von Gundula Pohl

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30. November 2021

Maly Trascjanec im heutigen Belarus war der größte NS-Vernichtungsort auf dem Gebiet der Sowjetunion. Zwischen 1942 und 1944 ermordeten Nationalsozialist:innen lokale sowie aus dem besetzten Mitteleuropa deportierte Jüdinnen:Juden, (angebliche) Partisan:innen und (Kriegs-)Gefangene. Ein von 2014 bis 2019 erbauter internationaler Erinnerungskomplex soll den Weg zu einem gemeinsamen europäischen Gedenken ebnen und so die Bruchlinie zwischen postsowjetischer und (west-)europäischer Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die Shoah überwinden helfen.[1] Einzelne Denkmäler dieses Gedenkortes formen die Erinnerung jedoch weiterhin national und lassen wenig Spielraum für multiperspektivisches Gedenken. Der Beitrag blickt auf zwei sehr unterschiedliche Denkmäler, die sich dennoch ähneln.

 

Maly Trascjanec am Rand der Stadt Minsk ist Sammelbegriff für drei nationalsozialistische Tatorte. Dazu gehören: ein Zwangsarbeiter:innenlager (1942-1944) und zwei Massenerschießungsorte in den Wäldern Blahaŭščyna (1942-1943) und Šaškaŭka (1943-1944). Die Opfer – aus Mitteleuropa deportierte sowie lokale Jüdinnen:Juden, sowjetische Kriegsgefangene und Zivilist:innen – wurden meist durch Genickschuss ermordet. Unmittelbar nach dem Abzug der deutschen Truppen Ende Juli 1944 ermittelte eine sowjetische Kommission anhand von Tatortuntersuchungen und Zeug:innenbefragungen 206.500 Opfer.[2] Diese Zahl kursiert bis heute im öffentlichen Diskurs Belarus’ und wird in der offiziellen Rhetorik verwendet.[3] Jüngere Schätzungen belarusischer und deutscher Historiker:innen bewegen sich zwischen nachweislich mindestens 40.000 bis 80.000 Personen.[4] Etwa zwei Drittel der Ermordeten waren Jüdinnen:Juden.[5]

 

Erinnerungskultur in Belarus: staatlich gelenkte Universalisierung[6]

Die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg spielt bis heute eine Schlüsselrolle im kulturellen Gedächtnis in Belarus und bildet den wichtigsten Bezugspunkt der staatlichen Geschichtspolitik des Diktators Aliaksandr Lukašėnka.[7] Bis heute ist diese stark von sowjetischen Narrativen und Traditionen geprägt. In der sowjetischen Gedenktradition dominierte eine Kriegserzählung, die sich auf den heroischen Sieg der Armee und das märtyrerhafte Leid der Bevölkerung fokussierte.[8] Jüdinnen:Juden – ob als Kämpfer:innen oder als Opfer der Shoah – spielten in diesem Narrativ keine Rolle. Im Gegenteil: Unter dem Opferbegriff „friedliche sowjetische Menschen“ wurden Jüdinnen:Juden subsumiert und de-facto unsichtbar gemacht.[9]
Lukašėnka knüpft seit seinem Regierungsantritt im Jahr 1994 an diese Traditionen an, nationalisiert jedoch das Gedenken in Belarus. Der bewaffnete Kampf gegen die deutsche Besatzung wird so zum Kampf für belarusische Unabhängigkeit.[10] Für das Regime Lukašėnka birgt diese Modifizierung der sowjetischen Meistererzählung die Loslösung von Russland und Festigung der staatlichen Souveränität, ohne den integrativen Faktor einer gemeinsam geteilten Leidens- und Siegesgeschichte aufgeben zu müssen. Lukašėnka nutzt die hohe Zahl ziviler Opfer auch als Argument, um politischen Forderungen, zum Beispiel gegenüber der EU, Gewicht zu verleihen.[11]

Da auch die Shoah von staatlicher Seite in erster Linie als national-belarusisches Leid interpretiert wird, widmen sich der Erinnerung an den Genozid zumeist zivilgesellschaftliche Akteur:innen und privat finanzierte Initiativen, wie etwa die Union der jüdischen Verbände und Gemeinden Belarus oder auch die Geschichtswerkstatt Minsk.[12] Ein Großteil der Shoah-Denkmäler in Belarus ist auf die Initiative des Minsker Architekten und ehemaligem Vorsitzenden der Union Leanid Levin (1936-2014) zurückzuführen.[13] Daneben engagieren sich auch internationale Akteur:innen: Das Bildungs- und Begegnungswerk (IBB) Dortmund unterhält seit den frühen 90er Jahren eine Außenstelle in Minsk, die Bürger:inneninitiative IM-MER aus Wien[14] widmet sich der Erinnerung an „österreichische“ Shoah-Opfer.

 

Ein Gedenkort wird geplant – jahrzehntelang

Der zeitgenössischen Erinnerungstradition folgend, wurde auch Maly Trascjanec in erster Linie als Ort sowjetischen Leidens interpretiert. Drei Denkmäler aus den 1960er Jahren erwähnen deportierte und/oder jüdische Opfer nicht.[15]

Inschrift des sowjetischen Gedenksteines im Wald Šaškaŭka. Die Opfer: „friedliche sowjetische Menschen“, Foto: Hanna Liavonava, ©Gundula Pohl.

 

Mit der Gründung der Republik Belarus 1991 verstärkten sich zivilgesellschaftliche Forderungen im Land nach einer Gedenkstätte. Die Stadtverwaltung Minsk begann 1992 mit der Planung eines Denkmals.[16] Ein internationaler Wettbewerb für dessen Gestaltung wurde allerdings erst 2003 ausgerufen. Aus finanziellen Gründen fand keine Auswertung statt.[17] Im Jahr 2008 kündigte Präsident Lukašėnka anlässlich des 65. Jahrestages der Liquidierung des Minsker Ghettos vor internationalem Publikum an, ein „majestätisches Denkmal“ in Maly Trascjanec errichten zu wollen.[18] Da Lukašėnka eine:n belarusische:n Gestalter:in forderte, folgte 2009/10 ein neuer, national begrenzter Wettbewerb.[19] Als Sieger ging der Bildhauer Kanstancin Kascjučėnka mit seinem Entwurf Pforte der Erinnerung hervor.[20] 2015 wurde der überwiegend von der Regierung finanzierte Bauabschnitt I eröffnet. Er umfasst das Gelände des ehemaligen Arbeitslagers sowie den Wald Šaškaŭka. Das gesamte Areal ist knapp 60 ha groß. 

Denkmäler in Vjaliki Trascjanec und Maly Trascjanec, Foto: Lutz Haase, ©Gundula Pohl.

 

Der Tatort im Wald Blahaŭščyna war vorerst kein Bestandteil der geplanten Gedenkstätte.[21] Nachdem der historische Ort nach Kriegsende zunächst Teil eines militärischen Truppenübungsplatzes war, wurde dort 1958 eine städtische Mülldeponie angelegt.[22] Lokale Bürger:inneninitiativen kritisierten dies und forderten die Errichtung eines Gedenksteins, dieser wurde 2002 eingeweiht.[23] Eine:r der Initiator:innen war Leanid Levin, der Unterstützer:innen in Österreich und in Deutschland fand. Gemeinsam mit IM-MER und dem IBB forderte er die Integration Blahaŭščynas in das Gedenkstättenkonzept und präsentierte 2013 den Entwurf für die Installation Weg des Todes. Dieser Bauabschnitt II wurde primär durch zahlreiche Spenden und das deutsche Auswärtige Amt finanziert und 2018 eröffnet.[24]

 

Die staatliche Seite des Gedenkkomplexes – der Bauabschnitt I

Der Bauabschnitt I grenzt direkt an einen Minsker Außenbezirk, dessen grau-braune Hochhäuser die Hintergrundkulisse bilden. Das Areal durchziehen zwei Hauptwege, die von Norden nach Süden verlaufen: die historische Lagerstraße Weg des Todes sowie der Gedenkpfad Weg der Erinnerung.

Der Weg der Erinnerung führt direkt auf das zentrale Denkmal zu, Foto: Hanna Liavonava, ©Gundula Pohl.

 

Den Gedenkpfad säumen Granittafeln, die eine Karte der Republik Belarus, Namen von Ghettos, Lagern und Exekutionsplätzen „der Menschen auf dem besetzten Territorium von Belarus von 1941 bis 1944“[25] nebst Opferzahlen abbilden. Für Maly Trascjanec sind 206.500 Tote genannt. Weder auf den Granitplatten des Gedenkweges noch auf anderen Hinweisschildern werden jüdische Opfer erwähnt, sondern nur allgemeine Bezeichnungen wie „residents“ und „civilians verwendet.

In drei Sprachen ist nichts von Jüdinnen:Juden zu lesen, die „sowjetische“ Opferzahl wird reproduziert, Foto: Hanna Liavonava, ©Gundula Pohl.

 

Die Pforte der Erinnerung

Zentraler Mittelpunkt des Bauabschnitt I ist die zehn Meter hohe Bronzeskulptur Pforte der Erinnerung.

Gestalt im Sinne des sowjetischen Monumentalismus: Das Denkmal Pforte der Erinnerung ist zentraler Ort des Bauabschnitt I, Foto: Hanna Liavonava, ©Gundula Pohl.

 

Das Denkmal stellt ein leicht geöffnetes Lattentor dar, zwischen dem sich menschliche Gestalten drängen. Bildhauer Kascjučėnka bediente sich gängiger Symboliken des Leidens: die Körper sind ausgemergelt und gebeugt, die Gesichter verhärmt. Einen direkten Bezug zur symbolischen Darstellung nationalsozialistischer Konzentrationslager schuf Kascjučėnka mittels gestreifter Häftlingskleidung und eines Schildes mit der Aufschrift KL. TROSTENEZ – was wahlweise als „Klein“ oder „Konzentrationslager“ zu interpretieren ist. Der Kulturhistorikerin Magdalena Waligórska fiel bei der Betrachtung der Pforte eine Gestalt am Rande eines der Torflügel auf: Stehend und mit um den Kopf geschlungenem Stacheldraht wirkt sie wie eine Christus-Figur.[26]

Christus steht am Rand der Pforte, Foto: Hanna Liavonava, ©Gundula Pohl.

 

Aufgrund der universalistischen Bildsprache findet keine Differenzierung der Opfer statt. Da das Denkmal keine dezidierten Informationen liefert, überträgt sich das Narrativ des Weges der Erinnerung auf die Pforte. Diese untermauert damit ebenso ein allgemeines, der Nation verpflichtetes Leidens-Narrativ. Für die belarusische Gesellschaft bietet dies die Möglichkeit der problemlosen Identifikation, ohne sich mit den tatsächlichen Ereignissen von Maly Trascjanec auseinandersetzen zu müssen. Das Denkmal vereint Symboliken sowjetischer Gedenktraditionen und postsowjetisch-volkstümliche Elemente. Es wirkt wie ein Spiegel der staatlich-belarusischen Gedenkpolitik, sowjetische Traditionen beizubehalten und durch national geprägte Elemente zu ergänzen.

Diese Praxis wurde bei der Grundsteinlegung 2014 und der Einweihung 2015 deutlich[27]: Die sorgsam durchchoreografierten Veranstaltungen enthielten einerseits Elemente der sowjetischen Gedenkkultur wie Veteran:innenehrungen, das Ablegen roter Nelken, Militärorchester und einen Soldatenspalier, den Lukašėnka abschritt. Andererseits gab es volkstümliche Anknüpfungspunkte, beispielsweise Kinder in traditionell anmutender Kleidung. Der Name der Veranstaltung zur Einweihung – Requiem – verdeutlicht die christliche Konnotation. Höhepunkt war die Darbietung des Ave Maria von Franz Schubert. Die Solistin trug Kopftuch und ein Gewand, das an die Kleidung christlicher Ordensgemeinschaften erinnerte. Als Abschluss ertönte Glockengeläut.

 

Das Massiv der Namen

Wenige Meter von der Pforte entfernt, viel kleiner und unauffälliger steht das Denkmal Massiv der Namen am Wegesrand. 

Exklusiv für „österreichische“ Opfer der Shoah: Das Denkmal Massiv der Namen, Foto: Hanna Liavonava, ©Gundula Pohl.

 

Entworfen wurde es von Architekt Daniel Sanwald, umgesetzt von Kanstancin Kascjučėnka. Das Massiv beruht auf der Initiative der Wiener Bürger:inneninitiative IM-MER. Diese forderte 2015 von der österreichischen Bundesregierung, „eine Errichtung eines Grabmals in Erinnerung an die österreichischen Opfer der Shoa in Maly Trostinec zu ermöglichen“.[28] Der Entwurf für das Denkmal Massiv der Namen ging als Sieger aus einem, von IM-MER ausgerufenen Gestaltungswettbewerb hervor. Die Finanzierung übernahm der Staat Österreichs. Im März 2019 wurde das Denkmal eingeweiht.[29]
Zwischen 1941 und 1942 waren knapp 10.000 Menschen in zehn Deportationszügen aus Wien nach Minsk/Maly Trascjanec verschleppt und ermordet worden – etwa die Hälfte aller aus Mitteleuropa Deportierten. Die Gestaltung des Denkmals nimmt ausschließlich Bezug auf diese Deportationen: Zehn Betonstelen symbolisieren die zehn Transportzüge aus Wien. In den schwarzen Stein sind tausend Vornamen eingraviert, die die Stelen wie ein Band umschließen. 

Eingravierte Namen ermöglichen ein personifiziertes Gedenken, Foto: Hanna Liavonava, ©Gundula Pohl.

 

Das Massiv der Namen unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht gravierend von der Pforte. Zum einen ästhetisch, aber auch dadurch, dass es einer definierten Opfergruppe gewidmet ist. Dieses Denkmal ist damit der einzige Hinweis im gesamten Bauabschnitt I, dass in Maly Trascjanec Jüdinnen:Juden ermordet wurden. Die Gestaltung des Denkmals soll im Gegensatz zur Pforte individuelle Erinnerung widerspiegeln. Durch die Nennung der Vornamen wird das Gedenken singulär und persönlich. Das Massiv der Namen soll ein Grabmal für die Wiener Jüdinnen:Juden sein.[30] Die Nennung der Vornamen stellt einen Kompromiss mit der Minsker Stadtverwaltung dar: Von belarusischer Seite wurde die Nennung vollständiger Namen konsequent untersagt. Ein Grund ist die unterschiedliche Quellenlage im Hinblick auf deportierte und lokale Opfer in Trascjanec: Während aufgrund der akribischen Listenführung deutscher Täter:innen die Namen der aus Mitteleuropa deportierten Menschen lückenlos nachzuvollziehen sind, ist die Mehrzahl der Namen der belarusisch-sowjetischen Ermordeten nicht bekannt.[31] Das Denkmal läuft daher Gefahr, die Hierarchisierung der Opfer zu unterstützen, da es den „österreichischen“ Jüdinnen:Juden einen Grabstein und den Hinterbliebenen einen Ort zum Trauern bietet, während die vielen namenlosen Toten weiter in Vergessenheit geraten. Eine Auseinandersetzung der Initiator:innen mit dieser Problematik ist der Verfasserin nicht bekannt. Ein Vorschlag der Minsker Architektin und Erinnerungsakteurin Halina Levina, ein weiteres Denkmal, das Massiv der unbekannten Namen, für all diejenigen zu errichten, deren Namen nicht mehr nachzuvollziehen sind, wurde nicht weiterverfolgt.[32]

 

Nationalisierung auf beiden Seiten

In symbolischer Hinsicht kommt es beim Massiv der Namen ebenso wie bei der Pforte zu einer Nationalisierung des Shoah-Gedenkens. Es ist in erster Linie dem Leid in nationalen Kategorien verpflichtet: Zum einen erinnert das Denkmal ausschließlich an Opfer einer Nationalität, zum anderen kategorisiert es jüdische Opfer zuerst als österreichische Bürger:innen. Die Einbindung in den nationalstaatlichen Kontext bleibt aber inkonsequent, da das Denkmal nur jenen gewidmet ist, die aus Wien deportiert wurden. Weitere, österreichische Jüdinnen:Juden, die aus anderen Städten oder dem Ghetto Theresienstadt nach Minsk/Maly Trascjanec verbracht wurden, werden in der Gestaltung nicht berücksichtigt.[33]

 

Viel Gerede vom Sieg

Bei Veranstaltungen zu Grundsteinlegung und Eröffnung der Denkmäler konnte Aliaksandr Lukašėnka sein Geschichtsbild untermauern, indem er Ansprachen am historischen Ort im Sinne der offiziellen staatlichen Erinnerungspolitik formulierte und die Geschichte der nationalsozialistischen Massenmorde konsequent in die Erzählung des siegreichen Widerstandes integrierte.[34] Er beklagte die hohen Opferzahlen „seines“ Volkes ebenso, wie er dessen Stärke und Verdienste für den Sieg über den Faschismus rühmte. Die ermordeten Jüdinnen:Juden blieben größtenteils unerwähnt.[35] Vor dem Hintergrund des zuvor ausgebrochenen Ostukraine-Kriegs warnte er vor faschistischen Tendenzen in einigen Ländern Europas. Demgegenüber pries er seine eigne Regierung als Friedenswächterin. Lukašėnka nutzte die Veranstaltungen auch als Bühne, um eine Basis für Dialog und Kooperation mit (west-)europäischen Politiker:innen zu schaffen. Zur Eröffnung des Bauabschnitt II 2018 reisten der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und sein österreichischer Amtskollege Alexander Van der Bellen an. Ein Jahr später, anlässlich der Einweihung des Massivs der Namen, trat Lukašėnka gemeinsam mit dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz auf. Ohne das staatlich gewollte Geschichtsbild verändern zu müssen, gelang es Lukašėnka, sich medial als Bewahrer der nationalen Erinnerung zu vermarkten und als Brückenbauer in Richtung einer gemeinsamen europäischen Erinnerungskultur zu erscheinen.

Insgesamt ist der Erinnerungskomplex in Maly Trascjanec ein ambitioniertes Gedenkstättenprojekt. Er stellt jedoch keinen Gegenentwurf zur offiziellen staatlichen Geschichtspolitik in Belarus dar, sondern verbleibt überwiegend innerhalb des offiziell gesetzten Rahmens. Die explizite Erwähnung jüdischer Opfer durch das Massiv der Namen kann den national-belarusischen Eindruck, den der Rest des Bauabschnitt I erweckt nur bedingt erweitern. Maly Trascjanec erscheint so in erster Linie als postsowjetische Kriegsgedenkstätte und als Ort nationalen Leids. 

Eine nationale Kriegsgedenkstätte? Anlässlich des 9. Mai 2020 wurde ein Kranz mit der Aufschrift „Wir erinnern, wir sind stolz“ abgelegt, Foto: Hanna Liavonava, ©Gundula Pohl.

 

Der Bauabschnitt I bietet kaum Raum für Dialoge und ist für sich allein kein Lernort. Das Potential der Gedenkstätte kann nur durch entsprechende Bildungsangebote sichtbar gemacht werden. Mitarbeiter:innen der Geschichtswerkstatt Minsk oder andere engagierte Historiker:innen bieten thematische Führungen und Workshops an. Eine staatliche Förderung dieser Bildungsarbeit in Maly Trascjanec findet nicht statt.

 


[1] Auswärtiges Amt (Hg.) (2018): Ohne Erinnerung keine Zukunft: Gedenkstätte in Belarus eröffnet [8.9.2021].

[2] Iz spravki načal’nika otdela Belorusskoj respublikanskoj komissii ČGK SSSR G. L. Loginov o massovom istreblenii graždanskogo naselenija v okrestnostjach Minske v 1941-1944 gg. 25.8.1944. NARB. F. 845. Op. 1. D. 63. L. 59. Abgedr. in: Adamuško, V.I. et al. (Hg.) (2016) Trostenec. Tragedija narodov Evropy, pamjat` w Belarusi. Dokumenty i materialy. Minsk. № 73.

[3] Paškov, G.P. et al. (2008): Trosteneckij lager’ smerti. In: Respublika Belarus’ (Hg.): Ėnciklopedija: V 6t.T.7. Minsk. S. 368.

[4] Gerlach (1999) S.770; Rentrop (2011) S. 227; Kuznecov, Igor (2013): Trostenec: aktual’nye problemy issledovanij. In: Kavalienja, A.A. et al. (Hg.): Belarus’ i Hermanija: historyja i sučasnasc’: Materyjaly mižnar. navuk. kanf. Minsk 5.4.2012. Minsk. S. 84. Zitiert nach: Novikaŭ, Sjarhej (2013): Uročyšča Blahaŭščyna – mesca masavaha zniščėnnja ljudzej na tėrytoryi akupavanaj Belarusi. In: Bielaruski histaryčny časopis 10. S. 21-27. S. 27. Aufgrund kaum noch vorhandener Spuren kann die genaue Opferzahl heute nicht mehr ermittelt werden.

[5] Waligórska, Magdalena (2017): Remembering the Holocaust on the fault lines of East and West-European memorial cultures: the new memorial complex in Trastsianets, Belarus. In: Holocaust Studies. 11.12.2017. S. 8f.

[6] Siehe detaillierter bspw: Sahm, Astrid (2010): Der Zweite Weltkrieg als Gründungsmythos: Wandel der Erinnerungskultur in Belarus. In: Osteuropa 60 (5) S. 43-54; Rudling, Per Anders (2017): „Unhappy Is the Person Who Has No Motherland”: National Ideology and History Writing in Lukashenka’s Belarus. Fedor, Julie/Kangaspuro, Markku/Lassila, Jussi et al. (Hg.): War and Memory in Russia, Ukraine and Belarus. London. S. 71-106; Marples, David R. (2014): „Our Glorious Past“ Lukashenka’s Belarus and the Great Patriotic War. Stuttgart; Janeke, Kristiane (2018): Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in Belarus. In: Belarus-Analysen 37. S. 9-13; Kotjlarczuk, Andrej (2013): World War II Memory Politics: Jewish, Polish and Roma Minorities of Belarus. In: The Journal of Belarusian Studies 7 (1) S. 7-37.

[7] Historiker:innen schätzen, das zwischen 1939 und 1944 zwischen 2,3 und 2,5 Millionen belarusisch-sowjetischer Bürger:innen getötet wurden. Vgl. Sahm, Astrid (2010); Kotjlarczuk (2013); Rudling, Per Anders (2013): The Invisible Genocide: The Holocaust in Belarus. In: Himka, John-Paul/Michlic, Joanna Beata (Hg.): Bringing the Dark Past to Light. The Reception of the Holocaust in Postcommunist Europe. Nebraska. S. 59-82; Silitski, Vitali (2005): A Partisan Reality Show. In: Transitions-Online. 11.5.2005.; Hansen, Imke (2008): Die politische Planung der Erinnerung: Geschichtskonstruktionen in Belarus zwischen Konflikt und Konsens. In: Osteuropa 58 (6). S. 187-196. Sahm (2010).

[8] Dreh- und Angelpunkt ist der als kriegswichtig vorgestellte Partisan:innenwiderstand. Siehe Rudling (2013); Silitski (2005).

[9] Diese Tabuisierung spiegelt sich bis heute in der historischen Forschung Belarus’ wider. Siehe Smilovitsky, Leonid/Shybeka Zakhar (2016): Jewish studies in Belarus: history, current state, and perspectives. In: Belarusian Review Special Jewish Issue 2016. S. 7-12

[10] Rudling (2017) S. 72;77.

[11] Etwa jede:r vierte Bewohner:in der Belarusischen Sowjetrepublik wurde zwischen 1939 und 1944 getötet. Lukašėnka spricht von jeder:m Dritten. Siehe Sahm (2010) S. 47.

[12] Nichtsdestotrotz ist in den letzten Jahren von staatlicher Seite ein gesteigertes Interesse zu beobachten, den Opfern der Shoah zu gedenken: Dies zeigt sich in erster Linie in der staatlichen (Teil-)Finanzierung Minsker Shoah-Denkmäler.Smalianchuk (2016); Waligórska (2016) S. 334.

[13] Leanid Levin war einer der bedeutendsten Erinnerungsakteur:innen in Belarus’. Er entwarf und realisierte zahlreiche Kriegs- und Shoah-Denkmäler und -Gedenkstätten. Viele seiner Entwürfe seiner Projekte wurden ausgezeichnet. Siehe zu Levin: Levčik, Andrej (2012): Monolog. Leonid Levin. dokumental’nyj fil’m. Belarus’fil’m. Minsk; Sahm, Astrid (2008) (Hg): Architektur als Gratwanderung. Leonid Lewin – ein Werk als Brücke von Gedächtnis und Gegenwart. Minsk.

[14] IM-MER, Initiative Malvine – Maly Trostinec erinnern.

[15] Ein 1963 eingeweihter Obelisk weist darüber hinaus einen falschen historischen Ort aus, da er sich im benachbarten Dorf Vjaliki Trascjanec befindet.

[16] Vgl. Dalhouski (2019/I) S. 147.

[17] Pis’mo Ministerstva ėkonomiki Respubliki Belarus’ deputaty Palaty predstavitelej Nacional’nogo cobranija Respublikie Belarus’ K.V. Cholopniku o vydelenii sredstv na sozdanie memorial’nogo kompleksa „Trostenec“. 26.1.2004. Archiv Palaty predstavitelej Nacional’nogo cobranija Respublikie Belarus’. Abgedr. in: Adamuško et al. (2016) № 227.

[18] „veličestvennyj memorial Pamjati“. Vgl. Lukašenko, Aleksandr (2008): Vystuplenie Prezidenta Respubliki Belarus’. A.G.Lukašenko na memorial’nom komplekse „Jama” v ramkach meroprijatij pamjati Minskogo getto. 20 oktjabrja 2008 g. 

[19]  Spravka-obosnovanie Komiteta architektury i gradostroitel’stva Minskogo gorispolkoma k proektu rešenija Mingorispolkoma „O provedenii otkrytogo respublikanskogo konkursa na sozdanie memorial’noj komposicii ‚Trostenec’“. Nicht früher 16.6.2009. Archiv Mingorispolkoma. Abgedr. in: Adamuško et al. (2016) № 238; Protokol soveščanija v Minskom gorispolkome po voprosam sozdanija memorial’nogo kompleksa „Trostenec“. 22.7.2009. Archiv Mingorispolkoma. Abgedr. in: Ders. et al. (2016) № 240; Rešenie № 36 Minskogo gorispolkoma „O provedenii otkrytogo respublikanskogo konskursa na sozdanie memorial’noj komposicii ‚Trostenec’ (vtoroj etap)“. 4.1.2010. Archiv Mingorispolkoma. Abgedr. in: Ders. et al. (2016) № 243. Der Wettbewerb wurde von der Minsker Stadtververwaltung und dem Kulturministerium der Republik Belarus ausgerufen. Die Jury setzte sich aus Verantwortlichen aus Verwaltung, Kultur und Stadtplanung zusammen, so dem Leiter der Abteilung des Ausschusses für Architektur und Städtebau Eder Stadtverwaltung Minsk, A. I Andročnik; dem stellvertretenden Vorsitzenden der belarusischen Architektenvereinigung BSA, M. L. Gauchfel’d;  der Architektin Hanna Aksënava vom städtischen Architekturbüro Minskproekt und dem Bildhauer A. V. Dranec. Siehe für alle Jurymitglieder: Protokol No. 1 Zasedanija žjuri na rassmotreniju rabot, predstavlennych na otkrytyj respublikanskij konkurs na sozdanie memorial'noj komposicij "Trostenec" v. g. Minske. 21.10.2009. Archiv Mingorispolkoma. Abgedr. in: Ders. et al. (2016) № 241.

[20] Auch das IBB Dortmund beteiligte sich an der Finanzierung. Siehe Waligórska (2017) S. 8. Das Gedenkstättengelände wurde vom Minsker Architekturbüro Minskproekt unter der Leitung von Hanna Aksënava gestaltet. Pis’mo GPO „Kommunal’noe chozjajstwo Mingorispolkoma ispolnjajuščemu objazannosti predsedatelja Minskogo gorispolkoma N. A. Ladut’ko ob itogach vtorogo ėtapa respublikanskogo konkursa po sooruženiju memorial’noj komposicii „Trostenec“. 29.4.2010 Archiv Mingorispolkoma. Abgedr. in: Ders. (2016) № 245.

[21] Sahm (2015) S. 198.

[22] Dalhouski (2019/I) S. 144.

[23] Ebd. f.

[24] Siehe zur Analyse des Bauabschnitt II: Novikaŭ, Sjarhej; von Saal, Yuliya (2020): Gebremstes Gedenken in Belarus. Malyj Trostenec, der Holocaust und die Erinnerungskultur. In: Osteuropa 70 (10-11). S. 399-418. Nach Levins Tod übernahm dessen Tochter, die Architektin Halina Levina die gestalterische Leitung.

[25] Inschrift auf der ersten Platte.

[26] Waligórska (2017) S. 8-10.

[27] 2014: O.A. (2014): Aleksandr Lukašenko prinjal učastie v ceremonii zakladki pamjatnoj kapsuly na meste sozdanija memorial’nogo kompleksa „Trostenec”. In: president.gov.by. 8.6.2014; 2015: O.A. (2015): Lukašenko prinjal učastie v mitinge-rekvieme na otkrytii memorial’nogo kompleksa „Trostenec” in: BelTa.by. 23.6.2015. 

[28] Parlamentarische Bürgerinitiative betreffend: Errichtung und Finanzierung eines Grabmals für die Opfer von Maly Trostinec. 73/BI XXV. GP; Entschließung 173/E XXV. GP des Nationalrates v. 13.10.2016 betreffend Errichtung eines Denkmals für die aus Österreich stammenden Opfer bei Maly Trostinec

[29] Sanwald, Daniel: Das Massiv der Namen. Ein Gedenkstein für die österreichischen Opfer der Shoa in Maly Trostinec. In: Schölnberger, Pia (Hg.): Das Massiv der Namen. Ein Denkmal für die österreichischen Opfer der Shoa in Maly Trostinec. Wien 2019. S. 22-33.

[30] Barton, Waltraud (2019): Das Grabmal. In: Schölnberger, Pia (Hg.): Das Massiv der Namen. Ein Denkmal für die österreichischen Opfer der Shoa in Maly Trostinec. Wien. S. 34-43. S. 38-39.

[31] Dalhouski (2019/II) S. 128.

[32] Ebd.

[33] Eine frühere Memorialisierungs-Idee von IM-MER sah ein Denkmal für 13.500 aus Österreich deportierte Jüdinnen:Juden vor. Siehe zur Auseinandersetzung mit dem Massiv der Namen: Pohl, Gundula (2021): Myslit' w nacional'nych kategorijach: massiv imen kak memorial „avstrijskim zertvam cholokosta“. In: Novikaŭ, Sjarhei et al: Belarus i Germanija. Gistoryja i sučasnasc’, vypusk. Minsk 2021.

[34] Vergleiche zur Eröffnungszeremonie 2015: Waligórska, (2017) S. 9f.

[35] Nur in der Rede 2014 erwähnte Lukašėnka jüdische Opfer.