von Kateryna Chernii

  |  

20. Februar 2023

„It’s a Date”  ist der erste Spielfilm der ukrainischen Regisseurin Nadia Parfan, die bereits durch ihre Dokumentarfilme bekannt geworden ist. Der fünfminütige Kurzfilm läuft auf der diesjährigen Berlinale in der Sektion Berlinale ShortsIt's a Date wurde aus der Perspektive eines/einer Autofahrer*in in einer einzigen Einstellung ohne Schnitt gedreht. Der Blick ist durch die Windschutzscheibe auf die Straßen von Kyjiw im Morgengrauen gerichtet, inmitten des Krieges.

 

Wer kennt Kyjiw?

Wie Nadia Parfan selbst erklärt, wurde sie für diesen Film von Claude Lelouch inspiriert, der in seinem Kurzfilm aus dem Jahr 1976 „C’était un rendez-vous“ eine rasante Autofahrt durch das frühmorgendliche Paris zeigt. Nadia Parfan wollte einen ähnlichen Kurzfilm in Kyjiw drehen, noch vor dem russischen Angriffskrieg, konnte dies aber erst im Sommer 2022 machen.[1]

„Für mich ist es ein paradoxer filmischer Ausdruck“, erklärt sie in einem Interview des ukrainischen Fernsehens. „Es ist ein Film, der in einer Einstellung ohne Schnitt, auf hoher Geschwindigkeit gedreht wurde, was ziemlich ehrgeizig, wenn nicht sogar verrückt ist. Was auch interessant ist, ist dass dieser Film von Kyjiw handelt. Seien wir ehrlich, die Leute kennen Paris, New York, London oder Tokio, aber die Ausstrahlung und Schönheit Kyjiws wurde noch nie in einem solchen Ausmaß gezeigt.“[2]

 

Kyjiw im Krieg

Kyjiw erscheint hier so wie es ist: Schön und hässlich, prachtvoll und schäbig. Für mich als gebürtige Kyjiwerin weckten die fünf Minuten, die der Film dauerte, Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend, an meine Tage in Kyjiw, an die Stadt, die für immer mein Zuhause und meine Heimat sein wird.
Seit einem Jahr war ich nicht mehr dort. Beim Anschauen der bekannten Kyjiwer Orte habe ich gespürt, wie sehr ich die Stadt vermisse, wie ich meine Heimat und das Leben vor dem Angriffskrieg vermisse. Der Anblick der bekannten Straßen brachte mich den Tränen nahe.

Kyjiw ist nicht mehr die Stadt, die ich Anfang Februar 2022 verlassen habe. Es herrscht Krieg. Im Film spürt man dies nur an wenigen Stellen, etwa angesichts der Panzersperren auf den Straßen, am vorbeirasenden Militärkrankenwagen und am deutlichsten angesichts der zerstörten russischen Panzer vor dem Michaelkloster.
Trotz des Krieges geht das Leben in Kyjiw weiter und dieser Kurzfilm bietet einen Einblick in das Leben im heutigen Kyjiw. Es gibt keine Dialoge, nur das beständige Geräusch des Motors, des Autos also, das das Publikum auf die Fahrt durch Kyjiw mitnimmt.

„It’s a Date” endet mit einem berührenden Treffen zweier Frauen. Diana Berh, Kulturaktivistin aus Donetsk und Mariupol, und Olena Tyhra, Notfallsanitäterin, die derzeit bei der ukrainischen Armee dient. Diana hat zweimal ihr Zuhause verloren, erst in Donetsk und dann auch in Mariupol. Jetzt hilft sie den Streitkräften der Ukraine und macht Lobbyarbeit für die Ukraine im Ausland.[3] Wie Olena dienen fast 60 000 ukrainische Frauen bei der ukrainischen Armee .[4] Die breite Mobilisierung der ganzen ukrainischen Gesellschaft und der aktive militärische und zivile Widerstand verhinderten Russlands scheinbar einfachen "Sieg" über den viel kleineren Nachbarn.

Die Stärke dieses Zusammenhalts wird im Film symbolisch durch die Umarmung der beiden Frauen gezeigt. Man kennt sie nicht, man spürt in ihren Umarmungen jedoch, wie viel Kraft und Emotionen dieser Krieg ihnen abverlangt. Wie viel geopfert wurde, wie viel sie noch verlieren werden.
Und dennoch hinterlässt der Film die Hoffnung, dass die Stärke dieser Einheit gewinnt, dass die Sonne bald aufgeht und die Ukraine diesen, von Russland verübten, verbrecherischen Krieg gewinnt.

 


[1] "It’s a Date" wird auf der 73. Berlinale im Rahmen der Sektion Berlinale Shorts gezeigt: Worüber und für wen Regisseurin Nadia Parfan ihren Film gedreht hat, dazu mehr Hier (zuletzt am 16.02.2023).
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] Kristof, Nicholas: Ukrainian woman fight for their own liberation, in: New York Times vom 3.12.2022 (zuletzt am 16.02.2023). Dazu auch ein Beitrag auf zeitgeschichte|online von Olena Petrenko: Ukrainische Frauen an der Waffe . Ein kurzer historischer Rekurs, 2. Mai 2022.