Hg. von Daniel Bosch, Jakob Saß

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16. Juni 2022

Noch nie haben in Deutschland so viele Menschen Computer- und Videospiele gespielt. Aktuell ist es mehr als die Hälfte der Bevölkerung, so der Verband der deutschen Games-Branche.[1] Gespielt wird dabei in allen Altersklassen und von allen Geschlechtern gleichermaßen.[2] Auch wenn die Corona-Pandemie mit den Einschränkungen des Alltags den Gaming-Trend noch gesteigert hat, haben sich digitale Spiele bereits in den letzten Jahren zu einem der bedeutendsten und umsatzstärksten Massenmedien unserer Zeit entwickelt.

Seit den ersten Spielen der 1980er Jahre war dabei Geschichte immer eines der Themen der Spiele-Entwickler*innen: Die Historikerin Angela Schwarz hat über 3.500 Spiele mit historischem Setting gezählt, ein Viertel davon – kaum überraschend – im Zweiten Weltkrieg angesiedelt.[3] Lange Zeit als „Kinderspielzeug“ missachtet oder als “Killerspiele” verschrien, rückten digitale Spiele in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus von Historiker*innen. Vor allem für die Public History haben sie sich zu einem wichtigen Untersuchungsgegenstand entwickelt. Schließlich prägen digitale Spiele unabhängig von ihrer inhaltlichen und spielerischen Qualität seit Jahrzehnten die Geschichtsbilder von Spieler*innen. Gleichzeitig können Games zeigen, wie innerhalb einer Populärkultur Geschichte verhandelt, wahrgenommen und konsumiert wird und wurde.

Der Themenschwerpunkt „Zwischen Markt und Vermittlung. Wie digitale Spiele Geschichte(n) erzählen“ widmet sich aktuellen erinnerungskulturellen und akteursorientierten Fragen der geschichtswissenschaftlichen Game Studies: Welche Potentiale und Grenzen haben Games bei der Vermittlung von Geschichte? Inwieweit werden kritische Themen behandelt (Feminismus, Rassismus, Kriegsverbrechen, Holocaust usw.) – oder aber zugunsten der Spielbarkeit ausgeblendet? Wie reagieren Spieler*innen darauf und welche Rollen spielen dabei aktuelle gesellschaftliche Debatten, etwa jene über Identitätspolitik? Welche Spielräume bieten Games für Geschichtsrevisionist*innen und radikale Rechte? Und wie lösen Spiele-Entwickler*innen das Spannungsverhältnis zwischen ihrem unternehmerischen Ziel, Geschichte unterhaltsam zu vermarkten, und der wachsenden Nachfrage nach „authentischen“ historischen Darstellungen? Und welche Bedeutung hatten digitale Spiele in vergangenen Epochen und Gesellschaften?

 

Daniel Bosch, Jakob Saß    

 

[1] 6 von 10 Deutschen spielen Games, 11.5.2021.
[2] Ebd.
[3] Angela Schwarz im Interview: Games und Geschichte – Historisch korrekte Computerspiele, SWR 2 Wissen, Sendung vom 29.10.2021.


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