Im Jahr 1996 erklärte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar zum nationalen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Damit soll an den millionenfachen Mord, an Entrechtung, Verfolgung und Demütigung unter der nationalsozialistischen Herrschaft erinnert werden. Das Datum bezieht sich auf die Befreiung der Überlebenden des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Soldat*innen der Roten Armee. Aus diesem Anlass veranstaltet der Deutsche Bundestag jährlich eine Gedenkstunde. Der Gastredner in diesem Jahr ist Roman Schwarzman, Holocaust-Überlebender aus Odessa in der Ukraine.
Die Gedenkstunde steht im Zeichen des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz-Birkenau.
Aus diesem Anlass veröffentlichen wir Texte von Magdalena Saryusz-Wolska, Martina Bitunjac und René Schlott.
Magdalena Saryusz-Wolska plädiert in ihrem Beitrag für eine Erweiterung des Gedenkens und der Erinnerung über das Vernichtungslager Auschwitz hinaus. Dabei lenkt sie die Aufmerksamkeit auf kleinere, zum Teil nicht mehr existierende Orte der Vernichtung. Ost- und ostmitteleuropäische Jüdinnen und Juden wurden schließlich überall dort, wo sie lebten, ermordet. Daher sollten wir, so die Aufforderung, unseren Blick nicht nur auf die Hauptorte der industriellen Ermordung richten, sondern auch auf jene kleinen Dörfer und Städte, in denen die sogenannte la Shoah par balles (Holocaust durch Kugeln) stattgefunden hat. Martina Bitunjac indes lenkt in ihrem Text die Aufmerksamkeit auf ein Phänomen, das ihrer Meinung nach ebenfalls zu wenig Beachtung in der Forschung fand. Sie erinnert an die Helfer*innen aus Oświęcim und Umgebung, die während und kurz vor der Befreiung den Häftlingen zur Seite standen.
René Schlott rezensiert für zeitgeschichte|online das „Kalte Krematorium“ von József Debreczeni, der 1944 in das Lager Auschwitz deportiert wurde. Seine letzte Station vor der Befreiung überlebte er in der Krankenbaracke (das kalte Krematorium genannt) im Lager Dörnhau. Diese Zeit verarbeitete er in einem literarischen Bericht, der erstmals 1950 auf Ungarisch erschien und erst siebzig Jahre später in viele Sprachen übersetzt wurde.