer jungen Generation von „kritischen“ Intellektuellen, JournalistInnen und WissenschafterInnen, darunter vor allem auch VertreterInnen der in den 60er und 70er Jahren institutionalisierten wissenschaftlichen Zeitgeschichte, jedoch zunehmend abgelehnt. Im Rahmen des März-Gedenkens 1978 gewann diese Position öffentlich an Raum. Auch für die gesellschaftskritische Sichtweise bildete die parteipolitische Fragmentierung des öffentlichen Diskurses und der politischen Kultur in der Zweiten Republik den common ground, sie ließ sich allerdings nicht mehr eindeutig in das bereits ritualisierte Wechselspiel von staatstragendem Konsens und parteispezifischem Konflikt im Feld der „Vergangenheitsbewältigung“ einordnen.22

Das „Anschluss“-Gedenken 1978 beziehungsweise die mit Jubiläen und sogenannten runden Jahrestagen generell verbundene mediale Aufmerksamkeit für historische Themen eröffnete ein „Zeitfenster“23 für die Implementierung dieses „kritischen“ Standpunktes in den öffentlichen Diskurs. Der These von der „geteilten Schuld“ wurde nun von Seiten einer jungen Generation von HistorikerInnen die „historische Wahrheit“ entgegengehalten: nämlich dass dem bürgerlichen Lager ein weitaus größerer Anteil am Scheitern der Ersten Republik zukomme als den Sozialdemokraten.

Auch das seit dem Ende der 70er Jahre im öffentlichen Diskurs präsente „kritische“ Verständnis von „Vergangenheitsbewältigung“ richtete sich somit nicht primär auf die Beurteilung des „Anschluss“-Geschehens (und damit auf die Opfer-These, die zehn Jahre später, im März 1988, im Zentrum der Kritik stehen sollte24) und der NS-Zeit, sondern auf die Frage nach der politischen Verantwortung für den „Start in den Abgrund“25 – eine Entwicklung, die von der Errichtung der Ständestaat-Diktatur 1933 und der Niederschlagung des sozialdemokratischen Februaraufstandes 1934 zum März 1938 führte. Auf die Beurteilung dieses Zeitraums – und nicht der Jahre 1938 bis 1945 – bezog sich das immer wieder reaktivierbare Konfliktpotential der Debatten um die österreichische Vergangenheit; die Erste Republik und ihr Scheitern standen – letztlich bis zur Waldheim-Debatte 1986 – auch im Zentrum des Forschungsinteresses der wissenschaftlichen Zeitgeschichte.26 Angesichts der Dominanz der „wunden Punkte“ der Ersten Republik gewann die Phase nach dem „Untergang“ Österreichs im März 1938 im öffentlichen Diskurs kaum an Präsenz; Antisemitismus und die Ermordung der jüdischen Bevölkerung bildeten eine „Leerstelle“27 oder einen untergeordneten „Nebenwiderspruch“.

Aber gerade in der Haltung zur NS-Herrschaft gab es offenkundig in weiten Teilen der Bevölkerung einen subkutanen Gegendiskurs zum skizzierten offiziellen Geschichtsbild, der auf der Ebene der überregionalen öffentlich-publizistischen Kommunikation zwar kaum in Erscheinung trat, in der familialen, lokalen und regionalen Überlieferung aber umso machtvoller wirksam war – jener „braune unterirdische Fluß“ (Josef Haslinger), die „Welt der privaten Gefühlsbindungen und politischen Meinungen“28 oder, in der Terminologie von Gerhard Botz, die Sphäre des „para-nazistischen Milieus“29, die schließlich in der Waldheim-Debatte zutage treten sollte.

Dieser „latente Faschismus“ wurde in einem der ersten namhaften Projekte massenmedial unterstützter politisch-historischer Aufklärung aufgegriffen, der im österreichischen Rundfunk im Rahmen des Schulfunkprogramms ausgestrahlten 16teiligen Sendereihe „Alltagsfaschismus in Österreich“.30

Ausgangspunkt des Sendekonzepts war der „krasse Gegensatz [...] zwischen der Darstellung des NS-Regimes in Büchern und Filmen“ einerseits, der „mündlichen Überlieferung“, in der noch vierzig Jahre nach 1938 von den positiven Auswirkungen der NS-Zeit gesprochen werde, andererseits.31 Einblick in diese Haltung gab beispielsweise eine in der ersten Sendung zitierte Straßenbefragung des Schweizer Rundfunks vom März 1978, in der sich „weder Junge noch Alte (scheuten), die Jahre des nationalsozialistischen Regimes als eine durchaus positive Zeit zu bezeichnen, die viele Errungenschaften gebracht hat“.32 Das Engagement des Autors, des Historikers Peter Dusek, beruhte aber auch auf persönlichen Erfahrungen: Seine „ersten Kenntnisse“ über den Nationalsozialismus „waren ganz von jener ,mündlichen Tradition‘ bestimmt“, erklärte Dusek, im Mai 1945 in Oberösterreich geboren, in einer Nachbemerkung zu der 1979 in Buchform veröffentlichten Sendereihe. Erst während seines Studiums an der Universität Wien wurde er mit „authentischen Dokumenten“ über das NS-Regime konfrontiert, die „Erschütterung über das grauenhafte Unrecht dieser Zeit war nachhaltig ...“.33 Auf dieser Grunderfahrung historisch-politischer Aufklärung, nicht untypisch für die Erfahrungen der ersten Nachkriegsgeneration, basierte die Intention der Sendereihe, in deren Zentrum die Frage stand, warum dem „Durchschnittsbürger die Zeit nach dem Anschluß ganz anders in Erinnerung ist, als es die Historiker aufzeigen“.34 Für diese Diskrepanz wurde ein Mangel an Wissen verantwortlich gemacht: „Für die meisten waren die Fassaden des Dritten Reiches die Alltagsrealität. Davon, was in den Hinterhöfen dieses Regimes geschah, wollte oder konnte er nicht viel wissen“.35 Dieses Wissen sollte nun in einer Form nachgereicht werden, die sich an denjenigen orientierte, die sich als „Verblendete“ und „Verführte“ mit den Werten dieser Zeit identifiziert hatten (und diese Erfahrungen an die jüngere Generation weitergaben). Die Aufklärung über die Gräueltaten des NS-Regimes hatte nämlich bei diesem AdressatInnenkreis (und bei der in diesem Milieu sozialisierten Kinder- und EnkelInnengeneration) offenkundig wenig Wirkung gezeigt.

Das Konzept von „Alltagsfaschismus“ setzte nun an diesen vermeintlich positiven Erfahrungen (zum Beispiel der Arbeitsplatzbeschaffung, den Gemeinschaftserlebnissen in den NS-Jugendorganisationen) an. Durch wissenschaftlich fundierte Informationen über die „Realität“ des Dritten Reiches sollte diesen mentalen „Relikten des Nationalsozialismus“36 entgegengewirkt werden. Dementsprechend lagen die Themenschwerpunkte auf den nationalsozialistischen Herrschaftsmethoden (Propaganda, Gleichschaltung, Zensur, Terror, Instrumentalisierung völkisch-nationaler Emotionen, Führerkult etc.), die – so die Grundannahme hinsichtlich einer Erklärung des alltäglichen Faschismus in Österreich37 – eine klare Erkenntnis des verbrecherischen Charakters des NS-Regimes weitgehend unmöglich gemacht hätten. Nur eine der 16 Sendungen von „Alltagsfaschismus“ hatte Antisemitismus zum Thema.38

Die gesellschaftskritische Position im Feld der „Vergangenheitsbewältigung“, die sich am Ende der 70er Jahre etablierte, richtete sich auf die Aufkündigung des historischen Kompromisses über die „geteilte Schuld“ der politischen Lager am Scheitern der Ersten Republik. Die aus heutiger Perspektive brisanten Fragen – die „Externalisierung“39 des Nationalsozialismus durch die Opferthese, der österreichische Beitrag zur NS-Vernichtungspolitik, der beschämende Umgang mit den Opfern rassischer Verfolgung nach 1945, das Weiterwirken von Antisemitismus und positiven Einstellungen zu Teilelementen der NS-Ideologie in der Zweiten Republik – waren in der Debatte kaum repräsentiert.

Im Geschichtsbewusstsein weiter Bevölkerungskreise – und die Sendereihe „Alltagsfaschismus“ ist ein Indikator für die Verbreitung positiver Einstellungen zur NS-Zeit – waren die öffentlich verhandelten Fragen über die Verantwortung der beiden Lager für den März 1938 offenkundig kaum von Relevanz. Aus der Perspektive der Konflikte um die „Bewältigung“ der österreichischen Vergangenheit in den 80er und 90er Jahren scheint den Scharmützeln zwischen SPÖ und ÖVP um die historische Schuld am „Untergang“ des österreichischen Staates allerdings eine Entlastungsfunktion zuzukommen: Die Schuldfrage wurde auf die Zeit der Ersten Republik und zudem auf die politischen Parteien und deren Führungseliten projiziert.

1979, ein Jahr nach der Debatte um die Verantwortung für den „Anschluss“ im März 1938, sollte mit „Holocaust“ eine neue, emotionale Narration jenseits der auf offizieller Ebene harmonisierten und auf parteipolitischer Ebene differenzierten Interpretationsmodelle auftauchen: Erstmals wurde die Schuldfrage auf das individuelle Verhalten von ordinary men in der NS-Zeit gerichtet, erstmals stand nicht die Befindlichkeit der Angehörigen der „Tätergesellschaft“ – die bis auf eine kleine Führungselite zumeist als „Verführte“, „Verblendete“, Betrogene“ und damit letztlich als Opfer des Nationalsozialismus dargestellt wurden –, sondern das Schicksal der Opfer rassischer Verfolgung im Zentrum der Erzählung über die NS-Vergangenheit Österreichs.

2. Der „Holocaust-Schock“40 und sein narratives „framing“ im öffentlichen Diskurs

Die Ausstrahlung der TV-Serie „Holocaust“ (Donnerstag, 1., bis Sonntag, 4. März 1979) und der flankierenden Sendungen im ORF war von hohem öffentlichen und medialen Interesse begleitet. Bereits am 30. April, Aschermittwoch und damit Beginn der Fastenzeit, wurde im zweiten TV-Programm die Dokumentation „Endlösung“ gezeigt; im Anschluss an den letzten Serienteil erfolgte die Live-Übertragung der Diskussionssendung „Club 2“.41 Die öffentliche Erwartungshaltung galt weniger dem „Holocaust“-Film selbst – der plot konnte nach der Berichterstattung über die Ausstrahlung in der BRD als weitgehend bekannt vorausgesetzt werden –, sondern dessen Resonanz in der Bevölkerung: Wie würden die Österreicherinnen und Österreicher auf „Holocaust“ reagieren, wie würden positive und negative Äußerungen gewichtet sein, welches Ausmaß an „Betroffenheit“ und – als Folge davon – Meinungsänderung im Hinblick auf die Haltung zur NS-Vergangenheit und auf antisemitische Vorurteile würde durch den Film bewirkt werden? Und: welche Unterschiede würden sich dahingehend zwischen Österreich und der BRD ergeben?

Denn dass „Holocaust“ ein Thema war, das nicht nur „die Deutschen“, sondern auch die Österreicherinnen und Österreicher betraf, wurde – ungeachtet der „Opferthese“ – kaum bestritten. „Es wäre verfehlt, die nationalsozialistischen Judenverfolgungen einzig und allein als Problem der Deutschen zu betrachten“, ebenso seien Österreicher als Opfer wie als Täter betroffen, erklärte beispielweise der Historiker Wolfgang Neugebauer einleitend in der Broschüre „Holocaust und Österreich“, die als Begleitmaterial für den Schulunterricht eingesetzt wurde.42

Gerade im Hinblick auf die im öffentlichen Interesse stehenden Fragen nach den Reaktionen auf die Ausstrahlung von „Holocaust“ wurden seitens des ORF „außerordentliche Anstrengungen“43 unternommen, um das zu erwartende Medienereignis zu verstärken und zugleich zu beobachten. Erstmals wurde das Instrumentarium der Medienforschung eingesetzt, um die Meinung der ZuseherInnen zu erheben. Angeregt durch die Erfahrungen in der BRD, wo zu Telefonanrufen an die Sendeanstalten aufgefordert und die Breitenwirkung mit Hilfe von Umfragen ermittelt worden war, und darüber hinausgehend (wie nicht ohne Stolz vermerkt wurde), plante der ORF eine Reihe von wissenschaftlichen Begleituntersuchungen, wofür im Bereich der Hauptabteilung „Generalintendanz – Koordination und Kommunikation“ eigens die Funktion „Medienforschung“ eingerichtet wurde. Das für „Holocaust“ entwickelte „kommunikationswissenschaftliche Instrumentarium“ versuchte mittels verschiedener tools, das Meinungsklima im Sendeumfeld zu erheben: Eine telefonische Blitzumfrage nach der Ausstrahlung des letzten Teils sollte im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Wirkungsweise des Films möglichst rasch die Reichweite und die Beurteilung von „Holocaust“ ermitteln. Im Hinblick auf eine genauere Ermittlung der Publikumswirkung wurde eine Infratest-Erhebung durchgeführt; weiters wurden die während und unmittelbar nach der Ausstrahlung einlangenden Telefonanrufe ausgewertet, ebenso die an den ORF gerichteten Zuschriften. Ein weiterer Erhebungs- und Untersuchungsbereich erfasste die mediale Berichterstattung („Presseecho“) im Zeitraum von Mitte Jänner bis Anfang April 1979.

2.1. Die Resonanz auf „Holocaust“ in der österreichischen Medienlandschaft

„Holocaust“ generierte offenkundig ein mediales setting, das eine Positionierung dafür oder dagegen – mehr noch: ein „Bekenntnis“ – erforderlich machte – gerade auch seitens der Presseorgane, die sich so als Akteure im Kampf um das Geschichtsbild (und nicht allein als Beobachter gesellschaftlicher Deutungskonflikte) deklarierten: „Jetzt haben wir alle ,Holocaust‘ gesehen“, schrieb Hubert Feichtlbauer am 7. März 1979 in der katholischen „Furche“, „jetzt kann keiner mehr sich um ein persönliches Bekenntnis drücken.“44

Die Positionen von GegnerInnen und BefürworterInnen von „Holocaust“ verliefen erwartungsgemäß entlang der geläufigen geschichtspolitischen Trennlinien. Ablehnende Stellungnahmen fanden sich vornehmlich in jenen Presseorganen, die sich auch bei anderen Anlässen gegen eine kritische Auseinandersetzung mit der „verdrängten“ Vergangenheit ausgesprochen hatten beziehungsweise darin eine Störung des inneren Friedens und einen unnötigen Masochismus sahen. Die negative Haltung zu „Holocaust“ reichte von Teilen der Tagespresse, insbesondere dem bürgerlich-konservativen Leitorgan „Die Presse“ und der populistischen „Kronen Zeitung“, bis zu den Zeitungen der katholisch-konservativen Volkspartei (ÖVP) und vor allem den Blättern der FPÖ beziehungsweise von deutschnationalen, rechtsextremen und neonazistischen Gruppierungen.

Die im medialen mainstream artikulierbaren Kritikpunkte argumentierten vor allem mit dem mehr oder minder antisemitisch getönten Vorwurf des Kommerzes, so die in der Tageszeitung „Die Presse“ erschienenen Kommentare von Herausgeber Otto Schulmeister und Chefredakteur Thomas Chorherr. Schulmeister bezeichnete etwa am 6. März 1979 den Film als „Kommerzware, die auf Gruseln und Schuldgefühl spekuliert“, einen „nach Hollywood-Manier abgedrehten Horrorschinken“.45

Besondere Beachtung fand Thomas Chorherrs „Presse“-Leitartikel „Der Holocaust-Masochismus“ vom 3./4. Februar 1979, also noch im Vorfeld der ORF-Ausstrahlung, der insbesondere auf Applaus von „rechts“ stieß; er wurde unter anderem im Februar-Heft der „Aula“, dem Organ der FPÖ-Akademikerverbände, und in der „Holocaust“-Ausgabe der „Aula“-Schülerzeitung „Sonderblatt“ abgedruckt. Chorherr gesteht dem Film Medienwirksamkeit zu: Obwohl die TV-Serie, so Chorherr, „um des puren Geschäftes, jawohl um nichts als der Dollars wegen hergestellt“ worden sei, habe sie mehr bewirkt habe als alle Dokumentationen, Exkursionen und Diskussionen der vergangenen Jahre. „Holocaust“ erweise somit vor allem eines: „was die Television erreichen kann, welche Macht diesem Medium innewohnt. Wie man mit seiner Hilfe bewußtseinsbildend wirken kann.“ Allerdings, im Fall von „Holocaust“, in einem nach Meinung Chorherrs fragwürdigen Sinn: „Wir erleben in diesen Tagen, vorerst noch jenseits der Grenze, einen der faszinierendsten Fälle von Autosuggestion und Massenpsychose der letzten Jahre.“ Die Ausstrahlung von „Holocaust“ verwandle „ein ganzes Land in einen überdimensionierten Verhandlungssaal, in dem ein riesiger Schauprozeß abgewickelt wird. Angeklagt sind ,die Deutschen‘“, wobei nicht zwischen „verbrecherischen Organisationen wie der SS und den organisierten Mordkommandos wie dem SD einerseits und dem sogenannten Volk andererseits unterschieden werde.“ Was suggeriert werde, sei die „Mitschuld aller an den Verbrechen vieler“, auch über die Generationen hinweg: Konstruiert werde eine „politische Erbsünde“, ein „immerwährendes Kainsmal“. Es sei zwar ein Verdienst dieses „schlechten Fernsehfilms voller Horrorshoweffekte“, das „entsetzliche Schicksal der Juden deutlich zu machen“, seine Aussage sei aber, „die Deutschen sind ein Mördervolk“, und seine Intention, dass sich „die Kinder ihrer Eltern schämen und ihrer Großeltern.“46

Chorherrs Kommentar greift wesentliche narrative Strategien der Abwehr des „Holocaust“-Schocks auf – neben dem Vorwurf der kollektiven Schuldigsprechung des „deutschen Volkes“ („Erbsünde“) bildet der Vergleich mit anderen Formen von gewaltsamen Kriegseinwirkungen auf die Zivilbevölkerung ein konstitutives Element dieser Relativierungsstrategie. „Holocaust“ habe sich nicht in Mauthausen oder Auschwitz zum letzten Mal ereignet, Auschwitz sei „ein Zeichen wie Hiroshima“, erklärte beispielsweise Otto Schulmeister am 6. März 1979 in der „Presse“.47 Chorherrs Verweis auf die „Erinnerung an ein anderes Brandopfer“48, an die „Massenvernichtung im alliierten Bombenhagel, an das Verglühen im Phosphor – auch ein Inferno, auch ein Holocaust“, wird hier nicht allein zur Relativierung im Hinblick auf die Singularität des Holocaust eingesetzt, sondern auch, um die Semantik von „Holocaust“ und „Massenvernichtung“ auf die Erfahrungen der Deutschen (und damit auch der Österreicher) während der NS-Zeit zu übertragen und sie so ebenfalls als Opferkollektiv zu stilisieren.

Die Presseorgane rechtsextremer und neonazistischer Kreise operierten mit ähnlichen Argumenten, allerdings dezidiert antisemitisch, und verschrieben sich darüber hinaus der Verteidigung „der Deutschen“, die zu Unrecht zu Sündenböcken gemacht würden, wobei Aufrechnung und Vergleich zur zentralen rhetorischen Figur einer Täter-Opfer-Umkehr wurde: „Aber nur die Deutschen will man ewig auf die Armensünderbank der Geschichte fesseln. Eine Blutspur des Völkermordes zieht sich durch alle Jahrhunderte. Der Unterschied ist nur der! Die Hinterbliebenen der toten Juden werden mit Wiedergutmachung überschüttet, die der toten Deutschen wurden auch noch ausgeraubt und verjagt. Die Schuldigen für Auschwitz wurden gehängt, die Schuldigen für die Massenmorde an den Deutschen gingen mit Orden und Ehrenzeichen in die Geschichte ein.“49 Dieses Zitat stammt aus der bereits erwähnten Ausgabe des „Sonderblatts“, der „Aula“-Schülerzeitung, mit dem Titel „Holocaust international“. Die Verbreitung dieses Pamphlets in einer Auflage von 150.000 Gratis-Exemplaren, die auch vor Schulen verteilt wurden, verweist indirekt auf das dem Medienereignis „Holocaust“ zugeschriebene Potential an Einstellungsänderung zur NS-Vergangenheit.50

Die Strategie der Gegenerzählung beziehungsweise der Verweis auf „andere Holocausts“ – den Bombenkrieg und die Vertreibung der deutschen Bevölkerung51 – erwies sich auch in der ORF-Medienauswertung als wesentliche Ausdrucksform für eine negative beziehungsweise reservierte Haltung zu „Holocaust“, während explizit antisemitische Äußerungen im öffentlich-medialen Diskurs eher selten zu verzeichnen waren.52 Die Auswertung von 1099 im Zeitraum vom 18. Jänner bis 2. April 1979 publizierten Artikeln mit Bezug zu „Holocaust“ ergab eine hohe Zustimmung: 49 Prozent aller Zeitungsartikel äußerten sich positiv, 14 Prozent negativ, 9 Prozent ambivalent. Als „auffallend“ wurde in der ORF-Medienanalyse die „äußerst hohe Ablehnung“ in der „Kronen Zeitung“ bezeichnet, weiters die überwiegend negativen Kommentare (und Leserbriefe) in den ÖVP-Medien, während in den SPÖ-Medien „Holocaust“ am deutlichsten auf Zustimmung stieß, annähernd gleich hoch war die Befürwortung bei den kirchlichen Medien.53

Die Kongruenz zwischen den Meinungsäußerungen der LeserInnen und der Redaktion wurde allerdings in einigen Presseorganen durchbrochen. So hatte in den „Salzburger Nachrichten“ Chefredakteur Karl Heinz Ritschel im Februar 1979 die ORF-Ausstrahlung befürwortet und den Film gegen Kritik verteidigt – „Holocaust“ sei „nicht antideutsch – der Film ist antinazistisch“ –, obwohl er damit zumindest einen Teil seiner Leserschaft provozierte: Die „Salzburger Nachrichten“ hatten einen „riesigen Posteinlauf“ verzeichnet, darunter offenkundig nicht wenige Stellungnahmen, „die von triefendem Haß getragen sind und letztlich nur beweisen, daß es in unserem Land noch Menschen gibt, die blind an den ,Führer‘ glauben und die die unmenschliche Judenhatz als notwendig und gerechtfertigt sehen.“54

Gerade die nun zutage tretenden antisemitischen Ressentiments bestärkten die BefürworterInnen des „Holocaust“-Films in ihren emphatischen Erwartungen hinsichtlich der kathartischen Wirkung der Betroffenheit, die so zu einem Vehikel politisch-historischer Aufklärung werden sollte: Der Film „hat möglicherweise – hoffentlich! – das Tor aufgestoßen zu einer längst überfälligen Überwindung der fast perfekten Verdrängung dieser Greueltaten aus dem Bewußtsein jener Generation, die diese Zeit selbst erlebt hat“, war etwa in den „Salzburger Nachrichten“ zu lesen.55

Peter Rabl, einer der namhaften Journalisten einer jüngeren Generation, erhoffte sich eine „Schockerfahrung“ für das gegenwärtige Österreich und reagierte damit auch auf Chorherrs Masochismus-Vorwurf in der „Presse“. Rabls „Kurier“-Kommentar „Hoffen, daß der Schock kommt“ (10. Februar 1979) kann als ein paradigmatisches Beispiel für jenes neue, punktuell sichtbar werdende narrative Element angesehen werden, in dem sich Kritik an der politischen Kultur der Zweiten Republik und vor allem an deren „Vergangenheitsbewältigung“ mit dem kollektiven Einbekenntnis („wir Österreicher“) der historischen Schuld an der Judenvernichtung verband. Die Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit zu übernehmen wurde nun als demokratiepolitischer Auftrag für das gegenwärtige Österreich aufgefasst:

Wir Österreicher haben es uns ja nach 1945 viel bequemer machen können als die Deutschen: Wir waren „befreit“, wir haben unseren Staat zurückgekommen, wir waren bewußt ganz wer anderer als die „da draußen“. Damit hat man sich bei uns beinahe alles an Aufarbeitung des NS-Greuels erspart. Die Deutschen haben in ihrer großen Mehrheit jahrzehntelang verdrängt, wir haben das Ganze überhaupt gleich über die Grenze abgeschoben. Und dabei haben die Österreicher so arg mitgemacht. Kaum eine Stadt hat einen so hohen Prozentsatz an Juden in die Gaskammern geliefert wie Wien. Unter den Kriegsverbrechern war der Anteil der Österreicher wesentlich höher, als es ihrem Anteil an der reichsdeutschen Gesamtbevölkerung entspräche. Entsprechend kläglich ist unser Anteil am Widerstand gegen das Hitler-Regime. [...] Wir hätten den „Holocaust“-Schock bitter nötig.

Nicht aus Masochismus, nein. Nur um endlich die grausame Wahrheit jüngster eigener Geschichte wenigstens einmal bewußt zur Kenntnis zu nehmen.56

Im Zusammenhang mit „Holocaust“ wurde vor allem auch das Nachrichtenmagazin „Profil“ zum geschichtspolitischen Akteur57 – als einem wöchentlich erscheinenden politischen Magazin kam ihm über die aktuelle Berichterstattung hinaus die Funktion eines agenda setting-Mediums zu, von dem auch Hintergrundberichte und vertiefende Informationen erwartet wurden. Bereits im Februar 1979 ließ Anton Pelinka, wie eingangs erwähnt, in einem Kommentar keinen Zweifel daran, dass nicht nur Deutschland, sondern auch Österreich von „Holocaust“ betroffen war, vielmehr: Österreich habe einen spezifischen Beitrag zur Judenvernichtung geleistet:

Österreich wird seinen Holocaust zu sehen bekommen. Und das ist gut so. Waren doch Hitler und Kaltenbrunner, Eichmann und Globocnik und viele, viele der kleinen Massenmörder Österreicher; wurde doch die Ideologie der Unwertigkeit des Judentums wesentlich in der Hexenküche nationaler Vorurteile des alten Österreich gebraut; ist doch auch heute noch der Antisemitismus in Österreich in jeder sozialwissenschaftlichen Studie zum politischen Bewußtsein empirisch nachweisbar; hat doch in kaum einem anderen Land der Totstell-Reflex, das ständige Wegschauen gegenüber dem Menschheitsphänomen Auschwitz, so neurotische Züge wie eben in unserer so kleinen, so heilen Welt.58

Empirisch untermauert wurden diese Aussagen etwa durch die „Profil“-Ausgabe vom 13. März 1979, deren Titelgeschichte dem Thema „Österreichs Anteil an der Endlösung“ gewidmet war. Das Cover – eine von drei aufeinanderfolgenden „Profil“-Titelseiten zu „Holocaust“ (Abbildungen 1 bis 3) zeigte die rotweißrote Fahne, versehen mit dem nationalsozialistischen Judenstern. Im zentralen Beitrag von Joachim Riedl – „Preußisches Schwert und österreichische Narretei. Österreichs Anteil an der Endlösung“ – wurde die Genese der NS-Judenvernichtung in Verbindung zu einer spezifisch österreichischen nationalistisch-antisemitischen Tradition gebracht, die sich an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert vor allem in Wien herausgebildet habe. „Die österreichischen Täter, Adolf Eichmann wie Adolf Hitler, Ernst Kaltenbrunner wie Hanns Rauter, haben vieles von ihrem österreichischen Erbe mit nach Großdeutschland genommen.“59

Abb. 1, 2 und 3: Mediale Resonanz auf die Ausstrahlung von „Holocaust“ in Österreich im März 1979: die Titelseiten des Nachrichtenmagazins „Profil“ 10–12/1979.

2.2. Die Haltung des offiziellen Österreich: die ORF-Begleitsendungen zu „Holocaust“

Während im weltanschaulich ausdifferenzierten Feld der Printmedien kontroverse Positionen generiert wurden (wobei sich einige Medien gegen einen Teil ihrer Klientel richteten, wie die erwähnten „Salzburger Nachrichten“), agierte die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ORF als Sprachrohr des offiziellen Österreich.60 Der ORF unternahm es mit seinen Begleitprogrammen, das fiktionale „Holocaust“-Narrativ in zweifacher Weise einzubetten – sowohl was die Beweisführung über die historische Wahrheit der NS-Vernichtungsmaßnahmen als auch was eine Kontextualisierung im Hinblick auf die Ordnung der österreichischen Gedächtnisnarrative betraf. In zwei Produktionen – der Dokumentation „Endlösung“ und der Diskussionssendung „Club 2“ – präsentierte der ORF als die offizielle Stimme Österreichs ein gewissermaßen über den Parteien stehendes, repräsentatives Statement zu der von „Holocaust“ ausgehenden Irritation.

Die am 30. April 1979 ausgestrahlte Dokumentation „Endlösung“ fasste die beiden in der BRD die TV-Ausstrahlung begleitenden dokumentarischen Beiträge („Antisemitismus“ von Erhard Kloess und „Endlösung“ von Paul Karalus, beide im Ersten Programm gesendet) zu einer Sendung zusammen,61  wobei die Darstellung der Judenverfolgung in den Jahren 1938/39 bis 1945 weitgehend aus der deutschen Dokumentation übernommen wurde, während der Abschnitt „Der Antisemitismus. Ursprünge und Folgen“ durch historische und aktuelle Filmsequenzen zum jüdischen Leben in Wien sowie durch Interviewpassagen mit österreichischen ZeitzeugInnen und Experten (Wissenschafter, Journalisten) im Hinblick auf die Geschichte des Antisemitismus in Österreich adaptiert wurde. Nach der Darstellung der Tradition der christlichen Judenfeindschaft seit dem Mittelalter werden für das 19. und 20. Jahrhundert die politischen Massenparteien als Träger des Antisemitismus präsentiert – damit rückt die Frage, welches der politischen Lager mehr an Schuld auf sich geladen habe, ins Zentrum, wodurch auch jenes strukturelle Muster des Konflikts zwischen ÖVP und SPÖ, das seit dem Ende der 40er Jahre die Geschichtspolitik der Zweiten Republik bestimmt hat, aufgerufen war. Der ORF vermied eine explizite Stellungbeziehungsweise Parteinahme und ließ Wissenschafter – die Historiker Friedrich Heer und Karl Stuhlpfarrer, den Politikwissenschafter Norbert Leser – als Vertreter der politischen Lager agieren: So erklärte Friedrich Heer, dass nicht allein die christlichsoziale Partei, sondern auch die Sozialdemokratie schon sehr früh eine „sehr starke antisemitische Einfärbung“ gehabt habe; unmittelbar darauf folgte ein Interview mit dem jungen Zeithistoriker Karl Stuhlpfarrer, der erklärte, die christlichsoziale Partei habe dem Antisemitismus eine Massenbasis gegeben und auf Nachfrage des Interviewers („Nun gabs aber auch in der Arbeiterschaft antisemitische Strömungen“) differenzierte, dass es in den Parteien der Arbeiterbewegung zwar „niemals, zu keiner Zeit“ programmatischen Antisemitismus gegeben habe, dass dies aber nicht ausschließe, dass „einzelne Arbeiter antisemitisch eingestellt waren“, wobei es einen Zusammenhang mit der sozialen Schicht gebe, aus der sich diese rekrutierten; „der Kern der Arbeiterschaft“ sei aber „nicht antisemitisch eingestellt“ gewesen. Diese soziale Zuordnung korrespondiert mit Erklärungen im Off-Text, die das verunsicherte Kleinbürgertum als Trägerschicht des Antisemitismus im Wien der Jahrhundertwende darstellen. Ein gewissermaßen paritätisch austariertes Konsensangebot stellte der Politikwissenschafter Norbert Leser vor: Wenn man den Antisemitismus den noch heute bestehenden politischen Lagern zuordnen wolle, so habe die Sozialdemokratie „zweifellos die weißeste Weste, weil die Sozialdemokratie nicht nur nicht antisemitisch war, sondern programmatisch gegen jede rassische Diskriminierung festgelegt war“; trotzdem habe es auch in der Sozialdemokratie „gelegentlich antisemitische Unterströmungen und Rülpser“ gegeben. Die Christlichsozialen seien zwar „programmatisch auf eine gewisse Form des Antisemitismus festgelegt“ gewesen, der „aber kein Rassenantisemitismus war, sondern nur religiös und wirtschaftlich begründet war“. Zudem seien, ähnlich wie im Fall der Deutschnationalen, „aus dieser Programmatik keine besonderen Konsequenzen gezogen“ worden – Vertreter dieser Lager hätten sich „nie zu irgendwelchen Maßnahmen oder Taten, höchsten zu Worten hinreißen lassen“. Darüber hinaus seien führende Repräsentanten dieser Parteien keine Antisemiten gewesen. Der Antisemitismus, so Lesers Schlussfolgerung, habe „erst in einer viel späteren Phase, durch das Auftreten des Hitlerismus in Österreich, militante und virulente Züge angenommen.“

Die damit bereits angedeutete „Externalisierung“ der Schuldfrage am Holocaust, ihre Projektion auf Deutschland beziehungsweise auf führende Nationalsozialsten wird in der Darstellung der Situation in den 30er Jahren deutlich: „Während zu Beginn der 30er Jahre die illegalen Nazis in Österreich immer stärker in Erscheinung traten“, erläutert der Sprecher aus dem Off, „setzt in der katholischen Kirche eine Neubesinnung ein.“ Trotz vereinzelter antisemitischer Äußerungen (etwa jenen des Linzer Bischofs Gföllner) begannen „immer mehr Christen dennoch umzudenken“. Dieses Versöhnungsbild, das die Verantwortung an der Verfolgung der Juden den Nationalsozialisten anlastete und „die Christen“ pauschal von Schuld freisprach, entwarf der Wiener Judaist Kurt Schubert. Die Kirche habe sich in dieser Situation immer mehr für die Juden eingesetzt; „jetzt setzt mit einem Paukenschlag die christlich-jüdische Verständigung ein, als Reaktion auf den rassisch gefärbten Antisemitismus und den militanten Antisemitismus des Nationalsozialismus“. An dieser Stelle wird in „Endlösung“ vorläufig der österreichische Bezugsrahmen verlassen – nach Schuberts Ausführungen werden Bilder Hitlers eingeblendet, der Sprecher fährt fort mit den Worten: „30. Jänner 1933. Nationalsozialistische Machtergreifung in Deutschland. Damit begann für die Juden ein neues, das schrecklichste Kapitel in der langen Geschichte ihrer Verfolgung“; darauf folgt ein schriftliches Insert mit dem Text „Deutschland 1933– 1938. Ausschaltung der Juden aus dem öffentlichen Leben.“

Im Zusammenhang mit der „Okkupation“ Österreichs im März 1938 findet allerdings jenes Ereignis Erwähnung, das sich gerade im Kontext mit der medialen Berichterstattung über das Schicksal der österreichischen Juden als das Fanal einer österreichischen Mitverantwortung für die NS-Vernichtungspolitik herauszukristallisieren begann: Das „Anschluss“-Pogrom. Die Bedeutung dieser pogromartigen Ausschreitungen für die Radikalisierung der nationalsozialistischen Judenpolitik wurde in „Endlösung“ von den Historikern Friedrich Heer und Jonny Moser unterstrichen, allerdings (und im Unterschied zur heutigen Interpretation) wird nicht die österreichische beziehungsweise Wiener Bevölkerung dafür verantwortlich gemacht, sondern die Nationalsozialisten: Der „besonders aggressive, antijüdische österreichische Nationalsozialismus“ (Heer) wurde nun zu einem Modell für die Verschärfung der antijüdischen Maßnahmen im „Altreich“; gewissermaßen, so Friedrich Heer, „das österreichische Vorbild der Endlösung“. Damit endet der Österreich-Bezug in der Dokumentation „Endlösung“, die Darstellung von Deportation und Ermordung und ihres zentralen Ortes, Auschwitz, wird nicht mehr mit Österreich in Verbindung gebracht.62

Eine andere Form der Kontextualisierung des „Holocaust“-Schocks eröffnete die Diskussionssendung „Club 2“, ein Live-Sendungsformat des ORF, das kontroversiellen Debatten Raum gab. Die wesentlichste Aussage wurde bereits durch die Auswahl der DiskutantInnen getroffen: Wer durfte – gewissermaßen repräsentativ für die österreichische Gesellschaft – das Wort ergreifen? Aus der Generation der ZeitzeugInnen waren vier ehemalige KZ-Häftlinge geladen, drei prominente Vertreterinnen des politischen Widerstandes aus den drei Gründungsparteien der Zweiten Republik – die ehemalige SPÖ-Nationalratsabgeordnete Rosa Jochmann, der ehemalige ÖVP-Nationalratspräsident Alfred Maleta und der Schriftsteller Hermann Langbein, der als Kommunist verfolgt worden war und später mit der KPÖ gebrochen hatte – sowie Viktor Frankl, der als Nervenarzt und Autor des Buches „... trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“ vorgestellt wurde; als ExpertInnen fungieren der Judaist Kurt Schubert, der bereits in der Dokumentation „Endlösung“ mitgewirkt hatte, die Historikerin Erika Weinzierl und der Regisseur und Autor Axel Corti. Viktor Frankl deklarierte sich während der Debatte selbst als Jude, und er als Repräsentant der Holocaust-Opfer unternahm es, jene „befreienden Worte“ zu sprechen, die von der „Tätergesellschaft“ als Freispruch hinsichtlich der Schuldfrage gedeutet werden konnten. Mit Verweis auf humane Verhaltensweisen auch von SS-Männern in den Konzentrationslagern plädierte Frankl mit Zustimmung anderer ZeitzeugInnen für eine differenzierte Sichtweise („[...] denn gerade die, die im Lager waren, sind viel nachsichtiger in dieser Beziehung, denn die wissen, wie groß der Druck war [...]“), es habe bei Tätern und Opfern beide Möglichkeiten gegeben – „[...] auf der einen Seite waren die Schweinehunde, und auf der anderen Seite waren die Leute, die ihre Menschlichkeit bewahrt haben, auch noch in diesen ärgsten Bedingungen“. Daher Frankls Schlussfolgerung: „Holocaust ist in uns“ [...]. „Jeder einzelne Mensch [...] ist prinzipiell [...] Holocaust-fähig“.

Diese in der Berichterstattung über den „Club 2“ vielzitierte Aussage setzte gewissermaßen einen versöhnlichen Schlusspunkt in der Debatte. „Trotz Holocaust: Es gibt keine kollektive Schuld!“ – dies wurde als Ergebnis in den Medien kommuniziert.63 Frankls Worte können einerseits als Versuch eines Zeitzeugen gelesen werden, gegen eine vereinfachende Dichotomie von Opfern und Tätern zu argumentieren. Aber es ist andererseits wohl kein Zufall, dass es dem jüdischen Zeitzeugen Viktor Frankl oblag, diese Worte auszusprechen – dass also offenkundig den Opfern die Funktion zukam, das „Täterkollektiv“ von Schuld freizusprechen.64

Der harmonische Ausklang des „Holocaust“-Schocks wurde mit Erleichterung aufgenommen. Darüber hinaus war – so die ersten, unmittelbar nach der Ausstrahlung des letzten Serienteils bekannt gegebenen Ergebnisse der ORF-Medienforschung – die Resonanz auf „Holocaust“ in Österreich verhältnismäßig stärker als in Deutschland: 7361 Seherinnen und Seher hatten die Möglichkeit, sich telefonisch an den ORF-Kundendienst zu wenden, genützt, in der BRD waren rund 30.000 Anrufe verzeichnet worden.65 Diese hohe Frequenz lag aber auch an den „außerordentlichen Anstrengungen“ der Sendeanstalt: Die bestehenden 5 Kundendienstleitungen im ORF-Zentrum waren um weitere 31 aufgestockt worden, die 36 Amtsleitungen waren an den Tagen der „Holocaust“-Ausstrahlung von 8 bis 24 Uhr besetzt; insgesamt waren 52 MitarbeiterInnen im Telefondienst eingesetzt worden.66

3.„Holocaust – was nun?“67

Die Frage, was „Holocaust“ bewirkt habe beziehungsweise weiterhin bewirken könne, wurde nach der Ausstrahlung der Serie unterschiedlich eingeschätzt. Seitens der AkteurInnen im Feld der politisch-historischen Aufklärung wurde „Holocaust“ als „Herausforderung im positiven Sinn“ (Unterrichtsminister Fred Sinowatz)68 und zugleich als Vehikel gesehen, um aus dem Klima von Betroffenheit und emotionaler Erschütterung heraus eine nachhaltige Veränderung des Geschichtsbewusstseins zu bewirken und durch zum Teil neu geschaffene Instrumente politisch-historischer Aufklärung zu festigen. In dieser Hinsicht hatten Schulunterricht und Wissenschaft offenkundig bislang versagt, wie selbstkritisch vermerkt wurde. Im Beitrag „Holocaust – was nun“, veröffentlicht in der „Zeitgeschichte“, dem wissenschaftlichen Organ der österreichischen Zeitgeschichtsforschung, sprach Peter Dusek, der Gestalter der erwähnten Sendereihe „Alltagsfaschismus“, von einem „schwarzen Freitag der Historiker“, von einem Scheitern der Geschichtswissenschaft, die offenkundig „jahrzehntelang an den Interessen und Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeigelebt hatte“. Erst eine Hollywood-Familienstory habe „jene Betroffenheit aus(gelöst), um die sich die Geschichtsforschung bisher zumeist vergeblich bemüht“ habe. In Österreich sei es allerdings nötig, im Unterschied zur BRD ein „Nachholverfahren“ in Gang zu setzen, denn „Vergangenheitsbewältigung“ sei hier erst seit einigen Jahren möglich: Unter dem Slogan vom „ersten Opfer“ der nationalsozialistischen Expansionspolitik habe bald nach Kriegsende das Buhlen der Großparteien um die „Ehemaligen“ eingesetzt; „wer sich in Österreich mit der NS-Ära beschäftigte, galt als Nestbeschmutzer, als Ewig-Unversöhnlicher, der sich vor neuem Unrecht in der Welt verschließt.“69

Wie nachhaltig das Veränderungspotential von „Holocaust“ wirkte, diese Frage stellte sich auch die Medienforschung des ORF: Laut Meinungsumfragen war es gelungen, bei rund 5 Prozent der österreichischen Bevölkerung eine „zumindest kurzfristige Einstellungsänderung“ zu bewirken: „Das bedeutet, daß etwa 300.000 Österreicher zu den entscheidenden, durch Holocaust relevierten zeitgeschichtlichen Tatbeständen und Diskussionspunkten einen Einstellungswandel mitmachten, der durch wissensvermittelnde oder wissensverändernde Information (beziehungsweise bewußtseinsändernde Emotion) seitens der Massenmedien herbeigeführt wurde.“70 So waren vor der Ausstrahlung von „Holocaust“ 44 Prozent der ÖsterreicherInnen der Meinung, „dass die Österreicher den Massenmord an den Juden mitzuverantworten haben“, während 38 Prozent „die Verantwortung dafür allein den Deutschen zumessen“ wollten. Nach der Ausstrahlung von „Holocaust“ lag das „Bewußtsein einer Mitschuld der Österreicher“ bei 50 Prozent der Bevölkerung.71

Um die Langzeit-Wirkung von „Holocaust“ auf die Einstellung der ÖsterreicherInnen zur NS-Vergangenheit genauer zu erheben, wurde im Juli und August 1979 eine weitere Meinungsumfrage durchgeführt, wobei sich zeigte, dass die im Umfeld von „Holocaust“ erhobenen Werte wieder abgeflacht waren. Ernüchtert wurde festgehalten, dass „oft schon Jahrhunderte existierende Einstellungen [...] eben auch mediale Großereignisse nicht ändern (können)“ und dass „die Langzeitwirkung selbst eines Medienereignisses wie ,Holocaust‘ in der Gesamtbevölkerung offenbar minimal ist.“ Zudem bleibe offen, ob es sich im März 1979 um einen tatsächlichen Meinungsumschwung gehandelt habe oder ob es im Klima der „Holocaust“-Ausstrahlung vermieden worden war, antisemitische Vorurteile öffentlich zu äußern. Allerdings zeigten sich auch positive Aspekte, so war die Zahl derer, die keine Antwort auf die verwendeten Messfragen gaben, insbesondere bei jüngeren Altersgruppen gesunken. Auch das abschließende Resümee ließ auf eine nachhaltigere Wirkung hoffen, als aus den Meinungsumfragen abzulesen war: „Als Hypothese ließe sich formulieren, daß ,Holocaust‘ im kognitiven Bereich offenbar nur eine minimale (manifeste) Langzeitwirkung, im emotionalen Bereich vermutlich aber eine höhere (latente) Dauerwirkung erzielt hat. Diese könnte bei Aktualisierung der Thematik freilich ,abgerufen‘ werden. Mit Sicherheit hat die Serie jedoch zu einer Sensibilisierung der Träger der veröffentlichten Meinung und des gesamten Bereiches Schule und Volksbildung geführt.“72

Diese neue Sensibilität sollte sich im Jahr 1983 erweisen, als die geplante Bestellung des langjährigen FPÖ-Bundesparteiobmannes Friedrich Peter zum dritten Nationalratspräsidenten auf vehemente öffentliche Kritik stieß. Simon Wiesenthal hatte, wie bereits erwähnt, 1975 offengelegt, dass Peter nicht allein, was allgemein bekannt war, der Waffen-SS angehört hatte, sondern dass er als Angehöriger der 1. SS-Infanteriebrigade, eines unter direktem Befehl Himmlers stehenden Mordkommandos, in Massenmorde an der jüdischen Bevölkerung involviert gewesen war, was Peter zurückwies. Acht Jahre später sah sich Peter aufgrund des Drucks der öffentlichen Meinung veranlasst, seine Kandidatur zurückzuziehen. Offenkundig war es 1983 nicht mehr möglich,miteinerdermaßenbelastetenVergangenheiteinhohesStaatsamt innezuhaben. In der Diskussion um Friedrich Peters Eignung für das Amt des dritten Nationalratspräsidenten deuten sich bereits die Konfliktkonstellationen der Waldheim-Affäre an.73

Die von „Holocaust“ beziehungsweise der davon evozierten medialen Berichterstattung über die nationalsozialistische Vernichtungspolitik ausgehende Veränderung der Vorstellungen (des narrativen und visuellen Wissensrepertoires) über die NS-Zeit geht offenkundig über die Kategorie der Betroffenheit, die Empathie mit den Opfern und die Sensibilisierung für die Dimensionen der nationalsozialistischen Verbrechen hinaus. Im wissenschaftlichen Diskurs ebenso wie in der Berichterstattung der Medien kristallisierte sich ein neues Element in der narrativen Ordnung des österreichischen Gedächtnisses heraus, eine neue Perspektive auf die NS-Vergangenheit. Waren im Jahr 1978 die nationalen Traumata noch auf die parteipolitisch umstrittene Frage nach der Schuld am „Untergang“ des österreichischen Staates beschränkt, so wurde 1979 der historische Bezugspunkt von „Vergangenheitsbewältigung“ und damit auch die „Schuldfrage“ partiell neu formuliert: Sie richtete sich nicht mehr an die politischen Parteien, sondern an die WirGemeinschaft, an die Generation der eigenen Eltern und Großeltern.

In der Semantik dieses „Schuldnarrativs“ wurden die von Österreichern während der NS-Herrschaft begangenen Verbrechen nicht als Einzeltaten, sondern als „österreichischer Beitrag“ zur Judenvernichtung benannt. Im Umfeld der „Holocaust“-Ausstrahlung wurde somit erstmals im öffentlich-medialen Diskurs jener Katalog formuliert, der verschiedene Aspekte der Geschichte und Vorgeschichte der NS-Herrschaft in Österreich im narrativen framing eines spezifisch „österreichischen Beitrags“ zu Nationalsozialismus und Holocaust verortete.

Es bedurfte der Definition von „Holocaust“ als eines „österreichisches“ Themas,umdieseVergangenheitineinennationalenRahmenzustellenund so zum Gegenstand der Kontroversen um die „eigene“ Geschichte machen zu können. Erst die Implementierung des „Zivilisationsbruchs Auschwitz“ (Dan Diner) in den Kontext einer „österreichischen“ Geschichte eröffnete einen Ansatzpunkt (und die Legitimation) für die nun initiierten beziehungsweise intensivierten Projekte politisch-historischer Aufklärung (SchülerInnenBesuche in der Gedenkstätte KZ Mauthausen, ZeitzeugInnen-Aktion in den Schulen etc.). „Holocaust“ hat wohl entscheidend zu jenen generationsspezifischen Veränderungsprozessen des historischen Bewusstseins beigetragen, die Voraussetzung für die Neuverhandlungen des österreichischen Geschichtsbildes im Kontext der Waldheim-Affäre waren.


 

Anmerkungen

1  Zur österreichischen Situation vgl. die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Transformationen gesellschaftlicher Erinnerung. Interdisziplinäre Forschungen zur österreichischen Gedächtnisgeschichte in der Zweiten Republik“, gefördert vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Wien; Projektteam: Christian Gerbel, Manfred Lechner, Dagmar C. G. Lorenz, Oliver Marchart, Vrääth Öhner, Ines Steiner, Andrea Strutz, Heidemarie Uhl; ein gleichnamiger Sammelband erscheint 2004.– Teile dieses Beitrags wurden in einer ersten Fassung veröffentlicht in: Vrääth ÖHNER, Oliver MARCHART, Heidemarie UHL, „Holocaust“ revisited. Lesarten eines Medienereignisses zwischen globaler Erinnerungskultur und nationaler Vergangenheitsbewältigung, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 2003 (Medien – Politik – Geschichte), S. 307–334.

2  Vgl. z.B. Christoph CORNELIßEN, Lutz KLINKHAMMER, Wolfgang SCHWENTKER (Hg.), Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien und Japan seit 1945, Frankfurt am Main 2003.

3  Daniel LEVY, Natan SZNAIDER, Erinnerung im globalen Zeitalter: Der Holocaust, Frankfurt am Main 2001.

4  Ebenda, S. 132.

5  Vgl. Tony JUDT, Die Vergangenheit ist ein anderes Land. Politische Mythen im Nachkriegseuropa, in: Transit (1993) 6, S. 87–120.

6  Dan DINER, Über Schulddiskurse und andere Narrative. Epistemologisches zum Holocaust, in: Gertrud KOCH (Hg.), Bruchlinien. Tendenzen der Holocaustforschung, Köln–Weimar–Wien 1999 (= Beiträge zur Geschichtskultur 20), S. 61 f.

7  Ebenda.

8  Vgl. Walter PRIGGE, Zum Gedächtnisraum des 20. Jahrhunderts, in: DERS. (Hg.), Bauhaus Brasilia Auschwitz Hiroshima. Weltkulturerbe des 20. Jahrhunderts: Modernität und Barbarei, Berlin 2003 (= Edition Bauhaus 12), S. 6–23.

9  Peter DUSEK, Holocaust – was nun?, in: Zeitgeschichte 6 (1979) 7, S. 266.

10  Anton PELINKA, Tabu Auschwitz, in: Profil, 10. Jg., Nr. 7 (13.2.1979), S. 9.

11  Vgl. Heinz P. WASSERMANN, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“ Nationalsozialismus im Spiegel der Tagespresse der Zweiten Republik, Innsbruck– Wien–München 2000, S. 405–447.– So erreichte die Berichterstattung zum März 1978 in der „Arbeiter-Zeitung“ eine „bis zu diesem Zeitpunkt für alle untersuchten Tageszeitungen einmalige Dichte an historischer Thematisierung des ,Anschlusses‘.“ Ebenda, S. 419.

12  Vgl.z.B.UrsulaPASTERK,Anschlußverpaßt,in:Profil,9.Jg.,Nr.12(21.3.1978),S.20.

13  Zur Affäre um Taras Borodajkewycz – die Debatten um deutschnationale und antisemitische Äußerungen des Professors an der Wiener Hochschule für Welthandel lösten Demonstrationen von Anhängern und Gegnern aus, bei denen Anfang April 1965 ein Demonstrant, der ehemalige kommunistische Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger, getötet wurde – vgl. Gérard KASEMIR, Spätes Ende für „wissenschaftlich“ vorgetragenen Rassismus. Die Affäre Borodajkewycz, in: Michael GEHLER, Hubert SICKINGER (Hg.), Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim, Thaur–Wien– München 1995, S. 486–501.

14  Vgl. Ingrid BÖHLER, „Wenn die Juden ein Volk sind, so ist es ein mieses Volk“. Die Kreisky–Peter–Wiesenthal Affäre 1975, in: ebenda, S. 502–531.– Kreisky unterstellte Wiesenthal u.a., ein NS-Kollaborateur gewesen zu sein.

15  Staatsakt in der Hofburg: Aus der Geschichte gelernt. Verstehen der Vergangenheit gibt Kraft für die Zukunft, in: Wiener Zeitung, 14.3.1978, S. 1.

16  WASSERMANN, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“, S. 405 f., S. 433 f.

17  PASTERK, Anschluß verpaßt.

18  Anton PELINKA, Windstille. Klagen über Österreich, Wien–München 1985, S. 131.

19  Peter MALINA, Gustav SPANN, Geschichte als Bilderbogen der Vergangenheit. Kritische Notizen zur Fernsehserie „Österreich II“, in: Politische Bildung 11 (1989) 1, S. 14 f.

20  Elisabeth KLAMPER, „Ein einig Volk von Brüdern“. Vergessen und Erinnern im Zeichen des Burgfriedens, in: Zeitgeschichte 24 (1997) 5/6, S. 170–185.

21  Manfried RAUCHENSTEINER, Die Zwei. Die große Koalition in Österreich 1945–1966, Wien 1987, S. 467; vgl. Susanne BÖCK, Zwischen Polemik und Versöhnung. Die Zweite Republik und der 12. Februar 1934, in: Heidemarie UHL (Hg.), Steinernes Bewusstsein. Die öffentliche Repräsentation staatlicher und nationaler Identität Österreichs in seinen Denkmälern, Bd. 2, Wien– Köln–Weimar 2003 (in Druck).

22  Vgl. KLAMPER, „Ein einig Volk von Brüdern“, passim.

23  So die „Profil“-Journalistin Marianne Enigl in einem Diskussionsbeitrag zum Thema „Zeitgeschichte und Öffentlichkeit“ am Österreichischen Zeitgeschichtetag in Klagenfurt im Oktober 2001.

24  Vgl. Heidemarie UHL, Zwischen Versöhnung und Verstörung. Eine Kontroverse um Österreichs historische Identität fünfzig Jahre nach dem Anschluß, Wien–Köln–Weimar 1992 (= Böhlaus Zeitgeschichtliche Bibliothek).

25  Diesen Titel trug eine 1978 vom Wiener Stadtschulrat und der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien in Auftrag gegebene Broschüre für den Schulunterricht. Walter GÖHRING, Friederike STADLMANN, Start in den Abgrund. Österreichs Weg 1918–1945, Wien (1978).

26  Vgl. Siegfried MATTL, Bestandsaufnahme zeitgeschichtlicher Forschung in Österreich, hg. v. Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Wien 1983.– Das Selbstverständnis der österreichischen Zeitgeschichte vor dem Paradigmenwechsel durch die Waldheim-Debatte geht aus einer Standortbestimmung von Ernst Hanisch aus dem Jahr 1985 hervor: „Die schlechthin wichtigste Frage der österreichischen Zeitgeschichte läßt sich so formulieren: Warum scheiterte die Demokratie in der Ersten Republik, warum war die Demokratie in der Zweiten Republik relativ erfolgreich?“ Ernst HANISCH, Zeitgeschichte als politischer Auftrag, in: Zeitgeschichte 13 (1985) 3, S. 85 f.

27  Vgl. Richard MITTEN, Die „Judenfrage“ im Nachkriegsösterreich. Probleme der Forschung, in: Zeitgeschichte 19 (1992) 11/12, S. 356–367.

28  Josef HASLINGER, Politik der Gefühle. Ein Essay über Österreich, Darmstadt–Neuwied 1987 (= Sammlung Luchterhand 692), S. 65.

29  Gerhard BOTZ, Anschluß an die Vergangenheit! Überlegungen zum Zusammenhang von Verdrängung der NS-Vergangenheit und aktueller Krise von Zeitgeschichte, Antifaschismus und Demokratiebewußtsein in Österreich, in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), Jahrbuch 1987, Wien 1987, S. 23–41.

30  Peter DUSEK, Alltagsfaschismus in Österreich, St. Pölten 1979 (= Mediathek der Zeitgeschichte 1).

31  Ebenda, S. 17 f.

32  Ebenda, S. 17.

33  Ebenda, S. 109.

34  Ebenda, S. 18.

35  Ebenda.

36  Ebenda, S. 104.

37  Vgl. die einleitende Sendung zur sechzehnteiligen Rundfunk-Sendereihe: Alltagsfaschismus in Österreich, Folge 1: Nationalsozialismus ohne Hitler? oder Die Lehren aus der Vergangenheit, Ausstrahlung am 28.9.1978, 9.15–9.30, Ö1 und Ö Regional, abgedruckt in: ebenda, S. 17–20.

38  Folge 4: Gewinnträchtiger Antisemitismus oder die wirtschaftlichen Nebenabsichten beim Anschluß, in: ebenda, S. 31–38.

39  Den Terminus „Externalisierung“ im Hinblick auf den Umgang mit der NS-Vergangenheit in Österreich (und der DDR), im Gegensatz zu ihrer „Internalisierung“ als normativer Bezugspunkt der politischen Kultur in der BRD, wurde von M. Rainer Lepsius geprägt. M. Rainer LEPSIUS, Das Erbe des Nationalsozialismus und die politische Kultur der Nachfolgestaaten des „Großdeutschen Reiches“, in: Max HALLER, Hans-Joachim HOFFMANN-NOWOTNY, Wolfgang ZAPF (Hg.), Kultur und Gesellschaft. Verhandlungen des 24. Deutschen Soziologentags, des 11. Österreichischen Soziologentags und des 8. Kongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie in Zürich 1988, Frankfurt am Main–New York 1989, S. 251.

40  Peter DUSEK, Auf euch lastet die Hoffnung ..., in: Die Gemeinde, 4.4.1979 (7. Nissan 5739), S. 5 (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Wien – Schnittarchiv).

41  PeterDIEM,Holocaust.AnatomieeinesMedienereignisses,hg.v.Österreichischen Rundfunk (ORF), Wien 1979 (= Berichte zur Medienforschung 1/79), S. 4.– Darüber hinaus wurde nach der dritten Folge eine Sendung im Hörfunk-Programm Ö1 ausgestrahlt, und am 10.3.1979 eine Jugenddiskussion zu Holocaust (FS 2, 16.00) gesendet.

42  Wolfgang NEUGEBAUER, Holocaust und Österreich, Manuskript, o.O. [1979], S. 1 (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Wien).

43  DIEM, Holocaust, S. 3.

44  Hubert FEICHTLBAUER, „Holocaust in uns“ bleibt die Frage, in: Die Furche, 7.3.1979.

45  Otto SCHULMEISTER, Holocaust und kein Ende, in: Die Presse, 6.3.1979, zit. n. WASSERMANN, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“, S. 321.

46  Thomas CHORHERR, Der Holocaust-Masochismus, in: Die Presse, 3./4.2.1979.

47  Otto SCHULMEISTER, Holocaust und kein Ende, in: Die Presse, 6.3.1979, zit. n. WASSERMANN, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“, S. 323.– In anderen Presseorganen wurde der Vergleich zu Kambodscha und sogar zur „Fristenregelung“, der umstrittenen gesetzlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs, gezogen, so etwa in der katholisch-konservativen „Kleinen Zeitung“ (Graz), vgl. WASSERMANN, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“, S. 320.

48  Ebenda; konkret bezieht sich Chorherr auf die Bombentoten des Philipphofs in Wien.

49  N.N. [Ingomar Pust]: Rummel um „Holocaust“, in: Holocaust international (= Sonderblatt 5/1979); dabei handelte es sich um den Nachdruck eines Artikels aus der „Volkszeitung Kärnten-Osttirol“ vom 9.2.1979. Zit. n. WASSERMANN, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“, S. 405.

50  Das „Sonderblatt“, nach eigenem Bekunden eine Schüler-, Jugend- und Studentenzeitung, erschien in einer Normalauflage von 30.000 Exemplaren. Nach Einschätzung von Heinz P. Wassermann ritt das „Sonderblatt“ die „fraglos heftigste Attacke gegen ,Holocaust‘“. WASSERMANN, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“, S. 304.

51  Vgl. die Serie „Das andere Holocaust“ im „Salzburger Volksblatt“ (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Wien – Schnittarchiv).

52  „Häufigste negative Einstellung zu ,Holocaust‘ drückt sich in Gegendarstellungen aus, also z.B. der Hinweis auf durch die Alliierten ausgeübte Greuel oder das Leid, das etwa die Sudentendeutschen durchzumachen hatten.“ DIEM, Holocaust, S. 63.

53  Vgl. ebenda, S. 55–69. Die sozialistische „Arbeiter Zeitung“ und die katholische „Furche“ wiesen – gemessen an der Zahl der Kommentare – den höchsten Zustimmungsgrad auf.

54  Karl Heinz RITSCHEL, Die Endlösung ist unverlierbare Geschichte, in: Salzburger Nachrichten, 28.2.1979, zit. n. WASSERMANN, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“, S. 342.

55  „Holocaust“ ist in uns, in: Salzburger Nachrichten, 6.6.1979, zit. n. WASSERMANN, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“, S. 314.

56  Peter RABL, Hoffen, daß der Schock kommt, in: Kurier, 10.2.1979, zit. n. WASSERMANN, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“, S. 316 f.

57  Zum„Profil“als„geschichtspolitischemAkteur“vgl.AlexanderPOLLAK,Die Wehrmachtslegende in Österreich. Das Bild der Wehrmacht im Spiegel der österreichischen Presse nach 1945, Wien–Köln–Weimar 2002, S. 104.

58  PELINKA, Tabu Auschwitz.

59  JoachimRIEDL,PreußischesSchwertundösterreichischeNarretei.Österreichs Anteil an der Endlösung, in: Profil, 10. Jg., Nr. 11 (13.3.1979), S. 44–56.

60  Zur Funktion der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt ORF im Hinblick auf das Medienereignis „Holocaust“ vgl. den Beitrag von Vrääth Öhner in: ÖHNER, MARCHART, UHL, Holocaust revisited, S. 310–315.

61  Endlösung. Ein Film von Paul KARALUS, Erhard KLÖSS, Peter HUEMER und Paul SCHULMEISTER. Produktion: WDR – ORF, 1979. Die folgenden Zitate stammen aus dieser TV-Dokumentation.

62  Allein die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien findet Erwähnung; der Historiker Jonny Moser wird in diesem Zusammenhang gefragt, wie vielen österreichischen Juden (ungefähr 120.000) die Auswanderung gelungen ist.

63  A.S., Trotz Holocaust: Es gibt keine kollektive Schuld!, in: Südost-Tagespost, 6.3.1979; vgl. weiters z.B. Gerhard PISTOR, Holocaust ist in uns, in: Kurier, 6.3.1979 (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Wien – Schni ttarchiv).

64  So wurde auch Ella Lingens, die in Auschwitz inhaftiert gewesen war und deren Bericht im „Profil veröffentlicht wurde, mit der Titelschlagzeile zitiert: Kein Groll gegen Landsleute, in: Kurier, 5.3.1979 (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Wien – Schnittarchiv).

65  7361 Anrufe zu Holocaust, in: ebenda.

66  DIEM, Holocaust, S. 32.

67  DUSEK, Holocaust – was nun?, S. 266–273.

68  NRAbg. Dr. Fred SINOWATZ, Bundesminister für Unterricht und Kunst: Die Jugend muß informiert werden, in: Das Menschenrecht. Offizielles Organ der Österreichischen Liga für Menschenrechte 34 (Juni 1979) 2, S. 1 f. (Wiedergabe eines Interviews mit der „Gemeinde“, dem Organ der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Nr. 255 v. 7.3.1979). Sinowatz verweist auf neue Aktivitäten im Hinblick auf den Zeitgeschichte-Unterricht, vor allem auf den im Jahr 1978 ergangenen „Grundsatzerlass politische Bildung“, auf den Vermittlungsdienst für zeitgeschichtliche Vorträge an den Schulen, auf neue Unterlagen und eine Reform der Schulbücher sowie die Nationalfeiertagsaktion „Schüler forschen: ZEITGESCHICHTE“.

69  DUSEK, Holocaust – was nun?, S. 267.

70  DIEM, Holocaust, S. 28.

71  Ebenda, S. 29.

72  Ebenda, S. 73; Hervorhebungen im Original.

73  Vgl. WASSERMANN, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“, S. 91 f.

 

Erstveröffentlichung in:
Heidemarie Uhl (Hg.), Zivilisationsbruch und Gedächtniskultur. Das 20. Jahrhundert in der Erinnerung des beginnenden 21. Jahrhunderts, Innsbruck 2003 (Studien Verlag Innsbruck).

Info zum Buch     Rezension des Buches bei H-Soz-u-Kult

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