von Sylvia Necker

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21. Januar 2021

Eigentlich sind sie nicht zu übersehen, die Wandbilder, Wandmosaike, Skulpturen und Reliefs, egal ob wir den Stadtraum im Osten oder im Westen der Republik durchwandern. Und doch übersehen die meisten Stadtspaziergänger*innen in der Eile diese Kunstwerke, die kennzeichnend sind für die architektonischen Nachkriegsmodernen in der Bundesrepublik und der DDR, ja in ganz Europa.
Doch besonders in der osteuropäischen Architektur und im sozialistischen Städtebau hatte „architekturbezogene Kunst“, wie der offizielle Fachbegriff der DDR Bauakademie hieß in der Bundesrepublik als „Kunst am Bau“ betitelt , erzieherische Funktionen. Ästhetische Bildung als Träger gesellschaftspolitischer Botschaften. Nun wurde in den letzten Jahrzehnten seit 1989 keine Gelegenheit ausgelassen, die Nachkriegsmoderne der DDR durch radikalen Abbruch dem öffentlichen Blick zu entziehen. Es braucht schon eine gut sortierte Bibliothek, am besten die vollständigen Jahrgänge der Zeitschrift „Architektur in der DDR“, die „Bauwelt“ des Ostens sozusagen, um sich mit den städtebaulichen, künstlerischen und gestalterischen Ideen der DDR Architektur zu beschäftigen.

Umso schöner und für die Forschung durchaus sehr wertvoll, da immer mehr Bildarchive der Denkmalämter eingestampft und Bauakten „aus Versehen“ im Müll landen, einen Ort der Dokumentation für „architekturbezogene Kunst“ in der DDR zu finden. Martin Maleschka sammelt, zeigt und verknüpft Snapshots der Kunstwerke, die er auf seinen Streifzügen fotografiert. Maleschka, schon lange Experte für sozialistische Architektur u.a. mit Publikationen im Verlag DOM-Publishers, der in vielfältiger Weise genau diese vergessene und teilweise schon abgerissenen und entsorgten Architekturen dokumentiert nicht nur für die DDR, sondern für ganz Osteuropa, präsentiert seine Sammlung auf Instagram unter dem Account #baubezogenekunstddr

Es mag auf den ersten Blick wie eine erratische Bildsammlung aussehen, wie aus der Schublade gefallene Bildabzüge im Denkmalamt, doch liegt genau in dieser vermeintlichen Nicht-Systematik der Clou des Accounts. Es geht nicht um das akribische Zusammentragen möglichst aller Skulpturen, sagen wir in Halle-Neustadt, indem die Werke mit Schlagworten versehen und in Ortsregister inventarisiert werden, sondern um das Retten der Kunstwerke für unsere Augen, schlicht durch Dokumentation. Jede*r kann blättern, schmökern, entdecken und nachlesen. Denn der unschlagbare Vorteil von Instagram z.B. vor Twitter liegt in der Möglichkeit, den Bildern zahlreiche Informationen im Textfeld mitzugeben. Es ist ein wachsendes Bildlexikon, das Martin Maleschka da unermüdlich zusammenträgt, und im Gegensatz zu manchem verstaubten und auch oft veralteten kunsthistorischem Lexikonband, macht das tägliche Aufrufen dieses Instagram-Accounts einfach nur Spaß. Wer Lust auf virtuelle Rundgänge hat, scrollt sich durch die Oberfläche und entdeckt Details, macht vielleicht auch Wiederentdeckungen von Brunnen, Wandgemälden, die beim Bewegen durch die Stadt schon einmal en passent wahrgenommen wurden.

Einziges Manko sind die kaum genutzten Textmöglichkeiten, die Instagram bietet. Wer sich in die Kunstwerke und Orte vergraben will, findet selten genauere Angaben, die über Motiv- und Ortsangabe hinausgehen. Aber vielleicht ist diese Kritik zu sehr meinem analogen Karteikartenblick geschuldet? Wer als Forscher*in aus dem Material mehr machen möchte, muss sich tatsächlich selbst auf den Weg machen und Informationsbausteine suchen und zusammensetzen. Aber allein, dass Martin Maleschka so unendlich viel architekturbezogene Kunst dokumentiert ist Gold wert das mit dem Forschen können wir auch später machen. Jetzt wird erst einmal geguckt. Absolute Seh-Empfehlung meinerseits.
 

Hier noch eine zusätzliche Seh-Empfehlung aus der Redaktion: Martin Maleschka und Reinder Wijnveld haben eine exzellente  Sammlung von DDR-Postkarten mit Motiven architekturbezogener Kunst zusammengestellt. 
Zu finden unter @baubezogenekunstddrphilokartie ebenfalls auf Instagram.