von Laura Haßler, Dominik Rigoll

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20. April 2023

Die Geschichte der Bundesrepublik wird meist als die einer zunehmenden Liberalisierung erzählt. Außen vor bleibt dabei meist, wie verschiedene Formen des Nationalismus in diese Meister-Erzählung passen. Tatsächlich zeigen neuere Forschungen, dass in Westdeutschland nicht nur Prozesse stattfanden, die das Land liberaler machten, sondern auch solche, durch die es nationalistischer wurde.

Zu nationalistischen Organisationen im Nachkriegsdeutschland arbeiten Laura Haßler und Dominik Rigoll, die in diesem Podcast, der am 9. Februar 2023 produziert wurde, Einblick in ihre Forschung geben.
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Laura Haßler ist assoziierte Doktorandin am ZZF und forscht zu den "Jungen Nationaldemokraten", während Dominik Rigoll als Post-Doc zu nationalistischen Parteien in deutschen Parlamenten zwischen 1945 und 1994 forscht. Beide sind Mitarbeiter*innen im Projekt zur radikalen Rechten in Deutschland (1945–2000), das von Frank Bösch (ZZF) und Gideon Botsch (MMZ) geleitet wird.

 

Anbei ein Einblick in die Begrifflichkeiten zur radikalen Rechten in Deutschland:

 

Rechte

Nationalistinnen und Nationalisten unterschiedlichster Ausprägung. In der alten Bundesrepublik reichte das Spektrum in etwa von Micheal Kühnen, der eine neue NSDAP gründen wollte, zu Franz Josef Strauß („rechts von der CSU ist die Wand“).

Heutige Beispiele: Björn Höcke, Alice Weidel, Donald Trump, Vladimir Putin.

 

Organisierter Nationalismus

Parteien und andere Organisationen, deren Ziel es ist, ein Land nationalistischer („nationaler“, „patriotischer“, „deutscher“, „schwedischer“, „amerikanischer“ usw.) zu machen, also die gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen in diesem Sinn zu verändern.

Beispiele im Deutschland der Gegenwart: AfD, NPD, PEGIDA.

 

Integrierter Nationalismus

Nationalistische Strukturen, Institutionen, Einstellungen und Handlungen, die auch jenseits der organisierten Rechten existieren.

Beispiele: Vorurteile gegenüber „Türk:innen“, die Bezeichnung innenpolitischer Gegner als „Reichsfeinde“ oder „Volksverräter:innen“ und nationalistische Gesetze wie die massive Einschränkung des Asylrechts im Jahr 1993.

 

Integrierte Rechte

Nationalistinnen und Nationalisten außerhalb nationalistischer Organisationen, so z.B. im Schuldienst oder im Sportverein. Hans-Georg Maaßen ist bzw. war ein in die CDU und das Bundesamt für Verfassungsschutz integrierter Rechter. Ein anderes bekanntes Beispiel ist der langjährige Sozialdemokrat und Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin.

 

Partialer Nationalismus

Mischung aus Nationalismus und anderen Ideologien wie Konservatismus, Liberalismus, Sozialismus und Islamismus. In der alten Bundesrepublik waren z.B. die nationalkonservative Deutsche Partei (DP) und der nationalliberale Flügel der FDP partialnationalistisch. In der DDR propagierte die partiell rechte Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) einen Mix aus Nationalismus und Staatssozialismus.

 

Integraler Nationalismus

Ganzheitlicher Nationalismus, wie ihn die äußerste Rechte vertritt. Es erscheint sinnvoll, in der wissenschaftlichen Analyse nicht von „radikal“ zu sprechen, da die Rechte soziale und politische Probleme zu biologischen und kulturellen verklärt. Sie geht nicht an die Wurzel (lat. radix) dieser Probleme, sondern verdeckt diese ganz (lat. integralis) oder teilweise mit Nationalismus. Beispiele: Sozialistische Reichspartei (SRP), Der III. Weg.

 

Nationalisierung

Ein Prozess, der bestimmte Bereiche der Gesellschaft nationalistischer macht. In der alten Bundesrepublik verlief er parallel zur besser erforschten Liberalisierung. Was in der Politik und den Sozialwissenschaften als Radikalisierung nach rechts bezeichnet wird, sind oft Nationalisierungsprozesse, so z.B. die Rechtsentwicklung der AfD.

 

Literatur zum Thema von Laura Haßler und Dominik Rigoll