Redaktion: Sebastian Bischoff, Jana Fritsche, Carsta Langner, Sebastian Lotto-Kusche, Paul Räuber, Dominik Rigoll, Berit Tottmann
Das Dossier wird laufend um neue Texte ergänzt, zuletzt am 25. Juli 2024.
Es herrscht keine Einigkeit darüber, wie sich Menschen, Praktiken, Organisationen und Ideologien auf der rechten Seite des politischen Spektrums am besten bezeichnen lassen. In der politischen und wissenschaftlichen Sprache ist gegenwärtig viel von Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus die Rede, aber auch von Faschismus und Neonazismus, Rassismus und (radikalem) Nationalismus, von fremden- und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Rechtsparteien wie die AfD oder die italienische Lega werden in den Medien zugleich als rechtskonservativ bezeichnet. Andere, die zur Geschichte der Rechten forschen, sprechen von nationaler Opposition oder rechtem Lager. Letzteres sind Selbstbezeichnungen, die vor allem im 20. Jahrhundert üblich waren.
Der Schwerpunkt wurde 2019 von Yves Müller und Dominik Rigoll unter dem Titel Rechtsextremismus als Gegenstand der Zeitgeschichte begründet. Er geht auf eine als Workshop geplante Tagung am ZZF zurück, die zum Zielt hatte, die zur extremen Rechten arbeitenden Zeithistoriker:innen mit Forschenden anderer Fachdisziplinen sowie Expert:innen aus nicht-akademischen Einrichtungen zusammenzubringen, um über Projekte und Ansätze zu diskutieren. Da der Schwerpunkt inzwischen auch Themen jenseits der extremen Rechten behandelt – etwa militaristische Traditionen in der Bundeswehr - haben wir den Titel in Zeitgeschichte der Rechten geändert, um so den Blick für die Grauzonen zwischen organisierten und integrierten beziehungsweise zwischen antidemokratischen und demokratischen Rechten zu schärfen. Seit 2020 gibt der Zeithistorische Arbeitskreises Extreme Rechte (ZAER) den Schwerpunkt heraus.
Wer heute in Deutschland oder einer anderen parlamentarischen Demokratie eine als rechts geltende Partei wählt, wird sich nur manchmal selbst als rechts bezeichnen. Das Wort gilt vielen als Schimpfwort, ebenso wie Nazi und Faschist. Nur sehr extreme Rechte bekennen sich dazu, Nationalist:in oder gar Nationalsozialist:in zu sein. Die meisten Wähler:innen der AfD würden diese Begriffe weit von sich weisen und sich vielleicht eher patriotisch, konservativ oder nationalkonservativ nennen. Viele rechte Aktvist:innen bezeichnen das Links/Rechts-Schema als überholt: Sie agierten als Deutsche und nicht als Anhänger:innen einer politischen Richtung. Was gerade in Zeiten von Querfrontbemühungen als neu erscheint – „Nicht rechts, nicht links, sondern deutsch“ – ist als Ideologie hingegen so alt ist wie die moderne Rechte selbst, die im späten 19. Jahrhundert entstand und schon damals behauptete, über den Parteien zu stehen und das ganze Volk zu repräsentieren.
Vor diesem Hintergrund macht es sich dieser offene Themenschwerpunkt zum Ziel, neuere Texte zur politischen Rechten in Deutschland und anderen Ländern, aber auch global und transnational, zu versammeln. Die Beiträge sollen schon deshalb ein möglichst breites Spektrum abdecken, weil auf diese Weise zur Erschließung eines junges Forschungsfeldes für die Zeitgeschichte beigetragen werden kann, das bisher vor allem aus sozial- und politikwissenschaftlicher Perspektive bearbeitet wurde – von Ausnahmen abgesehen, die wir aufgrund ihres Vorbildcharakters ebenfalls würdigen wollen. Der Fokus liegt dabei auf der Zeit nach 1945, aber wir nehmen auch interessante Beiträge auf, die längere Entwicklungslinien in den Blick nehmen. Willkommen sind nicht nur Arbeiten, die neues empirisches Material präsentieren, sondern auch methodische Überlegungen, etwa in Auseinandersetzung mit der Rechtsextremismusforschung, sowie Interviews mit Zeitzeug:innen und Pionier:innen des Forschungsfeldes.
Der Schwerpunkt wird von der Redaktion des Zeithistorischen Arbeitskreises Extreme Rechte (ZAER) herausgegeben. Wer einen Beitrag einreichen möchte, sende bitte ein aussagekräftiges Exposé an die Herausgeber:innen. Da sich zeitgeschichte|online als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit versteht, nutzen Sie bitte eine möglichst anschauliche, gerne auch essayistische Sprache mit kurzen Sätzen und möglichst wenig Abkürzungen, Anführungszeichen usw. Theoretische Konzepte und Jargonbegriffe sollten vermieden oder so erläutert werden, dass sie auch außerhalb des eigenen Fachgebietes verständlich sind. Beiträge können in deutscher oder englischer Sprache verfasst werden.